Rz. 10

Bei der Ermittlung des Nachlassbestands sind die vererblichen Vermögenswerte anzusetzen, also alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, die durch den Erbfall im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 BGB auf den bzw. die Erben übergegangen sind. Hierzu gehören auch solche, die aufgrund einer erbrechtlichen Sonderrechtsnachfolge übergehen, etwa die vererblichen Anteile an einer Personengesellschaft (siehe Rdn 244 ff.) oder ein landwirtschaftlicher Erwerb nach der HöfeO oder den anderen landesrechtlichen Anerbengesetzen.[27]

 

Rz. 11

Zu berücksichtigen sind auch alle vermögensrechtlichen Positionen und Beziehungen, die der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten eingeleitet hat, die aber erst mit oder nach seinem Tode endgültige Rechtswirkungen entfalten (sog. unfertige Rechtsbeziehungen). Dazu zählt z.B. auch der öffentlich-rechtliche Anspruch aus einem Meistgebot (§ 81 ZVG).[28] Dasselbe gilt auch für Surrogate, wie Lastenausgleichsansprüche für Schäden, die bereits vor dem Erbfall eintraten, auch wenn die Ausgleichsforderung erst in der Person des Erben entstanden ist.[29] Gleiches gilt für Ansprüche des Erblassers auf Rückgabe oder Entschädigung für Grundstücke in der ehemaligen DDR nach dem Vermögensgesetz, wenn der Erbfall nach dem 29.9.1990 eingetreten ist.[30]

 

Rz. 12

Ansprüche aus einer Lebensversicherung gehören zum Nachlass, wenn kein Bezugsberechtigter wirksam benannt ist,[31] oder wenn und soweit sie zur Kreditsicherung unter insoweit teilweisem Widerruf der Bezugsberechtigung an einen Darlehensgeber abgetreten sind.[32] Bei der Sicherungsabtretung reduzieren sich entsprechend dem Umfang derselben andererseits die Nachlassverbindlichkeiten; soweit die Abtretung nicht reicht, erwirbt jedoch der Bezugsberechtigte außerhalb des Nachlasses aufgrund des Versicherungsvertrags, da er nur entsprechend dem Sicherungszweck einen Rangrücktritt erleidet; allenfalls bestehen diesbezüglich dann Pflichtteilsergänzungsansprüche.[33]

 

Rz. 13

Nicht anzusetzen sind Nachlassbestandteile, die nur ideellen Wert haben.[34] Soweit aber das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch kommerzielle Interessen (z.B. die Möglichkeit, den Namen oder das Bild einer bekannten Persönlichkeit zu vermarkten) umfasst,[35] gehen diese vermögenswerten Bestandteile mit dem Erbfall auf den Erben über. Die hiermit verbundene wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit ist in diesem Fall dem Aktivbestand des Nachlasses zuzurechnen. Dasselbe gilt prinzipiell auch für Urheberrechte (§ 28 UrhG) und gewerbliche Schutzrechte.[36]

[27] Die Sondergesetze enthalten hierfür meist spezielle Bestimmungen zu einer – teilweise extrem – niedrigen Bewertung des Pflichtteils (Landesrechtlicher Überblick bei Staudinger/J. Mayer [2005], Art. 64 EGBGB Rn 80 ff.), so ist nach der HöfeO Bemessungsgrundlage der sog. Hofeswert im Erbfall, das ist das Eineinhalbfache des zuletzt festgestellten (steuerlichen) Einheitswerts (§ 12 Abs. 2 i.V.m. Abs. 10 HöfeO). (Da die im Bewertungsgesetz vorgesehene Anpassung der Einheitswerte nicht erfolgt ist, ist die hieran geknüpfte Abfindungsregelung des § 12 HöfeO lückenhaft geworden, soweit sich die seinerzeit zugrunde gelegte Wertrelation zwischen Einheitswert und Ertragswert des Hofes infolge der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse erheblich verschoben hat. Diese Lücke ist durch eine entsprechende Anwendung der HöfeO § 12 Abs. 2 S. 3 zu schließen, BGHZ 146, 74 = NJW 2001, 1726; dazu die Anm. von Rinck, AgrarR 2001, 111 und Köhne, AgrarR 2001, 165.).
[28] BGHZ 32, 367, 369; OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 1440, 1441; Meincke, S. 77; Staudinger/Herzog [2015], § 2311 Rn 25 f.; BeckOGK/Blum, § 2311 Rn 6.
[29] BGH MDR 1972, 851, 852; BGH FamRZ 1977, 128, 129.
[30] BGHZ 123, 76, 79 f. = ZEV 1994, 245 m. krit. Anm. Dieckmann, ZEV 1994, 198; OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 1440, Fassbender, DNotZ 1994, 359; Casimir, DtZ 1993, 362; de Leve, DtZ 1994, 270.
[31] Staudinger/Herzog [2015], § 2311 Rn 44. Zu den Problemen des Widerrufs der Bezugsberechtigung im versicherungsrechtlichen und im Valutaverhältnis zum Drittberechtigten Schmalz-Brüggemann, ZEV 1996, 84, 85 ff. und OLG Düsseldorf ZEV 1996, 142 m. Anm. Klingelhöffer.
[32] BGH NJW 1996, 2230 = ZEV 1996, 263, 264 m. Anm. Kummer; Kerscher/Riedel/Lenz, § 15 Rn 8 (mit Rechenbeispiel); eingehend auch Riedel in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 206.
[33] OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 121, Staudinger/Herzog [2015], § 2311 Rn 48.
[34] Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn 5; Kerscher/Riedel/Lenz, § 7 Rn 3.
[35] Vgl. BGH ZEV 2006, 270; BGH ZEV 2004, 323; OLG München GRUR-RR 2002, 341; vgl. auch MüKo/Lange, § 2311 Rn 4 m.w.N.; jüngst hat allerdings der BGH die Vererblichkeit von Geldentschädigungsansprüchen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts im Hinblick auf die nach dem Tod des Betroffenen nicht mehr realisierbare Genugtuungsfunktion der Entschädigung ausdrücklich abgelehnt, vgl. BGH v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, BeckRS 2014, 10271.
[36] BGH NJW 2000, 2201 = GRUR 2000, 715 m. A...

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