Rz. 61

Das Pflichtteilsrecht ist, nicht zuletzt im Hinblick auf die Abhängigkeit der Erbquoten vom ehelichen Güterrecht, sehr stark mit dem Familienrecht verzahnt. Taktische Überlegungen des überlebenden Ehegatten sind ohne eine genaue Analyse der güterrechtlichen Situation praktisch gar nicht denkbar. Aber auch gesellschaftsrechtliche Bezüge spielen immer wieder eine erhebliche Rolle, insbesondere i.R.d. Nachlassbewertung.

Gerade in jüngerer Zeit wird auch vermehrt die Frage nach der Pfändbarkeit des Pflichtteilsanspruchs bzw. nach Bezugspunkten des Pflichtteilsrechts zum Insolvenzrecht gestellt. Hierzu ist festzuhalten, dass eine Pfändung nur dann in Betracht kommt, wenn der Pflichtteilsberechtigte selbst den Entschluss gefasst (und nach außen hin kenntlich gemacht) hat, den Anspruch verfolgen zu wollen. Denn die Entscheidung über die Geltendmachung obliegt allein ihm.[271] Eine Ausnahme hierzu gilt allerdings im Bereich des Sozialhilferegresses. Denn hier kann der Träger der Sozialhilfe den Anspruch – unabhängig von der Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten über die Geltendmachung – ab seiner Entstehung nach § 93 Abs. 1 SGB XII auf sich überleiten.[272]

 

Rz. 62

Ist der Pflichtteilsberechtigte insolvent und strebt er die Restschuldbefreiung nach § 296 InsO an, stellt es nach h.M. keine Obliegenheitsverletzung dar, wenn er einen ihm zustehenden Pflichtteilsanspruch nicht geltend macht.[273] Soweit er aber auf seinen Pflichtteil Zahlungen (oder sonstige Leistungen) erhält, hat er davon die Hälfte an seine Gläubiger abzuführen (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO). War der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits anerkannt oder (wenigstens) rechtshängig, zählt der Pflichtteil insgesamt zur Insolvenzmasse.[274]

[271] BGH NJW 2011, 1448; Palandt/Weidlich, § 2317 Rn 8.
[272] BGH ZEV 2006, 76; OLG Hamm RNotZ 2013, 307, 310.
[273] BGH ZEV 2013, 268, 269; BGH ZEV 2011, 327; BGH ZEV 2009, 469; Horn, in: MAH Erbrecht, § 29 Rn 63; Muscheler, Erbrecht, Rn 4139.

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