Rz. 286

Bewertungsobjekt im Sinne des Pflichtteilsrechts ist – sofern nicht ein ganzes (einzelkaufmännisches) Unternehmen übergeht – die in den Nachlass gefallene oder wenigstens nach dem Tod des Erblassers fortgeführte gesellschaftsrechtliche Beteiligung.[777] Deren gemeiner Wert kann sich in einem zeitnah zum Erbfall erfolgenden Verkauf manifestieren. Ist die Veräußerung die objektiv günstigste Verwertungsmöglichkeit und kommt der Kaufpreis unter den Bedingungen eines funktionierenden Marktes zustande, wird er regelmäßig dem gemeinen Wert entsprechen. In diesem Fall ist die Bewertung unproblematisch. Der Verkauf ist immer dann die wirtschaftlich günstigste Alternative, wenn der Verkaufserlös den objektiven Wert der Beteiligung übersteigt oder wenigstens erreicht. Nachfolgend geht es daher um die Frage nach der wirtschaftlich sinnvollsten Verwendungsmöglichkeit, da von ihr abhängt, wie viel der Anteil objektiv wert ist.

 

Rz. 287

Im Hinblick auf die Vielfalt der gesellschaftsrechtlich zulässigen Möglichkeiten, bestimmte Anteile mit besonderen Rechten auszustatten oder andererseits mit über das gesetzlich vorgesehene Maß hinausgehenden Verpflichtungen oder Beschränkungen zu belasten, ist aber oftmals eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Dabei ist insbesondere festzustellen, wie unterschiedliche Eigenschaften der Beteiligungen den jeweiligen Anteilswert beeinflussen.[778]

 

Rz. 288

Vor diesem Hintergrund bildet die Anteilsbewertung eine eigenständige, über die reine Unternehmensbewertung hinausgehende Problematik.[779] Dem begegnet die Betriebswirtschaftslehre mit zwei unterschiedlichen Methoden der Beteiligungsbewertung, nämlich der indirekten Methode, bei der der Anteilswert vom Wert des Gesamtunternehmens abgeleitet wird, und der direkten Methode, die eine unmittelbare Bewertung des Anteils zum Ziel hat.

[777] Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 16 Rn 57.
[778] Piltz, Unternehmensbewertung, S. 207; vgl. Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 16 Rn 60.
[779] So bereits Elmendorff, Bewertung von Unternehmensanteilen im Streubesitz, WPg 1966, 548.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge