Rz. 1

Die Vorschrift billigt dem Nacherben das Recht zur Ausschlagung bereits mit dem Tod des Erblassers zu, obschon ihm (siehe § 2139 BGB) zu diesem Zeitpunkt die Erbschaft noch nicht angefallen ist. Dies Recht hat er für die gesamte Dauer der Vorerbschaft, da die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB erst mit Kenntnis des Eintritts des Nacherbfalls beginnt.[1] Der Gesetzgeber wollte dem Nacherben im Interesse der Vertragsfreiheit hierdurch ein Mittel an die Hand geben, dem Vorerben sogleich die Rechtsposition des Vollerben zu verschaffen,[2] wegen des Vorrangs anderweitiger Bestimmungen des Erblassers, Abs. 2 Hs. 2, ist die rechtsgeschäftliche Übertragung der Anwartschaft insoweit allerdings der sicherere Weg.

 

Rz. 2

Ist der eingesetzte Nacherbe nach dem Erblasser pflichtteilsberechtigt, kann ihn § 2306 Abs. 2 BGB dazu bestimmen, die Ausschlagung gemäß § 2306 Abs. 1 BGB zu erklären, um den Pflichtteil zu retten. Zwar läuft die Ausschlagungsfrist nach §§ 1944 Abs. 2 S. 1, 2139 BGB für ihn erst mit Kenntnis des Anfalls der Nacherbschaft,[3] allerdings verjährt der Pflichtteilsanspruch in der Regelfrist des § 199 Abs. 1 BGB bereits mit Kenntnis vom Erbfall, nicht erst mit der Ausschlagung (siehe § 2332 Abs. 2 BGB).[4]

 

Rz. 3

Soweit die Länge der Ausschlagungsfrist gem. § 1944 Abs. 3 BGB vom Wohnsitz abhängt, ist der Wohnsitz des Erblassers, nicht der des Vorerben entscheidend.[5]

 

Rz. 4

Das Recht, die Erbschaft bereits nach dem Erbfall auszuschlagen, steht auch Nacherben zu, die unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung eingesetzt oder an zweiter oder fernerer Stelle berufen sind.[6] Gleiches gilt für die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers; der Nacherbentestamentsvollstrecker kann die Nacherbschaft nicht ausschlagen.[7] Ist ein Elternteil Vorerbe und sein Kind Nacherbe, bedarf es bei konkretem Interessenwiderstreit einer Pflegerbestellung zur Entscheidung über die Ausschlagung.[8] Stirbt der Nacherbe vor dem Nacherbfall, geht sein Ausschlagungsrecht auf seine Erben über, wenn es vererblich war, § 2108 Abs. 2 BGB, oder auf den Ersatznacherben; oder es erlischt, wenn die Erbschaft dem Vorerben verbleibt.[9] Stirbt der Nacherbe nach Eintritt des Nacherbfalls, geht das Ausschlagungsrecht auf seine Erben über, § 1952 BGB. Pfändung und Insolvenz lassen das Ausschlagungsrecht unberührt (vgl. § 83 Abs. 1 S. 1 InsO).

[1] MüKo/Grunsky, § 2142 Rn 1.
[2] Staudinger/Avenarius, § 2142 Rn 3 m. Hinw. auf Mot. V, S. 121 f.
[3] OLG München ZEV 2011, 318, hier: Kenntniserlangung im Erbscheinsverfahren des Vorerben; Bekanntgabe an den Betreffenden als gesetzlicher Vertreter eines Nach-Nacherben reicht ebenso wenig aus.
[4] MüKo/Lange, § 2306 Rn 26; RGZ 59, 341, 346.
[5] Allg. Meinung, vgl. hierzu nur Staudinger/Avenarius, § 2142 Rn 5.
[6] Vgl. nur RGRK/Johannsen, § 2142 Rn 2.
[7] KG DNotZ 1930, 480; Soergel/Harder-Wegmann, § 2142 Rn 2.
[8] OLG Frankfurt FamRZ 1964, 154. Ist der Nacherbe minderjährig, greift § 1643 Abs. 2 BGB nicht und für die Ausschlagung bedarf es keiner gerichtlichen Genehmigung, OLG Frankfurt ZEV 2011, 597; str., dagegen Sagemeister, ZEV 2012, 121.
[9] MüKo/Grunsky, § 2142 Rn 2.

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