Rz. 19

Auch der überlebende Ehegatte zählt zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten. Voraussetzung ist, dass er im Zeitpunkt des Erbfalls mit dem Erblasser in einer gültigen Ehe verheiratet war.[74] Zu den gültigen Ehen in diesem Sinne zählen auch die sog. "freien Ehen" rassisch und politisch Verfolgter[75] sowie die durch Fern- und Nottrauungen geschlossenen Ehen.[76] War die Ehe vor dem Tod des Erblassers rechtskräftig für nichtig erklärt (§§ 16, 23 EheG) oder aufgehoben (§§ 28 ff. EheG) worden, besteht kein Pflichtteilsrecht (mehr).[77] Dasselbe gilt, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden[78] (§§ 1564 ff. BGB) oder durch Schließung einer neuen Ehe nach einer Todeserklärung (§ 38 Abs. 2 EheG)[79] oder Feststellung der Todeszeit (§ 39 VerschG) aufgelöst worden war.[80] Das bloße Getrenntleben der Ehegatten beseitigt die wechselseitigen Erb- und Pflichtteilsberechtigungen nicht.[81] Nur wenn im Zeitpunkt des Erbfalls bereits alle Voraussetzungen für die Ehescheidung erfüllt waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt[82] hatte, entfallen gem. § 1933 BGB die Erb- und Pflichtteilsrechte.[83]

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass nur dann von einem wechselseitigen Erb- und Pflichtteilsausschluss ausgegangen werden kann, wenn im Scheidungsverfahren auch der Antragsgegner der Scheidung zugestimmt hat.[84] Denn nach § 1933 BGB entfällt nur das Pflichtteilsrecht des Antragsgegners im Scheidungsverfahren bzw. des Beklagten im Aufhebungsverfahren.[85] Auch wenn die von der Rspr. bislang nicht beantwortete Frage[86] der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung durch die Lit.[87] äußerst kritisch beurteilt wird, bestehen insoweit erhebliche Risiken für den "passiven Teil" des Scheidungs- bzw. Nichtigkeitsverfahrens.[88]

Das Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehegatten ist nach § 1318 Abs. 5 BGB auch dann ausgeschlossen, wenn er bei Schließung der Ehe deren Aufhebbarkeit kannte.[89] Die Rechtsfolge des § 1933 BGB ist gem. § 1933 S. 2 BGB auf die Aufhebungsklage entsprechend anzuwenden;[90] für die Nichtigkeitsklage gilt sie aber nicht.[91]

 

Rz. 20

Durch das am 1.8.2001 in Kraft getretene Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften vom 16.2.2001,[92] das sog. Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG), wurde die Möglichkeit geschaffen, eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu begründen. Nach dem 30.9.2017 können Lebenspartnerschaften nicht mehr geschlossen werden (§ 1 S. 1 LPartG),[93] das LPartG gilt aber für die vor diesem Zeitpunkt geschlossenen Lebenspartnerschaften fort (§ 1 S. 2 LPartG)[94] Die Eingehung einer Lebenspartnerschaft ließ u.a. auch ein gesetzliches Erbrecht der Lebenspartner entstehen, § 10 Abs. 1 LPartG. Der damit einhergehende Pflichtteilsanspruch ergibt sich aus § 10 Abs. 6 S. 1 LPartG. Nach dieser Vorschrift kann der enterbte Lebenspartner einen Pflichtteil i.H.d. Hälfte seines gesetzlichen Erbteils von dem oder den Erben des Verstorbenen verlangen.[95] Die Vorschriften des BGB über den Pflichtteil sind gem. § 10 Abs. 6 S. 2 LPartG entsprechend anzuwenden. Der überlebende Lebenspartner ist "wie ein Ehegatte zu behandeln". Diese Formulierung führt dazu, dass auf den Lebenspartner auch die Vorschrift des § 2325 Abs. 3 BGB, betreffend den Beginn der 10-Jahres-Frist bei lebzeitigen Zuwendungen des zuerst versterbenden Lebenspartners an den Überlebenden, anzuwenden ist.[96] Voraussetzung für das Bestehen eines gesetzlichen Erbrechts sowie eines Pflichtteilsanspruchs des Lebenspartners ist, dass im Zeitpunkt des Erbfalls eine rechtswirksame Lebenspartnerschaft bestand.[97] Liegen in diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Aufhebung der Lebenspartnerschaft vor und hatte der Erblasser die Aufhebung der Partnerschaft beantragt bzw. ihr zugestimmt, besteht kein gesetzliches Erbrecht des Lebenspartners; auch das Pflichtteilsrecht entfällt dann.[98]

Der gesetzliche Güterstand in eingetragener Partnerschaft lebender gleichgeschlechtlicher Lebenspartner ist seit dem 1.1.2005 – wie bei Ehegatten – die Zugewinngemeinschaft.[99] Alternativ besteht aber nach § 7 LPartG die Möglichkeit, durch notariell beurkundeten Lebenspartnerschaftsvertrag Abweichendes zu vereinbaren, nämlich die Gütertrennung (§ 7 Abs. 1 LPartG) sowie die Gütergemeinschaft (§ 7 Abs. 1 S. 2 LPartG).[100] Wie der Zugewinn-Ehegatte hat auch der mit dem Erblasser in Zugewinngemeinschaft lebende überlebende Lebenspartner die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen und den konkreten Ausgleichungsanspruch sowie den kleinen Pflichtteil zu fordern.[101]

[74] Staudinger/Otte [2015], § 2303 Rn 13; Staudinger/Haas [2006], § 2303 Rn 31; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2303 Rn 57; BeckOGK/Obergfell, § 2303 Rn 29.
[75] BVerwG NJW 1958, 725; KG FamRZ 1973, 91; vgl. MüKo/Leipold, § 1931 Rn 16; Staudinger/Werner [2000], § 1931 Rn 8.
[76] Vgl. MüKo/Leipold, § 1931 Rn 16; Staudinger/Werner [2000], § 1931 Rn 9.
[77] BeckOGK/Obergfell, § 2303 Rn 29.
[78] BeckOGK/Obergfell, § 2303 Rn 29; MüKo/Lange, § 2303 Rn 32; Bur...

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