Rz. 5

§ 2206 BGB gibt dem Testamentsvollstrecker die Möglichkeit, sein Haftungsrisiko nach § 2219 BGB zu minimieren, indem er bereits während, d.h. vor Abschluss seiner Amtstätigkeit, gerichtlich klären lässt, ob die von ihm durchzuführende oder bereits durchgeführte Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. In zahlreichen Fällen wird zweifelhaft sein, ob der Testamentsvollstrecker den Nachlass verpflichten kann. Aus diesem Grund ist häufig eine Zustimmungs- oder Einwilligungsklage des Testamentsvollstreckers gegen die Erben geboten, die keine Zustimmung bzw. Einwilligung zur geplanten Maßnahme erteilen wollen. Die Einwilligung ist nicht Voraussetzung für das Entstehen der Nachlassverbindlichkeit.[7] Der Testamentsvollstrecker wird nur dann Erfolg haben, wenn die Voraussetzungen nach Abs. 1 gegeben sind. So darf er gem. Abs. 1 S. 1 nur über Nachlassgegenstände verfügen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung erforderlich ist oder eine erweiterte Verpflichtungsbefugnis nach den Vorschriften der §§ 2207, 2209 S. 2 BGB vorliegt. Dies gilt z.B. bei Miet-, Dienst- und Darlehensverträgen, ebenso bei Eingehung von Wechselverbindlichkeiten für den Nachlass, Schuldanerkenntnissen, Vergleichen und Anerkenntnissen.[8] Der Wortlaut von Abs. 1 S. 1 BGB kann missverständlich sein. Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt es für das Zustandekommen der Verbindlichkeit nicht auf die objektive Ordnungsmäßigkeit des Testamentsvollstreckerhandelns, sondern darauf an, ob der Vertragspartner bei Vertragsschluss angenommen hat und ohne Fahrlässigkeit annehmen durfte, dass die Eingehung der Verbindlichkeit zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses erforderlich ist.[9]

Hat der Testamentsvollstrecker gesetzesgemäß gehandelt, hat er einen Anspruch auf Einwilligung nach Abs. 2. Er kann somit erzwingen, dass der Erbe in die Eingehung dieser Verbindlichkeit einwilligt bzw. zustimmt. Eine Verpflichtung zur Einwilligung besteht aber nur dann, sofern die Eingehung der Verbindlichkeit tatsächlich zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist. Dabei sind nur Erben und der Vorerbe einwilligungspflichtig.[10]

 

Rz. 6

Willigt der Erbe ein, entlastet diese Einwilligung gleichzeitig den Testamentsvollstrecker von seiner Haftung nach § 2219 BGB.[11] Demzufolge kann der Erbe nicht verpflichtet sein, seine Einwilligung zu einem ordnungswidrigen Verpflichtungsgeschäft zu erklären. Da die Einschränkung der Verpflichtungsbefugnis allein im Interesse der Erben erfolgt, ist eine nachträgliche Einwilligung zu einer Verfügung, die der Testamentsvollstrecker ohne Verpflichtungsbefugnis vorgenommen hat – selbst wenn diese ordnungswidrig erfolgt ist –, möglich.[12] Durch die Einwilligung erlangt das ordnungswidrige Rechtsgeschäft nach außen gem. § 177 BGB analog Wirksamkeit.[13]

 

Rz. 7

Große Probleme machen in der Praxis auch vom Testamentsvollstrecker vorgenommene Vergleiche. Gerade für einen Vergleich kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass er eine (ganz oder teilweise) unentgeltliche und daher unwirksame Verfügung enthält. So hat bereits das RG[14] erklärt, es sei falsch, den Schulderlass durch einen Vorerben schon deshalb als entgeltlich anzusehen, weil er nach dem Willen der Beteiligten die Abfindung für Gegenansprüche habe bilden sollen. Wenn es dem rein subjektiven, sei es auch gutgläubigen Ermessen des Vorerben anheimgestellt bleibe, über die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung zu befinden, dann werde das unter Umständen zur schwersten Benachteiligung des Nacherben und damit zur Vereitelung des Gesetzeszwecks führen können. Der BGH[15] hat dieser Rspr. ausdrücklich mit der weiteren Maßgabe zugestimmt, für § 2205 S. 3 BGB könne nichts anderes gelten. Eine genaue Grenzziehung, wann eine Verfügung, die ein Testamentsvollstrecker in einem Vergleich trifft, als unentgeltlich anzusehen ist, ist nicht möglich. Regelmäßig ist die Grenze jedenfalls überschritten, wenn der Nachlass infolge des Vergleichs nahezu zwei Drittel des Wertes der aufgegebenen Forderung eingebüßt hat.[16] Die Möglichkeit zum Abschluss von Vergleichen ist dem Testamentsvollstrecker nicht gänzlich abgeschnitten, zumal ihm ein gewisser Ermessensspielraum zuzubilligen ist. Es ist daher auf jeden Fall für den Testamentsvollstrecker ratsam, von dieser Möglichkeit des § 2206 BGB Gebrauch zu machen, um vor späteren Vorwürfen sicher zu sein.

 

Rz. 8

 

Übersicht: Verpflichtungsbefugnis[17]

Abs. 1 S. 1 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 2205 BGB
Erlaubt Verpflichtungsbefugnis nur für die Geschäfte, die zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung erforderlich sind Erlaubt Verpflichtungsbefugnis ohne diese Einschränkung, sofern Verfügungsbefugnis besteht
Unwirksamer Vertrag, sofern außerhalb ordnungsgemäßer Verwaltung  
Ggf. Verkehrsschutz des Dritten Grundsätzliche Wirksamkeit des Vertrages, selbst wenn außerhalb ordnungsgemäßer Verwaltung
Aber: Haftung des Testamentsvollstreckers nach § 2219 BGB  
[7] Lange/Kuchinke, § 31, dort Fn 276.
[8] Zu Grauzonen rechtlicher Befugnisse des Testam...

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