Rz. 29

Da für die Annahme von Vermächtnissen weder eine gesetzliche Frist noch eine Annahme-Vermutung besteht, § 2307 BGB aber grundsätzlich der raschen Abwicklung dient, sieht Abs. 2 zugunsten des mit dem Vermächtnis beschwerten Erben die Möglichkeit vor, den Pflichtteilsberechtigten zur Erklärung über die Annahme aufzufordern.[105] Da nur der mit einem Vermächtnis beschwerte Erbe sowohl mit der Vermächtniserfüllung als auch mit dem Pflichtteil belastet sein kann, steht nur ihm die Fristsetzungsbefugnis zu.[106] Die Einräumung dieses Rechts zugunsten anderer Personen, z.B. dem mit einem Untervermächtnis beschwerten Vermächtnisnehmer,[107] ist daher nicht erforderlich und auch nicht Inhalt von Abs. 2 BGB. Gleiches gilt für Erben, die mit keinem Vermächtnis zugunsten des Pflichtteilsberechtigten[108] belastet sind,[109] z.B. weil diese als Untervermächtnisse einen anderen Vermächtnisnehmer beschweren. Sind mehrere Erben mit demselben Vermächtnis beschwert, steht ihnen das Recht aus Abs. 2 gemeinschaftlich, § 2038 BGB, zu,[110] woraus aber nicht geschlossen werden kann, dass es einer Mitwirkung aller Beteiligten in einem einzigen Rechtsakt bedürfte.[111] Die Fristsetzung erfolgt durch formlose, empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten.[112] Die Frist muss angemessen sein[113] und kann daher nicht vor einer dem Erben gesetzten Frist zur Inventarerrichtung, § 1944 BGB, ablaufen.[114] Auch ein Fristende vor Erteilung der vom Pflichtteilsberechtigten nach § 2314 BGB geforderten Auskünfte kommt nicht in Betracht.[115] Eine zu kurz bemessene Frist wird automatisch durch eine angemessene ersetzt,[116] wobei für aufschiebend oder auflösend bedingte oder befristete Vermächtnisse keine Sonderregelungen gelten.[117] Verstreicht die Frist, ohne dass der Pflichtteilsberechtigte sich erklärt, gilt das Vermächtnis als ausgeschlagen,[118] so dass für ihn nur noch die Pflichtteilsgeltendmachung in Betracht kommt. Zur Möglichkeit der Anfechtung dieser (fiktiven) Ausschlagung vgl. § 2308 BGB.

[105] OLG München ZErb 2017, 285, 286; vgl. auch Soergel/Dieckmann, § 2307 Rn 12; Staudinger/Otte [2015], § 2307 Rn 21.
[106] BeckOGK/Obergfell, § 2307 Rn 12.
[107] Prot. V, S. 506; RGRK/Johannsen, § 2307 Rn 8; Staudinger/Otte [2015], § 2307 Rn 21; MüKo/Lange, § 2307 Rn 16.
[108] Zum Fall eines Vorausvermächtnisses zugunsten eines Miterben, der die Erbschaft angenommen hat (dem also kein Pflichtteilsanspruch zustand), vgl. OLG München ZErb 2017, 285.
[109] Staudinger/Otte [2015], § 2307 Rn 21; Soergel/Dieckmann, § 2307 Rn 12; MüKo/Lange, § 2307 Rn 16.
[110] OLG München FamRZ 1987, 752; Staudinger/Otte [2015], § 2307 Rn 21; BeckOGK/Obergfell, § 2307 Rn 12.
[111] Staudinger/Otte [2015], § 2307 Rn 21; MüKo/Lange, § 2307 Rn 14.
[112] BeckOGK/Obergfell, § 2307 Rn 12; Staudinger/Otte [2015], § 2307 Rn 22.
[113] Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2307 Rn 37.
[114] RG Recht 1908 Nr. 350; Staudinger/Otte [2015], § 2307 Rn 22; BeckOGK/Obergfell, § 2307 Rn 12; Hölscher/Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 4 Rn 36;.
[115] Soergel/Dieckmann, § 2307 Rn 12; Staudinger/Otte [2015], § 2307 Rn 22.
[116] BeckOGK/Obergfell, § 2307 Rn 12; Gottwald, ZEV 2006, 347, 350.
[117] Staudinger/Haas, § 2307 Rn 26.
[118] Hölscher/Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 4 Rn 37; Staudinger/Otte [2015], § 2307 Rn 23.

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