Rz. 3

Die Widerrufswirkung tritt unabhängig vom Willen des Erblassers ein. Sie knüpft einzig an den Realakt der Rückgabe an und kann weder rückgängig gemacht werden noch hat eine Missachtung der in Abs. 1 S. 2 geregelten Belehrungspflichten Einfluss auf die gesetzlich vorgegebene Widerrufsfiktion.[3] Auch eine erneute Rückgabe in die besondere amtliche Verwahrung macht das einmal widerrufene Testament nicht wieder wirksam: § 2257 BGB ist im Rahmen von § 2256 BGB nicht anwendbar.

 

Rz. 4

Das Rückgabeverlangen kann gegenüber dem Nachlassgericht formlos gestellt werden. Ob dabei Stellvertretung möglich ist, ist umstritten.[4] § 2256 BGB setzt voraus, dass der Erblasser zum Zeitpunkt des tatsächlichen Rücknahmeaktes testierfähig ist.[5] Testierunfähigkeit lediglich zum Zeitpunkt des Rückgabeverlangens hindert den Eintritt der Widerrufswirkung daher nicht: In der Entgegennahme des Testaments liegt zugleich ein konkludent gestelltes erneutes Rückgabeverlangen.[6]

Nach Abs. 2 S. 2 darf das Testament nur an den Erblasser persönlich zurückgegeben werden. Dies gilt auch dann, wenn das Rückgabeverlangen durch einen Bevollmächtigten erfolgte.[7] Verlangt der Erblasser lediglich die Einsichtnahme bei Gericht und wird das Testament dann versehentlich zurückgegeben, liegt hierin genauso wenig eine die Widerrufsfiktion auslösende Rückgabe, wie wenn das öffentliche Testament vor Verbringung in die besondere amtliche Verwahrung dem Erblasser ausgehändigt wird.[8]

 

Rz. 5

Nicht zwingend ist, dass die Rückgabe durch das Gericht erfolgt, bei dem das Testament hinterlegt ist. Vielmehr kann diese auch i.R.d. Rechtshilfe durch ein anderes AG oder einen Konsularbeamten erfolgen. Ist der Erblasser persönlich nicht mehr in der Lage, das Testament bei Gericht in Empfang zu nehmen, muss der Rechtspfleger den Erblasser aufsuchen, um ihm das Testament zu übergeben.[9]

 

Rz. 6

Ein gemeinschaftliches Testament kann gem. den §§ 2272, 2256 Abs. 3, 2248 BGB nur von beiden Ehegatten zurückgenommen werden. Eine Stellvertretung ist unzulässig, da andernfalls der Schutz des gemeinsamen Willens der Ehegatten nicht gewahrt wäre. Erforderlich im Rahmen der Verwahrungssicherheit ist also das Einverständnis beider Eheleute. Ist einer der beiden Ehegatten testierunfähig, so scheitert eine wirksame Rücknahme und damit auch ein Widerruf.[10] Dies gilt auch dann, wenn bei Errichtung der letztwilligen Verfügung keine Testierfähigkeit vorgelegen hat.[11] Seine eigene Verfügung kann der rücknahmewillige und testierfähige Ehegatte hingegen widerrufen – dies jedenfalls, sofern er nicht über die Errichtung wechselbezüglicher Verfügungen einer Bindungswirkung unterliegt.

 

Rz. 7

Nach Abs. 1 S. 2 ist der Erblasser bei Rückgabe des Testaments über die Widerrufswirkung nach Abs. 1 S. 1 zu belehren. Unterbleibt eine solche Belehrung oder fehlt der Vermerk auf der Urkunde, ist die Wirksamkeit des Widerrufs hiervon nicht betroffen. Allerdings kann dies zu Amtshaftungsansprüchen nach Art. 34 GG, § 839 BGB führen.

 

Rz. 8

Die Widerrufswirkung des Abs. 1 S. 1 kommt nur zum Tragen, wenn die Testamentsurkunde dem Erblasser auf sein Verlangen hin tatsächlich zurückgegeben wird. Die Beschlagnahmung einer Testamentsurkunde nach §§ 96, 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO stellt keinen Widerruf dar.[12]

 

Rz. 9

Vgl. zur Rücknahme von Erbverträgen § 2300 BGB.

[4] Für eine Stellvertretung: DNotI-Report 2002, 19; MüKo/Hagena, § 2256 Rn 6; a.A. LG Augsburg Rpfleger 1998, 344–345; Baumann hält den Streit für unerheblich, da jedenfalls die Rückgabe selbst nur höchstpersönlich erfolgen kann, vgl. Staudinger/Baumann, § 2256 Rn 11.
[5] Scherer/Lehmann, ZEV 2005, 453, 456.
[6] Staudinger/Baumann, § 2256 Rn 13; jurisPK-BGB/Bauermeister, § 2256 Rn 6; a.A. BGH NJW 1957, 906; BayObLG Rpfleger 2005, 541; MüKo/Hagena, § 2256 Rn 6.
[7] OLG Saarbrücken NJW-RR 1992, 586; LG Augsburg Rpfleger 1998, 344.
[8] DNotI-Report 2002, 18; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2256 Rn 3.
[9] Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2256 Rn 2.
[10] BayObLG NJW-RR 2005, 957; Palandt/Weidlich, § 2256 Rn 4; OLG Hamm FamRZ 2013, 582 m. Anm. Jahreis, jurisPR-FamR 25/2012 Anm. 2.
[12] Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2256 Rn 3.

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