Rz. 37
Stellt sich für das Grundbuchamt bei einer vorzunehmenden Eintragung die Frage, ob ein später errichtetes notarielles Testament von einer Bindungswirkung eines vorgehenden gemeinschaftlichen Testaments beeinträchtigt wird, so kann das Grundbuchamt nicht einfach zum Nachweis der Erbfolge einen Erbschein verlangen. Dazu ist es nur berechtigt, wenn die Klärung dieser Frage nur durch weitere tatsächliche Ermittlungen über den Willen des Erblassers und seines Ehegatten möglich ist.[151] Insoweit besteht daher eine Prüfungspflicht des Grundbuchamts. Ebenso hat das Grundbuchamt auch die Formwirksamkeit eines etwaigen Aufhebungsvertrags selbstständig zu prüfen und kann auch hier nicht einfach einen Erbschein verlangen.[152] Um den Anwendungsbereich der kostensparenden Möglichkeit des § 35 Abs. 1 S. 2 GBO nicht leerlaufen zu lassen, darf und muss das Grundbuchamt die gesetzlichen Auslegungsregeln beachten, solange zu erwarten ist, dass durch die Ermittlungen des Nachlassgerichts keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erhalten wären.[153] Sind weitere konkrete Umstände bekannt, die weitergehende Ermittlungen sinnvoll erscheinen lassen (dies kann etwa, insbesondere wenn noch nicht allzu lange Zeit verstrichen ist, die Anhörung des Notars oder des noch lebenden Ehegatten sein), darf das Grundbuchamt nicht wie geschildert verfahren, sondern muss einen Erbschein verlangen. Das Nachlassgericht wird dann i.R.d. Erbscheinsverfahrens die erforderlichen Ermittlungen anzustellen haben.[154] Greift die Auslegungsregel des Abs. 2 nicht ein, bestehen jedoch dennoch Anhaltspunkte dafür, dass eine individuelle Auslegung des Testaments nach der Durchführung weiterer tatsächlicher Ermittlungen zur Annahme der Wechselbezüglichkeit führen könnte, so hat auch hier das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins zu verlangen.[155]
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