Rz. 87

Für die Form und Frist der Anfechtung sind §§ 2282 und 2283 BGB entsprechend anzuwenden.[214] Insbesondere bedarf die Anfechtung der notariellen Beurkundung nach § 2282 Abs. 3 BGB analog.[215] Insofern kann auf die Erläuterungen zu §§ 2282 und 2283 BGB verwiesen werden. Die Anfechtungsfrist beginnt frühestens mit dem Tod des vorverstorbenen Ehegatten.[216]

 

Rz. 88

Die Anfechtungsfrist beginnt auch zu laufen, wenn der Überlebende an das gemeinschaftliche Testament zeitweise nicht mehr denkt.[217] Anders ist es, wenn der Erblasser das Testament so weit vergessen hat, dass er sich selbst auf Fragen des Nachlassgerichts daran nicht mehr erinnert, und zwar so lange, bis er konkret wieder an seine früheren Verfügungen erinnert wird.[218]

 

Rz. 89

Ebenfalls kommt es nicht auf die Kenntnis des Erblassers von seinem Anfechtungsrecht oder der Notwendigkeit und Möglichkeit einer Anfechtung an.[219] Liegt beim Überlebenden ein Rechtsirrtum vor, dann ist dieser beachtlich, wenn er zur Unkenntnis einer die Anfechtung begründenden Tatsache führt. Unbeachtlich ist er hingegen dann, wenn es sich nur um eine rechtsirrige Beurteilung des Anfechtungstatbestandes selbst handelt.[220] Eine lediglich unrichtige Auslegung des Testaments soll den Fristlauf nicht hemmen.[221]

 

Rz. 90

Meint der Erblasser, das gemeinschaftliche Testament sei formnichtig oder aus sonstigen Gründen (Wiederverheiratung) unwirksam oder es wäre bereits wirksam angefochten worden,[222] fängt die Anfechtungsfrist nicht zu laufen an.[223]

 

Rz. 91

Für das Selbstanfechtungsrecht des Überlebenden gilt die 30-jährige Ausschlussfrist des § 2082 Abs. 3 BGB nicht entsprechend. Grund dafür ist, dass das Recht zur Selbstanfechtung das vor dem Tod des anderen Ehegatten bestehende Recht zum Widerruf ersetzt.[224]

 

Rz. 92

Wichtige Fallgruppen der Selbstanfechtung sind: Wiederheirat des Überlebenden, der Überlebende bekommt ein weiteres Kind oder die Annahme eines Kindes durch den Überlebenden.[225]

[214] BGH FamRZ 1970, 80; Soergel/Wolf, § 2271 Rn 35.
[215] RGZ 87, 95, 98; OLG Düsseldorf DNotZ 1972, 42; Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 77.
[216] MüKo/Musielak, § 2271 Rn 38; Soergel/Wolf, § 2271 Rn 35.
[217] Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 79; Soergel/Wolf, § 2271 Rn 35.
[218] BayObLG FamRZ 1995, 1024; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 947; Palandt/Weidlich, § 2271 Rn 29; a.A. Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 79.
[219] RGZ 107, 193; RGZ 132, 1; Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 79.
[220] BGH FamRZ 1970, 79; Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 79.
[221] OLG Koblenz NJW 1948, 628 m. Anm. Sommer.
[222] KG FamRZ 1968, 218.
[223] BGH FamRZ 1970, 79; Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 79; Soergel/Wolf, § 2271 Rn 35.
[224] Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 80.
[225] Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 73.

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