Rz. 9

Soweit der Erblasser die Absicht verfolgt, dem Bedachten etwas zu gewähren, was ihm nach den Vorgaben der §§ 2303 ff. BGB nicht bereits von Gesetzes wegen gebührt, hat seine Anordnung einen begünstigenden Charakter.[25] Es kann sich dann (von den Ausnahmefällen der Erbeinsetzung einmal abgesehen) nur um eine Vermächtnisanordnung handeln.

 

Rz. 10

Ein gewährender Charakter in diesem Sinne ist jedenfalls immer dann anzunehmen, wenn der Begünstigte gar nicht zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehört[26] oder er nach den Vorstellungen des Erblassers mehr (oder weniger) als den gesetzlichen Pflichtteil[27] oder etwas anderes als Geld erhalten soll.[28]

 

Rz. 11

Dasselbe gilt, wenn der Erblasser anordnet, dass sich die Höhe des dem Bedachten zustehenden (Geld-)Anspruchs nicht nach dem Nachlassbestand im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2311 Abs. 1 BGB)[29] richten, sondern sich bspw. an einem später erzielten Verkaufserlös bei der Verwertung bestimmter Nachlassgegenstände orientieren soll.[30]

Zu nennen ist hier auch das sog. Pflichtteilsvermächtnis (auch Deckungsvermächtnis),[31] mit dessen Hilfe der Erblasser dem Begünstigten (konkretes) Vermögen zuwendet, mit dessen Hilfe wertmäßig (wenigstens) der Pflichtteil gedeckt werden soll. Nach der Rechtsprechung ist die allgemeine Formulierung, der Alleinerbe solle seine Geschwister "finanziell abfinden", für die Annahme eines Vermächtnisses in Höhe des Pflichtteils nicht ausreichend.[32]

 

Rz. 12

In die Kategorie "Vermächtnisanordnung" fallen i.d.R. auch Verwirkungsklauseln, bei denen die Verweisung auf den Pflichtteil als Sanktion für ein "Fehlverhalten" des Pflichtteilsberechtigten angeordnet wird.[33] Denn bis zum Eintritt der entsprechenden Bedingung (Fehlverhalten oder auch Wiederverheiratung) ist der Betroffene (ja gerade) nicht enterbt und daher (ohne Ausschlagung) auch nicht pflichtteilsberechtigt. Mithin kann hier (auch wenn auf den ersten Blick ein Begünstigungswille vorliegt) nur eine Vermächtnisanordnung vorliegen.[34]

Anders ist die Lage aber bei Pflichtteilsstrafklauseln, die für den Fall der Pflichtteilsgeltendmachung nach dem ersten Erbfall eine Enterbung für den zweiten Erbfall vorsehen. Diese sind als Verweisung auf den Pflichtteil anzusehen und haben keinen gewährenden Charakter.

[25] Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 2.
[26] Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 3.
[27] Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 6.
[28] Aliud, Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 5.
[29] Vgl. hierzu auch Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 7.
[31] MüKo/Lange, § 2304 Rn 9; vgl. auch Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 11.
[32] OLG München FamRZ 2015, 2085, 2086; MüKo/Lange, § 2304 Rn 9.
[33] Vgl. hierzu auch MüKo/Lange, § 2304 Rn 10.
[34] Ebenso zutreffend Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 4; a.A.: anscheinend BayObLG BayObLGZ 1959, 199, 203; OLG Celle ZEV 1996, 307 ff.

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