Rz. 13

Zwischen Vermächtnis- und Pflichtteilsanspruch bestehen sowohl in rechtlicher als mitunter auch in tatsächlicher Hinsicht diverse Unterscheide, von denen nachfolgend einige Aspekte grob umrissen werden sollen.

Je nachdem, ob bzw. welche Vorstellungen der Erblasser im Hinblick auf diese oder ähnliche Charakteristika der Zuwendung an den Pflichtteilsberechtigten hatte, kann sich hieraus sein Wille zur Anordnung eines Vermächtnisses oder zur Verweisung auf den Pflichtteil ableiten lassen.

 

Rz. 14

Bei Vermächtnisanordnungen hat der Erblasser die Möglichkeit, den Zeitpunkt sowohl des Anfalls des Vermächtnisses als auch der Fälligkeit eigenständig zu regeln. Diese Gestaltungsmöglichkeiten bestehen im Bereich des Pflichtteils nicht. Dieser entsteht zwingend im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2317 Abs. 1 BGB).

Ähnlich stellt sich die Rechtslage im Hinblick auf weitere Gestaltungsmöglichkeiten des Erblassers dar: So kann der Pflichtteilsberechtigte (außer in den Fällen von § 2338 BGB) nicht mit einer Testamentsvollstreckung, mit Untervermächtnissen oder Auflagen beschwert werden.

 

Rz. 15

Auch die Vorschriften über Annahme und Ausschlagung des Vermächtnisses (§ 2180 BGB) gelten im Bereich des Pflichtteils nicht, auch nicht entsprechend.[35]

Wird der Pflichtteil nach seiner Entstehung nicht geltend gemacht, hat dies auf seine rechtliche Existenz im Prinzip keinen Einfluss. Er kann nur durch Vertrag zwischen Pflichtteilsberechtigtem und Erben vernichtet werden. Ein Vermächtnis kann demgegenüber (auch einseitig) ausgeschlagen werden.[36]

 

Rz. 16

Auch hinsichtlich der Durchsetzung des Anspruchs sowie der Haftung für denselben weisen Vermächtnis und Pflichtteil deutliche Unterschiede auf. Während Vermächtnisansprüche prinzipiell ohne weiteres auch gegenüber dem Testamentsvollstrecker eingefordert werden können, ist Adressat des Pflichtteilsanspruchs ausschließlich der Erbe.[37] Hinsichtlich der Verjährung ergeben sich aber keine Unterschiede; es gelten in beiden Fällen die §§ 195, 199 BGB.[38]

Während für den Pflichtteilsanspruch im Verhältnis zu dessen Inhaber sämtliche Miterben gesamtschuldnerisch haften, muss für Vermächtnisansprüche lediglich der jeweilige Beschwerte einstehen.[39]

 

Rz. 17

Im Übrigen führt die Anordnung eines Vermächtnisses aber nicht zwingend dazu, dass pflichtteilsrechtliche Vorschriften überhaupt nicht anwendbar sind.[40] Je nach Ausgestaltung können einzelne pflichtteilsrechtliche Regelungen (z.B. der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB)[41] wenigstens entsprechend anwendbar sein. Ob und inwieweit dies der Fall ist, muss jeweils unter Berücksichtigung des Erblasserwillens im Einzelnen geprüft werden.[42]

[35] Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 16; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2304 Rn 15.
[36] Vgl. MüKo/Lange, § 2304 Rn 8 unter Hinweis auf BGH FamRZ 2011, 468.
[37] Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 21; a.A. wohl Köpf, ZEV 2013, 235.
[38] Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2304 Rn 14; Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 26.
[39] Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 20.
[40] OLG Nürnberg FamRZ 2003, 1229; Soergel/Dieckmann, § 2304 Rn 3; Ferid, NJW 1960, 121, 122.
[41] RGZ 129, 239, 242; OLG Hamm HRR 1935, 1462. Soweit eine analoge Anwendung von § 2314 BGB ausscheidet, können Auskunftsansprüche aber noch nach § 242 BGB bestehen, vgl. Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 13.
[42] Ferid, NJW 1960, 121, 124 f.

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