Rz. 10

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB sind Personen testierunfähig, die wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage sind, die Bedeutung einer von ihnen abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.[13] Aufgrund welcher Ursache die Testierfähigkeit besteht oder eingetreten ist, ist unerheblich. Sie kann angeboren, durch Krankheit oder Unfall verursacht sein, als reversible geistige oder seelische Veränderung auftreten oder vorübergehend auf der Einnahme von Medikamenten beruhen.[14]

 

Rz. 11

Die für den Einzelfall festzustellende Testierunfähigkeit nach Abs. 4 erfordert das kumulative Vorliegen folgender drei Tatbestandsmerkmale:

krankhafte Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung des Testierenden (= geistige Insuffizienz)
Unfähigkeit, die Bedeutung der mit der letztwilligen Verfügung abgegebenen Willenserklärung zu erkennen (= kognitives Element)
diese Unfähigkeit muss auf der zuerst genannten geistigen Insuffizienz beruhen (= Kausalität).[15]
 

Rz. 12

Die Annahme einer Testierunfähigkeit nach Abs. 4 muss jedoch als Ausnahmefall von dem allg. Grundsatz aufgefasst werden, dass jeder, der das nach § 2229 Abs. 1 BGB vorgegebene Mindestalter erreicht hat, so lange als testierfähig gilt, bis das Gegenteil zur vollen Gewissheit des Gerichts bewiesen ist.[16]

[13] BayObLG FamRZ 2002, 1066ff.; 2005, 2019; 2006, 68.
[14] So Staudinger/Baumann, § 2229 Rn 26ff., 30; vgl. auch Wetterling, ErbR 2015, 179, 180.
[16] BayObLG NJW 1995, 3260; BayObLG NJW 2000, 1959, 1961; OLG München FamRZ 2015, 698, 700; beachte: bei der Entscheidung BGHZ 18, 184 ff. ging es um die partielle Prozessunfähigkeit.

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