Rz. 21

Soweit zum pflichtteilsrelevanten Nachlass erbrechtliche Ansprüche gehören, stellt sich die Frage, ob deren Einbeziehung in die Pflichtteilsberechnung davon abhängen kann, ob der Erbe die zum Nachlass zählende Erbschaft oder das Vermächtnis annimmt oder nicht.

Bislang wurde hierzu überwiegend vertreten, eine etwaige Ausschlagung müsse auch der Pflichtteilsberechtigte gegen sich gelten lassen. Sie führe zu einer Minderung des Nachlassbestandes und somit auch zu einer Reduzierung etwaiger Pflichtteilsansprüche.[123]

Ebenso wurden auch Pflichtteilsansprüche des Erblassers bislang überwiegend als nicht im Nachlassbestand zu erfassende höchstpersönliche Rechte angesehen.[124]

 

Rz. 22

Diese Sichtweise ist allerdings insbesondere durch der Entscheidung des BFH,[125] Pflichtteilsansprüche des Erblassers in jedem Fall bei der Bestimmung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage berücksichtigen zu wollen, zu Recht ins Wanken geraten.

Dogmatisch kann nämlich kein Zweifel bestehen, dass der Pflichtteilsanspruch (ebenso wie Erb- bzw. Vermächtnisansprüche) mit dem Tod des (ihn auslösenden) Erblassers entsteht (§ 2317 BGB), so dass er automatisch in das Vermögen des Pflichtteilsberechtigten eingegliedert wird – unabhängig davon, ob dieser dies wünscht oder eine Geltendmachung beabsichtigt.

Konsequenterweise muss der Anspruch im Falle des Todes des (ursprünglichen) Erben/Vermächtnisnehmers/Pflichtteilsberechtigten auch zu dessen Nachlass gehören.[126] Schlägt dieser aus, verzichtet er auf die Geltendmachung oder erlässt er den Anspruch ausdrücklich oder durch Verjähren-Lassen, bildet dies jeweils eine (unentgeltliche) Zuwendung an den bzw. die verpflichteten Erben (was potenziell Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen kann).[127]

Dass insoweit eine Friktion gegenüber dem Erbschaftsteuerrecht besteht, weil dieses die Ausschlagung nicht besteuert bzw. die Nicht-Geltendmachung des Pflichtteils ausdrücklich von der Besteuerung ausnimmt (§ 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG) und auch die Steuer auf den Pflichtteil erst mit dessen Geltendmachung entstehen lässt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), ändert an der zivilrechtlichen Situation nichts.[128]

[123] MüKo/Lange, § 2311 Rn 8; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn 8; a.A. de Leve, ZEV 2010, 75.
[124] BeckOGK/Blum, § 2311 Rn 50; MüKo/Lange, § 2311 Rn 9; Heindl, ZErb 2016, 8.
[125] BFH ZEV 2017, 283, 284 m. Anm. Wachter; krit. Crezelius, ZErb 2002, 142.
[126] Ebenso Schindler, ZEV 2018, 60.
[127] Vgl. Schindler, ZEV 2018, 60, 62 ff.
[128] Ebenso Schindler, ZEV 2018, 60, 66.

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