Rz. 23
Mit besonderen, zusätzlichen Schwierigkeiten ist die Pflichtteilszuwendung an den überlebenden Zugewinn-Ehegatten verbunden. Denn diesem kann sowohl der "große" als auch der "kleine" Pflichtteil zustehen. Der große Pflichtteil kommt gem. § 1371 Abs. 1 u. 2 BGB nur in Betracht, wenn der überlebende Ehegatte entweder Erbe oder Vermächtnisnehmer geworden ist.[57] Aus diesem Grund ist – wenigstens sinngemäß – eine Zuwendung des "großen" Pflichtteils i.d.R. als Pflichtteilsvermächtnis,[58] ausnahmsweise auch als Erbeinsetzung[59] auszulegen.[60] Kommt der Pflichtteilszuwendung ein beschränkender Charakter zu, insbesondere dann, wenn der Erblasser seinen Ehegatten – wenigstens sinngemäß – auf den "kleinen" Pflichtteil verweist, ist hierin weder eine Erbeinsetzung noch eine Vermächtnisanordnung zu sehen, so dass der Ehegatte enterbt ist und ohnehin nur Anspruch auf den kleinen Pflichtteil (und daneben den konkreten Zugewinnausgleich) hat, § 1371 Abs. 2 BGB (ein Wahlrecht zwischen großem Pflichtteil und kleinem Pflichtteil zzgl. Zugewinnausgleich besteht hier ausdrücklich nicht).[61]
Rz. 24
Die Abgrenzung zwischen den beiden Varianten kann sich in der Praxis als äußerst schwierig erweisen. Eine feste Auslegungsregel besteht nicht.[62] Man wird aber davon ausgehen können, dass immer dann, wenn der Erblasser erkennbar die Anwendung der gesetzlichen Regelungen über das Pflichtteilsrecht zu vermeiden sucht, er also z.B. dem überlebenden Ehegatten den Weg zum großen Pflichtteil eröffnen will, eine Vermächtnisanordnung vorliegt.[63]
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