Gesetzestext

 

(1)Der Erbvertrag kann auf Grund der §§ 2078, 2079 auch von dem Erblasser angefochten werden; zur Anfechtung auf Grund des § 2079 ist erforderlich, dass der Pflichtteilsberechtigte zur Zeit der Anfechtung vorhanden ist.

(2)1Soll nach dem Tode des anderen Vertragschließenden eine zugunsten eines Dritten getroffene Verfügung von dem Erblasser angefochten werden, so ist die Anfechtung dem Nachlassgericht gegenüber zu erklären. 2Das Nachlassgericht soll die Erklärung dem Dritten mitteilen.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Anders als das Testament kann der Erbvertrag nicht jederzeit frei widerrufen werden; daher sieht Abs. 1 das Anfechtungsrecht, anders als das Testament, auch für den Erblasser vor. Für die Anfechtung verweist § 2281 BGB auf §§ 2078, 2079 BGB, wobei die §§ 22812285 BGB zu beachten sind; ergänzend kann auch auf die allg. Vorschriften der §§ 119 ff., 142 ff. BGB zurückgegriffen werden. Entsprechende Anwendung finden die §§ 22812285 BGB auf wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament.[1]

[1] BGH NJW 1970, 279; OLG Düsseldorf DNotZ 1972, 42.

B. Tatbestand

I. Anfechtungsberechtigter

 

Rz. 2

Anfechtungsberechtigt nach Abs. 1 ist ausschließlich der Erblasser. Anfechtbar sind nur die vertragsmäßigen Verfügungen, während die einseitigen Verfügungen nach Testamentsrecht zu beurteilen sind (§ 2299 Abs. 2 BGB) und daher jederzeit frei widerruflich sind. Grundsätzlich können auch Dritte den Erbvertrag anfechten, wenn ihnen die Aufhebung unmittelbar zustattenkommen würde (§ 2080 Abs. 1 BGB); beachte hierzu aber die Ausnahmen in § 2080 Abs. 2 u. 3 BGB, wonach im Fall des § 2079 BGB (Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten) das Anfechtungsrecht neben dem Erblasser nur dem Pflichtteilsberechtigten zusteht. Der Dritte kann den Erbvertrag nur nach dem Tode des Erblassers anfechten, wenn das Anfechtungsrecht noch besteht und z.B. durch Bestätigung des Erbvertrages (§ 2284 BGB) noch nicht erloschen ist, vgl. § 2285 BGB. Für den bloß annehmenden Vertragspartner gilt § 2281 BGB nicht. Er kann seine Erklärungen vor oder nach dem Erbfall nach §§ 119 ff. BGB anfechten, als Nächstberufener auch die des Erblassers nach §§ 2078 ff. BGB.[2] Betrifft die Anfechtung eine Erklärung, die zwar im Erbvertrag enthalten ist, aber eine Willenserklärung unter Lebenden darstellt, dann kommen nur die §§ 119 ff. BGB in Betracht.

[2] Vgl. Palandt/Weidlich, § 2281 Rn 2.

II. Anfechtungsgegner

 

Rz. 3

Anfechtungsgegner ist zu Lebzeiten der Vertragspartner. Nach seinem Tod sind die Verfügungen zu seinen Gunsten gegenstandslos geworden. Anfechtungsgegner ist dann das Nachlassgericht (Abs. 2 S. 1). Die Zuständigkeit richtet sich nach § 343 FamFG. Hat der Vertragsgegner einen Dritten bedacht, kann der Erblasser die Verfügungen nur nach §§ 2078 ff. BGB anfechten, weil der Erblasser in diesem Fall nicht seine eigenen Verfügungen anficht. Beim Vermächtnis ist die Anfechtung dem Bedachten gegenüber zu erklären, § 143 BGB.[3]

[3] BGHZ 37, 331 m. Verw. auf RGZ 143, 350, 353.

III. Form, Frist

 

Rz. 4

Die Form richtet sich nach § 2282 Abs. 3 BGB (notarielle Beurkundung), die Frist nach § 2283 Abs. 1 BGB, vgl. die Erläuterungen dort. Ergänzend ist anzumerken, dass die Anfechtung, die vor einem tatsächlich unzuständigen Gericht, das sich selbst aber irrtümlich für zuständig hält, nach § 2 Abs. 3 FamFG wirksam ist.[4]

[4] Vgl. OLG Frankfurt ZEV 2012, 417, 420; MüKo/Musielak, § 2281 Rn 21.

IV. Anfechtungsgründe

 

Rz. 5

Nach Abs. 1 i.V.m. § 2078 Abs. 2 BGB kann eine erbvertragliche letztwillige Verfügung angefochten werden, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nicht-Eintritts eines Umstands bestimmt worden ist.[5]

Als Anfechtungsgründe kommen in Betracht: der Inhaltsirrtum (§ 2078 Abs. 1 Alt. 1 BGB), Erklärungsirrtum (§ 2078 Abs. 1 Alt. 2 BGB), Motivirrtum (§ 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB),[6] die widerrechtliche Drohung (§ 2078 Abs. 2 Alt. 2 BGB) sowie die Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten (§§ 2079 S. 1, 2281 Abs. 1 Hs. 2 BGB).

1. Irrtum

 

Rz. 6

Für den Inhalts-, Erklärungs- oder Motivirrtum vgl. Erläuterungen zu § 2079 BGB. Eine Anfechtung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sich der Erblasser über die Bindungswirkung des Erbvertrages,[7] über das Verhalten des Bedachten,[8] z.B. hinsichtlich seiner Betreuung,[9] Beseitigung von Spannungen zwischen den Vertragsparteien[10] oder die Erfüllung der Gegenleistung, § 2295 BGB,[11] geirrt hat. Bei Vortäuschen eines Selbstmordversuchs kommt eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in Betracht.[12] Der Tatbestand der arglistigen Täuschung ist zwar nicht ausdrücklich erwähnt, wird aber von § 2078 BGB umfasst.[13] Für den Motivirrtum nach § 2078 Abs. 2 BGB ist entscheidend, welche Vorstellungen und Erwartungen der Erblasser wirklich hatte.[14] Unbewusste Vorstellungen, z.B. ein bestimmtes Vertrauensverhältnis,[15] sind ausreichend, wenn sie für die Erbeinsetzung ursächlich waren. Der irreale Wille, das bedeutet der Wille, den der Erblasser bei Kenntnis unbekannter Tatsachen gehabt hätte, ist nicht zu bea...

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