Rz. 46

Wenn der belastete Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils des Pflichtteilsberechtigten übersteigt, gibt Abs. 1 S. 2 ihm ein mit dem Erbfall entstehendes – und daher auch vererbliches[193] – Wahlrecht, entweder den belasteten Erbteil anzunehmen oder aber die Erbschaft auszuschlagen und den Pflichtteil geltend zu machen. Auch für die Entstehung des Wahlrechts kommt es auf das Ausmaß der bestehenden Belastungen nicht an.[194] Nimmt der Pflichtteilsberechtigte den belasteten Erbteil an, ändert sich an seiner Rechtsstellung als Erbe nichts. Die zu seinen Lasten angeordneten Beschwerungen und Beschränkungen bleiben in vollem Umfang bestehen und müssen ohne Rücksicht darauf, ob dem Pflichtteilsberechtigten sein Pflichtteil oder überhaupt ein wirtschaftlicher Wert verbleibt, erfüllt werden.[195] Nach der Annahme der Erbschaft ist die Geltendmachung von – ordentlichen (die Möglichkeit, Pflichtteilsergänzungsansprüche – § 2326 S. 2 BGB – geltend zu machen, wird durch § 2306 BGB nicht berührt)[196] – Pflichtteilsansprüchen einschließlich des Pflichtteilsrestanspruchs ausgeschlossen.[197] Das Risiko, dass der Erbteil durch vom Erblasser angeordnete Belastungen ausgehöhlt und wertmäßig unter den Pflichtteil herabgemindert ist, liegt allein beim pflichtteilsberechtigten Erben.

 

Rz. 47

Durch die fristgerechte Ausschlagung[198] verliert der Pflichtteilsberechtigte seine Erbenstellung und erwirbt den vollen Pflichtteilsanspruch, durch dessen Geltendmachung er aber nur die Stellung eines Nachlassgläubigers erlangt; eine dingliche Beteiligung am Nachlass ist ausgeschlossen. Da § 2318 BGB keinen Schutz des Erben bewirkt, stellt die Ausschlagung bei Erbeinsetzung über der Hälfte des gesetzlichen Erbteils den einzigen Weg dar, eine Aushöhlung des eigenen Pflichtteils durch Beschränkungen und Beschwerungen zu gewährleisten.[199]

[193] Staudinger/Haas [2006], § 2317 Rn 30 ff.; J. Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, HB Pflichtteilsrecht (2. Auflage), § 3 Rn 64.
[194] Soergel/Dieckmann, § 2306 Rn 15.
[195] U. Mayer, DNotZ 1996, 422, 424.
[196] Vgl. RG SeuffA 88 Nr. 147; Staudinger/Haas [2006], § 2306 Rn 55.
[197] Staudinger/Haas [2006], § 2306 Rn 55; U. Mayer, DNotZ 1996, 422, 424; J. Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, HB Pflichtteilsrecht (2. Auflage), § 3 Rn 64, 23.
[198] Vgl. hierzu Kerscher/Tanck, ZAP 1997, 689.
[199] Vgl. hierzu J. Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, HB Pflichtteilsrecht (2. Auflage), § 3 Rn 66, 23.

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