Rz. 16

Auch die Annahme des Vermächtnisses kann erst nach Eintritt des Erbfalls erklärt werden; eine besondere Form[62] oder die Einhaltung einer Frist (§ 2180 Abs. 3 BGB verweist nämlich nicht auf § 1944 BGB)[63] sind nicht vorgeschrieben, so dass auch die Annahme durch schlüssiges Verhalten möglich ist.[64] Nach Abs. 2 kann dem Pflichtteilsberechtigten aber durch den beschwerten Erben eine Frist zur Annahme gesetzt werden. Mitunter kann auch in der Einforderung der vermächtnisweise versprochenen Leistung die konkludente Annahme zu sehen sein.[65] Dies kann allerdings nur dann gelten, wenn der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch selbst geltend macht. Das Wahlrecht nach Abs. 1 ist höchstpersönlicher Natur, so dass eine Annahmehandlung des Testamentsvollstreckers dem Pflichtteilsberechtigten nicht zugerechnet werden kann.[66] Mit der Annahme des Vermächtnisses ist auch immer die Verpflichtung zur Erfüllung damit durch letztwillige Verfügung verbundener Belastungen und Beschwerungen – Untervermächtnis, Testamentsvollstreckung etc. – verbunden.[67]

 

Rz. 17

Grundsätzlich ist die Annahme des Vermächtnisses (ebenso wie auch die Ausschlagung) bedingungsfeindlich. Nach zutreffender Auffassung besteht aber dessen ungeachtet die Möglichkeit, die Annahme unter dem Vorbehalt des Pflichtteils, insbesondere des Pflichtteilsrestanspruchs (§ 2305 BGB), zu erklären.[68] Dies hat seine Ursache insbesondere darin, dass der Pflichtteilsanspruch bereits mit dem Erbfall (und nicht erst mit der Ausschlagungserklärung) entsteht und auch durch die Vermächtnisannahme nicht vernichtet wird. Vielmehr steht ihm, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht, eine Einrede entgegen. Vor diesem Hintergrund ist in der Annahme des Vermächtnisses unter Vorbehalt des Pflichtteils ein den endgültigen Rechtsgrund offenlassendes Zahlungsverlangen zu sehen, das weder als Annahme noch als Ausschlagung des Vermächtnisses gewertet werden kann.[69] Hier ist also sogar die spätere Ausschlagung des Vermächtnisses nicht ausgeschlossen.

[62] Staudinger/Otte [2013], § 2180 Rn 5; Hölscher/Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 4 Rn 23.
[63] Vgl. Hölscher/Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 4 Rn 23; BeckOGK/Obergfell, § 2307 Rn 11.
[64] OLG Stuttgart ZEV 1998, 24, 25 – Revision v. BGH nicht angenommen, vgl. BGH ZEV 1998, 24; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2307 Rn 25.
[65] OLG Braunschweig OLGE 21, 343, 344; Staudinger/Haas [2006], § 2307 Rn 15.
[66] Hölscher/Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 4 Rn 23.
[67] Staudinger/Otte [2015], § 2307 Rn 17, 20.
[68] Staudinger/Otte [2015], § 2307 Rn 14; a.A. Staudinger/Haas [2006], § 2307 Rn 15.
[69] Vgl. auch Staudinger/Otte [2015], § 2307 Rn 14.

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