Rz. 362

Wie die steuerlichen Verhältnisse des idealen Erben zu bestimmen sind, hat die Rechtsprechung bislang nicht einheitlich entschieden. Klare Vorgaben hierzu existieren (noch) nicht.[932]

Insofern stellt sich zunächst die Frage nach dem anzuwendenden Steuersatz – aber auch nach anderen persönlichen (Besteuerungs-)Merkmalen.

Im Bereich des Güterrechts (Zugewinnausgleich) wird vorgeschlagen, jedenfalls bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften zur Vermeidung großer praktischer Probleme, auf einen standardisierten Steuersatz i.H.v. 35 % zurückzugreifen.[933]

Derartige Pauschalierungen erscheinen für Körperschaften plausibel, da bei deren Besteuerung ein einheitlicher Steuersatz die Regel ist.[934] Für natürliche Personen steht dieser allerdings im Widerspruch zu dem progressiven, die individuelle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen berücksichtigenden Steuersatz. Mit steigendem Einkommen steigt auch der Steuersatz. Eine einheitliche flat-tax-Besteuerung hat sich in der Bundesrepublik (abgesehen von der Abgeltungssteuer nach § 32d EStG) gerade nicht durchgesetzt und würde im Zuge der Pflichtteilsberechnung – dogmatisch – zu unrichtigen Ergebnissen führen.[935]

Dessen ungeachtet könnten Praktikabilitätserwägungen u.U. für eine solche Herangehensweise sprechen. Das gilt insbesondere auch für Einkünfte nach § 20 EStG, die der Abgeltungssteuer unterliegen.

 

Rz. 363

Eine klare Linie für die Lösung des anstehenden Problems ist bislang nicht erkennbar. Festzuhalten ist an dieser Stelle jedenfalls, dass jegliche Pauschalierung mit einer gewissen Willkür verbunden wäre.

Genau diese Willkür verträgt sich aber nicht mit dem Grundgedanken des Pflichtteilsrechts. Denn vor der Willkür des Erblassers, seine nächsten Angehörigen enterben zu können, soll der Pflichtteilsberechtigte geschützt werden. Es ergäbe wenig Sinn, ihn nun im Rahmen der im Pflichtteilsrecht verkörperten Korrekturbemühungen einer anderen Art von Willkür auszusetzen.

[932] Vgl. aber OLG Hamm v. 10.4.2014 – 10 U 35/13, BeckRS 2014, 11567, das sich für die Zugrundelegung der individuellen Verhältnisse des Erben ausspricht.
[933] Vgl. Schmid, ZErb 2015, 133, 137.
[934] Vgl. Schmid, ZErb 2015, 133, 137.
[935] Vgl. Schmid, ZErb 2015, 133, 137.

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