Gesetzestext

 

(1)1Die Herausgabepflicht des Vorerben beschränkt sich in den Fällen des § 2137 auf die bei ihm noch vorhandenen Erbschaftsgegenstände. 2Für Verwendungen auf Gegenstände, die er infolge dieser Beschränkung nicht herauszugeben hat, kann er nicht Ersatz verlangen.

(2)Hat der Vorerbe der Vorschrift des § 2113 Abs. 2 zuwider über einen Erbschaftsgegenstand verfügt oder hat er die Erbschaft in der Absicht, den Nacherben zu benachteiligen, vermindert, so ist er dem Nacherben zum Schadensersatz verpflichtet.

A. Herausgabepflicht

 

Rz. 1

Der befreite Vorerbe muss an den Nacherben nur diejenigen Erbschaftsgegenstände herausgeben, die zum Zeitpunkt des Nacherbfalls bei ihm noch vorhanden sind, Abs. 1 S. 1. Wie aus der Verweisung auf § 2137 BGB und dort auf § 2136 BGB folgt, erfasst die Vorschrift alle Fälle, in denen der Vorerbe von sämtlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreit ist,[1] wobei es nicht darauf ankommt, ob die Befreiung sich aus der Ergänzungsregel des § 2137 BGB ergibt oder über die allg. Auslegungsregeln ermittelt wurde.[2] Die Herausgabepflicht bezieht sich auch auf Surrogate (§ 2111 BGB).[3] Soweit der Nacherbe die Herausgabe von Gegenständen beansprucht, die nicht von Anfang an zum Nachlass gehört haben, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für die während der Dauer der Vorerbschaft eingetretenen Surrogationsvorgänge; eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über den Erbschaftsanspruch (§§ 2018 ff. BGB) kommt insoweit nicht in Betracht.[4]

 

Rz. 2

Da auch der nicht befreite Vorerbe grundsätzlich nur das an den Nacherben herauszugeben hat, was bei ihm noch vorhanden ist, § 2130 Abs. 1 BGB, regelt Abs. 1 S. 1 seinem materiellen Gehalt nach die Enthebung des befreiten Vorerben von der Verpflichtung zum Schadens- oder Wertersatz für nicht mehr vorhandene Nachlassgegenstände.[5] Der befreite Vorerbe ist nicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 2130 BGB) verpflichtet.[6] Er schuldet daher, anders als der nicht befreite Vorerbe, weder Schadensersatz gem. § 2130 BGB für Gegenstände, die er infolge ordnungswidriger Verwaltung nicht mehr herausgeben kann, noch Wertersatz gem. § 2134 BGB.[7]

[1] Staudinger/Avenarius, § 2138 Rn 1 mit § 2137 Rn 1: Das Gesetz bezeichnet damit den vollständig befreiten Vorerben.
[2] Soergel/Harder/Wegmann, § 2138 Rn 1; MüKo/Grunsky, § 2138 Rn 1; Staudinger/Avenarius, § 2138 Rn 1.
[3] Vgl. nur Staudinger/Avenarius, § 2138 Rn 3.
[5] MüKo/Grunsky, § 2138 Rn 3.
[6] OLG Karlsruhe ZEV 1994, 45 m. Anm. Kummer, die Revision dagegen wurde nicht angenommen; MüKo/Grunsky, § 2138 Rn 3; a.A. noch RGZ 148, 385, 391; BGH LM Nr. 1 zu § 2136.
[7] Staudinger/Avenarius, § 2138 Rn 2; Soergel/Harder/Wegmann, § 2138 Rn 1; MüKo/Grunsky, § 2138 Rn 2.

B. Verwendungsersatz

 

Rz. 3

Für Verwendungen auf Gegenstände, die der Vorerbe infolge seiner beschränkten Herausgabepflicht nicht herauszugeben hat, kann er keinen Ersatz verlangen, Abs. 1 S. 2. Die Ansprüche aus §§ 21242126 BGB sind insoweit ausgeschlossen. Dieser Ausschluss, der die folgerichtige Kehrseite der Beschränkung des S. 1 darstellt, greift allerdings nicht, wenn die Gegenstände nicht "infolge" der Befreiung nicht herausgegeben werden können, sondern wegen vom Vorerben nicht zu vertretender Unmöglichkeit, die auch beim unbefreiten Vorerben zu einer Entlastung geführt hätte.[8] In diesem Fall bleibt es bei den allg. Regeln der §§ 21242126 BGB.

[8] RGRK/Johannsen, § 2138 Rn 4; Staudinger/Avenarius, § 2138 Rn 8; Soergel/Harder/Wegmann, § 2138 Rn 3; MüKo/Grunsky, § 2138 Rn 4.

C. Schadensersatz

 

Rz. 4

Nach Abs. 2 ist auch der befreite Vorerbe zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er (1) unentgeltlich verfügt oder (2) die Erbschaft in Benachteiligungsabsicht vermindert hat. Unentgeltliche Verfügungen (§ 2113 Abs. 2 BGB) sind auch dem befreiten Vorerben untersagt. Die Schadensersatzhaftung wegen unentgeltlicher Verfügung setzt Verschulden voraus, eine Benachteiligungsabsicht ist jedoch nicht erforderlich, wie sich bereits aus der Alternativformulierung des Gesetzes ergibt,[9] das diese Absicht lediglich zur Voraussetzung für die Haftung wegen Nachlassverminderung gem. Abs. 2 Alt. 2 erklärt. Eine Benachteiligungsabsicht ist nicht schon dann gegeben, wenn der Vorerbe eine Schädigung lediglich für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt;[10] vielmehr muss der Vorerbe den schädigenden Erfolg seines Handelns erkennen und diesen gerade herbeiführen wollen.[11] Die Höhe des Schadensersatzanspruchs bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der Vorerbe den Gegenstand hätte herausgeben müssen,[12] nicht nach dem Zeitpunkt der unentgeltlichen Verfügung bzw. der Verminderung der Erbschaft.[13]

 

Rz. 5

Der Schadensersatzanspruch entsteht erst im Zeitpunkt des Nacherbfalls. Zuvor kann der Nacherbe daher keine Leistungsklage erheben, wohl aber die Schadensersatzverpflichtung des Vorerben mittels Feststellungsklage klären lassen.[14] Die Schadensersatzverpflichtung besteht neben etwaigen Ansprüchen des Nacherben gegen den Dritterwerber eines Nachlassgegenstandes. In dem Umfang, in dem der Nacherbe Ansprüch...

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