Gesetzestext

 

Der Erblasser kann von dem Erbvertrag zurücktreten, wenn er sich den Rücktritt im Vertrag vorbehalten hat.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Durch den Erbvertrag sind die Vertragsschließenden hinsichtlich ihrer vertragsmäßigen Verfügungen (erbrechtlich) gebunden; möchten sie sich hiervon lösen, um z.B. eine anderweitige Verfügung von Todes wegen treffen zu können, dann können sie den Erbvertrag auflösen, anfechten oder von ihm zurücktreten. § 2293 BGB gibt nur dem Erblasser die Möglichkeit, vom Erbvertrag zurückzutreten und sich damit einseitig von allen oder auch nur einzelnen vertragsmäßigen Verfügungen zu lösen. Der Erblasser muss sich den Rücktritt aber im Erbvertrag vorbehalten haben; ein gesetzliches Rücktrittsrecht ist nur in Ausnahmefällen vorgesehen (§§ 2294, 2295 BGB). Damit wird auch deutlich, dass der bloße Vorbehalt des Rücktritts die Rechtsnatur des Erbvertrages nicht beeinflusst; der Erbvertrag ist daher nicht wie im Falle eines umfassenden Vorbehalts abweichender Verfügungen von Todes wegen (vgl. hierzu die Ausführungen bei § 2278 BGB) als Testament zu qualifizieren.

B. Tatbestand

I. Rücktrittsvorbehalt

 

Rz. 2

Der Erblasser kann sich den Rücktritt von dem gesamten Erbvertrag, aber auch nur von einzelnen vertragsmäßigen Verfügungen vorbehalten; einseitige Verfügungen kann er dagegen jederzeit widerrufen, § 2299 Abs. 2 BGB. In der Ausgestaltung des Rücktrittsvorbehalts sind die Vertragsschließenden grundsätzlich frei, so kann der Vorbehalt befristet werden, bedingt sein oder vom Vorliegen bestimmter Rücktrittsgründe abhängig gemacht werden,[1] z.B. wenn Unterhaltszahlungen an den Erblasser, für die sich der Vertragserbe vertraglich verpflichtet hat, ausbleiben. Der Erblasser muss den Vertragserben vor dem Rücktritt grundsätzlich nicht abmahnen;[2] war aber die Pflicht nicht genau bestimmt worden, dann ist eine Abmahnung erforderlich, in der der Verstoß – und als Konsequenz der Rücktritt – deutlich gemacht werden.[3] Hat der Erblasser den Verstoß stillschweigend geduldet, dann kann er nicht zurücktreten.[4] Die Vertragsschließenden können aber vereinbaren, dass nur der Erblasser, nicht dagegen auch die Gerichte darüber entscheiden dürfen, ob der Rücktrittsgrund vorliegt oder nicht.[5] Die Vertragsschließenden müssen den Rücktrittvorbehalt nicht ausdrücklich in den Erbvertrag aufgenommen haben; er kann auch durch Auslegung ermittelt werden. Ergibt er sich nicht aus dem Erbvertrag, dann können sich die Vertragsschließenden den Rücktritt auch in einem Nachtragsvertrag vorbehalten; es galt dann § 2290 Abs. 2 BGB a.F., nicht § 2275 BGB, mit der Folge, dass der minderjährige Erblasser nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters bedurfte.[6] Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen, welches am 22.7.2017 in Kraft trat, ist § 2290 Abs. 2 BGB durch Streichung des S. 2 geändert worden – ein Aufhebungsvertrag kann seit dem 22.7.2017 nur durch den Erblasser persönlich geschlossen werden, sodass der Erblasser voll geschäftsfähig sein muss.

[1] MüKo/Musielak, § 2293 Rn 2.
[3] OLG Hamm DNotZ 1999, 142; OLG Düsseldorf ZEV 1994, 171, 172 = NJW-RR 1995, 141.
[4] OLG Oldenburg NdsRpfl 1955, 191.
[5] BGHZ 2, 35 = NJW 1951, 959.
[6] Soergel/Wolf, § 2293 Rn 4; i.E. wohl auch Staudinger/Kanzleiter, § 2293 Rn 7, soweit Nachtragsvertrag teilweise Aufhebung des Erbvertrages enthält.

II. Abgrenzung

 

Rz. 3

Hat sich der Erblasser den Rücktritt nicht vorbehalten und greift auch kein gesetzlicher Rücktrittsgrund (§§ 2294, 2295 BGB), dann kann der Erblasser im Zusammenwirken mit dem Vertragspartner den Vertrag aufheben (§§ 2290 ff. BGB) oder anfechten (§ 2281 BGB).

1. Änderungsvorbehalt

 

Rz. 4

Der Rücktrittsvorbehalt ist von einem Änderungsvorbehalt zu unterscheiden, bei dem sich der Erblasser vorbehält, später abweichende Verfügungen von Todes wegen zu errichten. In diesem Falle ist der Erblasser an die entsprechende vertragsmäßige Verfügung von vorne herein erbvertraglich nicht gebunden, so dass er insoweit anderweitige widersprechende letztwillige Verfügungen treffen kann, ohne den formgebundenen Rücktritt erklären zu müssen. Ein umfassender Änderungsvorbehalt, der alle vertragsmäßigen Verfügungen erfasst, nimmt dem Erbvertrag aber seine Rechtsnatur, mit der Folge, dass kein Erbvertrag, sondern ein Testament vorliegt (vgl. hierzu die Ausführungen zu § 2278 BGB), daher wird man einen Änderungsvorbehalt nicht ohne weiteres als Rücktrittsvorbehalt auslegen dürfen.[7] Wird einem "Vertragsteil das Recht eingeräumt, beliebige andere Verfügungen von Todes wegen zu treffen", dann kann darin ein Rücktrittsvorbehalt liegen.[8]

[7] BayObLG FamRZ 1996, 898; BayObLG FamRZ 1989, 1353.
[8] BayObLG FamRZ 1989, 1353, 1354.

2. Auflösende Bedingung

 

Rz. 5

Statt eines Rücktritts kann auch eine auflösende Bedingung vereinbart werden, z.B. für den Fall der Wiederverheiratung des Erblassers. Tritt die Bedingung ein, dann wird die vertragsmäßige Verfügung von selbst unwirksam, § 158 Abs. 2 BGB; eines Rücktritts bedarf es dann nicht mehr. Haben die Ehegatten eine Wiederverheiratungsklausel in ihren Erbvertrag aufgenommen, dann wird diese i.d.R. auch ei...

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