Rz. 4

Die Vorgaben von § 2312 BGB sind prinzipiell für alle pflichtteilsrechtlichen Ansprüche zu beachten,[15] also nicht nur i.R.d. Berechnung des ordentlichen Pflichtteils, sondern auch beim Pflichtteilsrestanspruch.

Bei der Berechnung etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche setzt die Anwendung des Ertragswertprivilegs jedoch voraus, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Erbfalls die Landguteigenschaft i.S.d. § 2312 BGB gegeben ist und ein Wille zur Fortführung besteht.[16] Ob diese auch im Zeitpunkt der Zuwendung schon bestand oder ob der Übernehmer die Anwendungsvoraussetzungen des § 2312 BGB erst durch eigenes Handeln zwischen Übernahme und Erbfall herbeiführt, ist irrelevant.[17] Gleiches gilt für die Frage, ob der lebzeitige Übernehmer später auch Erbe wird.[18]

Hingegen scheidet eine Anwendung von § 2312 BGB aus, wenn die Nachfolge in das Landgut sich aufgrund einer landwirtschaftlichen Sondernachfolge nach den höfe- bzw. anerbenrechtlichen Bestimmungen i.S.d. Art. 64 EGBGB vollzieht.[19] Die Sonderbestimmungen der HöfeO gelten (teilweise) in Baden-Württemberg,[20] Brandenburg,[21] Bremen,[22] Hessen,[23] Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz[24] und Schleswig-Holstein. Keine derartigen Sonderbestimmungen gelten in Bayern sowie in den meisten neuen Bundesländern.[25] Allerdings steht es dem Hofeigentümer frei, die Löschung des Hofvermerks zu betreiben und so den Anwendungsbereich des Höferechts auszuschließen, so dass im Falle seines Todes auch der Hof nach BGB vererbt wird.[26] Dann ist auch § 2312 BGB anwendbar.[27]

[15] BGH FamRZ 1995, 352; Weidlich, ZEV 1996, 380, 381; MüKo/Lange, § 2312 Rn 4; Staudinger/Herzog [2015], § 2312 Rn 7; Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 236.
[16] BeckOGK/Blum, § 2312 Rn 6; Staudinger/Herzog [2015], § 2312 Rn 7; maßgeblich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalls, vgl. OLG Braunschweig ErbR 2017, 36; LG Landshut ErbR 2016, 349.
[17] Vgl. Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 236.
[18] Soergel/Dieckmann, § 2312 Rn 6; Staudinger/Herzog [2015], § 2312 Rn 7; Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 236.
[19] Staudinger/Herzog [2015], § 2312 Rn 6; MüKo/Lange, § 2312 Rn 4; BeckOGK/Blum, § 2312 Rn 5; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2312 Rn 6; Müller-Feldhammer, ZEV 1965, 161, 162.
[20] Hofgütergesetz, aktuelle Fassung v. 19.11.1991, GBl. BW 1991, 686.
[21] Vgl. § 4 BbgHöfeOG v. 19.6.2019, Bbg GVBl.I/19, [Nr. 28].
[22] § 9 Bremisches Höfegesetz, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften zum Wegfall von Befristungen v. 19.12.2014 ((BremGBl 2014, S. 775) und seit Dezember 2014 wieder unbefristet in Kraft, vgl. BeckOGK/Ruby, EGBGB Art. 64 Rn 38.
[23] Hessische Landgüterverordnung idF v. 13.8.1970, GVBl. 1970, 548.
[24] Landesgesetz über die HöfeO, aktuelle Fassung v. 26.9.2000, GVBl. 2000, 397.
[25] Vgl. Staudinger/Herzog [2015], § 2312 Rn 8; MüKo/Lange, § 2312 Rn 10; Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 237; Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 125.
[26] Kempfler, ZEV 2011, 337, 338; Ruby, ZEV 2006, 351, 352.
[27] Staudinger/Herzog [2015], § 2312 Rn 6; MüKo/Lange, § 2312 Rn 4.

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