Rz. 180

Da es im Rahmen pflichtteilsrechtlicher Überlegungen nur um einen objektivierten Unternehmenswert gehen kann,[518] muss die Bewertung unter der Voraussetzung finanzieller Ziele erfolgen. Die Bewertung kann dessen ungeachtet unter Zugrundelegung verschiedener Methoden erfolgen. Diese lassen sich systematisch in vier Bewertungsansätze aufgliedern: Gesamtbewertungsverfahren, Einzelbewertungsverfahren, Mischverfahren und Überschlagsrechnungen.[519]

 

Rz. 181

Bei den Gesamtbewertungsverfahren wird das zu bewertende Unternehmen grundsätzlich als eine Bewertungseinheit angesehen.[520] Der Wert wird dabei aus den zukünftig erwarteten finanziellen Überschüssen ermittelt,[521] die auf den Bewertungsstichtag zu diskontieren sind.[522] Klassische Gesamtbewertungsverfahren sind die auch vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) favorisierten Methoden, nämlich das Ertragswertverfahren[523] sowie die Discounted Cash flow Method (DCF).[524]

 

Rz. 182

Bei den Einzelbewertungsverfahren wird der Unternehmenswert aus der Summe der Werte der Einzelbestandteile des zu bewertenden Unternehmens ermittelt.[525] Hierunter fallen insbesondere die Substanzwertmethode sowie die Liquidationswertbestimmung. Die sog. Mischverfahren führen sowohl Elemente der Gesamt- als auch der Einzelbewertungsverfahren zusammen.[526] Sie basieren im Regelfall auf dem Substanzwert, der aber um Ertragswert-Elemente erweitert wird.[527] Zu den Mischverfahren gehören z.B. das bis Ende 2008 für die erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Bewertung von nicht notierten Kapitalgesellschaftsanteilen maßgebliche Stuttgarter Verfahren[528] und ebenso die sog. Mittelwertverfahren.[529]

 

Rz. 183

Die sog. Vergleichsverfahren basieren auf empirisch erhobenen Marktdaten.[530] In diese Kategorie fallen beispielsweise die Überschlagsrechnungen, bei denen der Unternehmenswertbestimmung die Marktpreise in der Vergangenheit gehandelter Beteiligungen an dem zu bewertenden Unternehmen oder an vergleichbaren Unternehmen zugrunde gelegt werden.[531] Eine der in der Praxis am weitesten verbreiteten Erscheinungsformen der Überschlagsrechnungen sind die Multiplikatorverfahren, die in der M&A-Praxis und gerade auch bei Transaktionen unter Beteiligung von Finanzinvestoren üblich sind.

 

Rz. 184

Trotz der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Bewertungsansätze ist ein unter allen Gesichtspunkten zutreffender objektiv feststellbarer Unternehmenswert praktisch nicht ermittelbar.[532] Allenfalls kann ein von einem redlichen und sachverständigen Bewerter ermittelter Unternehmenswert bzw. das Bewertungsergebnis[533] als "wirklicher" Unternehmenswert angesehen werden.[534]

[518] BeckOGK/Blum, § 2311 Rn 190; Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 65; Riedel, Bewertung, Rn 121; Lohr/Prettl, in: Schlitt/Müller, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 4 Rn 75.
[519] Vgl. Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, S. 10.
[520] Mandl/Rabel, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 54; Matschke, in: Petersen/Zwirner/Brösel, Handbuch Unternehmensbewertung, Teil A. 1 Rn 75.
[521] Vgl. Sieben, BFuP 1998, 191; Siepe, in: Wirtschaftsprüfer-Handbuch 2002, Band II, Rn 159.
[522] Vgl. Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, S. 10; Peemöller, in: Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, Rn 230.
[523] Vgl. BVerfG NJW 2011, 2497 "Verfassungsrechtlich unbedenklich […], ohne dass ihre Anwendung von Verfassungs wegen geboten wäre"; OLG Frankfurt v. 29.3.2011 – 21 W 12/11, "… allgemein anerkannte Bewertungsmethode […], deren Heranziehung keinen Bedenken unterliegt".
[524] Vgl. IDW S 1 (i.d.F. 2008), FN-IDW 2008, 271 ff.
[525] Mandl/Rabel, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 82; Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, S. 204: "Nachbau des Unternehmens auf der günen Wiese"; Sieben/Maltry, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 655 mwN.
[526] Vgl. Mandl/Rabel, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 86.
[527] Vgl. Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, S. 10; Mandl/Rabel, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 86.
[528] Mandl/Rabel, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 87.
[529] Vgl. Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, S. 10.
[530] Mandl/Rabel, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 77; Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, S. 10.
[531] Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, S. 10.
[532] Vgl. Peemöller, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 3; Bieg, Betriebswirtschaftslehre, Band 1: Investition Unternehmensbewertung, Rn 192; Kußmaul, StB 1996, 264, 265; Kußmaul/Pfirmann/Hell/Meyering, BB 2008, 472, 476.
[533] Peemöller in Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 3.
[534] Kußmaul/Pfirmann/Hell/Meyering, BB 2008, 472, 476; Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 33.

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