Rz. 123

Zur Ermittlung des Werts selbstgenutzter Immobilien – vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser[429] – wird i.d.R. auf das Sachwertverfahren zurückgegriffen.[430] Denn der Preis, den ein potenzieller Erwerber für eine Immobilie, die er selbst nutzen will, zu zahlen bereit wäre, hängt i.d.R. davon ab, wie viel er für ein anderes Grundstück in vergleichbarer Lage aufwenden müsste und welche Kosten die Herstellung eines vergleichbaren Gebäudes auf diesem Grundstück verursachen würde.[431] Die Nutzungs- und Ertragsmöglichkeiten stehen hingegen nicht im Vordergrund.[432] Prinzipiell wird dabei wie folgt vorgegangen:

 

Rz. 124

Das Sachwertverfahren geht von der Vorstellung aus, dass die Ersatzbeschaffungskosten der zu bewertenden Immobilie für deren Bewertung maßgeblich sind. Sein Anwendungsbereich ist daher immer dann eröffnet, wenn die Kosten der Ersatzbeschaffung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr als preisbestimmend angesehen werden können.[433]

 

Rz. 125

Den Ausgangspunkt der Wertermittlung mit Hilfe des Sachwertverfahrens bilden die gewöhnlichen Herstellungskosten unter Berücksichtigung der am Wertermittlungsstichtag vorherrschenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie sie im Falle einer Neuerrichtung des Bewertungsobjekts anfallen würden. Es geht also im Grunde nicht um die Reproduktion des bestehenden Objekts (unter Zugrundelegung des im Errichtungszeitpunkt gültigen Baustandards etc.), sondern um die "neuzeitlichen Erstbeschaffungskosten".[434] Auf diese Weise ergibt sich (nach §§ 2123 ImmoWertV) ein vorläufiger Sachwert, der anschließend mit Hilfe von sog. Sachwertfaktoren (die empirisch aus Beobachtungen am Grundstücksmarkt abgeleitet werden) den tatsächlichen Verhältnissen am Grundstücksmarkt im Bewertungszeitpunkt anzupassen ist (Marktanpassung nach § 21 Abs. 1 ImmoWertV). Außerdem sind auch die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale nach Maßgabe von § 8 Abs. 2 und 3 ImmoWertV zu berücksichtigen.[435] Die einzelnen Schritte des Verfahrens stellen sich – grob umrissen – wie folgt dar:

 

Rz. 126

Im ersten Schritt ist der Sachwert nach § 21 Abs. 1 ImmoWertV zu ermitteln. Dieser setzt sich zusammen aus

dem (vorläufigen) Bodenwert nach § 16 ImmoWertV,
dem (vorläufigen) Sachwert der (nutzbaren) baulichen Anlage (Gebäudesachwert) und
dem (vorläufigen) Sachwert der (nutzbaren) sonstigen Anlagen.[436]
 

Rz. 127

Am Anfang der Bewertung steht die Feststellung des Grundstückswerts. Dieser wird grundsätzlich aus dem Bodenwert vergleichbarer unbebauter Grundstücke (§ 16 Abs. 1 ImmoWertV) nach dem Vergleichswertverfahren abgeleitet.[437]

 

Rz. 128

Im zweiten Schritt ist der Sachwert der baulichen Anlagen auf der Grundlage der "gewöhnlichen" Herstellungskosten (§ 21 Abs. 2 ImmoWertV) zu bestimmen. Ermittlungsbasis hierfür sind die "gewöhnlichen" bzw. "marktüblichen Herstellungskosten" (Normalherstellungskosten) für den Fall der Neuerrichtung einer nach der Art der baulichen Anlagen, der Ausstattung und der Beschaffenheit (Gebäude) vergleichbaren Immobilie.[438] Nach § 22 Abs. 1 ImmoWertV sind die gewöhnlichen Herstellungskosten je Flächen-, Raum- oder sonstiger Bezugseinheit mit der Anzahl der entsprechenden Bezugseinheiten der bewertungsgegenständlichen baulichen Anlage zu vervielfachen. Als maßgebliche Bezugseinheit wird vielfach die sog. reduzierte Brutto-Grundfläche zugrunde gelegt.[439]

 

Rz. 129

Nur in Ausnahmefällen kann die Bewertung auf der Grundlage der Einzelkosten für die jeweils erforderlichen Einzel-Gewerke erfolgen, wobei auch hier stets nur die "gewöhnlichen" Kosten zugrunde zu legen sind. Ein Rückgriff auf die tatsächlich entstandenen Kosten ist nach der ImmoWertV nicht (mehr) zulässig.[440]

 

Rz. 130

Die praktische Vorgehensweise zur Ermittlung der Herstellungskosten baulicher Anlagen nach § 22 ImmoWertV stellt sich vor diesem Hintergrund im Wesentlichen wie folgt dar:[441]

Zunächst sind die für die Ermittlung der Herstellungskosten geeigneten Normalherstellungskosten zu bestimmen. Insoweit wird oftmals – entsprechend den Empfehlungen der SachwertR – auf Kostenkennwerte gemäß NHK 2010 zurückgegriffen. Dabei wird nach verschiedenen Gebäudearten (Gebäudetypen) differenziert und auch der Gebäudestandard, also die Ausstattung, in drei Stufen berücksichtigt,[442] so dass dem konkreten Bewertungsobjekt angemessene Normalherstellungskosten in die Bewertung einfließen.

 

Rz. 131

Im nächsten Schritt ist die Gesamtfläche bzw. der Rauminhalt der zu bewertenden baulichen Anlagen zu ermitteln. Hierbei sind diejenigen Berechnungsgrundsätze zugrunde zu legen, die auch der Bestimmung der einzubeziehenden Normalherstellungskosten zugrunde liegen. Im Falle der Anwendung der NHK 2010 ist daher nach Ziff. 4.1.1.4 Abs. 2 S. 2 SachwertR die reduzierte Brutto-Grundfläche zu ermitteln.

 

Rz. 132

Auf Basis dieser beiden Arbeitsschritte ergibt sich nach § 20 Abs. 1 ImmoWertV der Betrag der vorläufigen Herstellungskosten der baulichen Anlage durch Multiplikation der Normalherstellungskosten mit der (im vorstehend beschriebenen zwe...

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