Rz. 16

Soweit Gesellschaftsanteile zum Nachlass gehören, darf der Vorerbe grundsätzlich alle Mitgliedschaftsrechte ohne Mitwirkung des Nacherben ausüben.[72] Er hat jedoch dabei jeweils die Beschränkung des Abs. 2 zu beachten.[73] Dies bedeutet zunächst, dass der Vorerbe nicht freiwillig gegen ein objektiv nicht vollwertiges Entgelt aus der Gesellschaft ausscheiden darf; dabei können solche Abfindungen noch als entgeltlich angesehen werden, die wegen der Bewertungsschwierigkeiten nach Pauschalsätzen bemessen sind, sofern diese den Anteil des Ausscheidenden möglichst richtig erfassen sollen und hiermit nicht auch der Zweck verfolgt wird, im Interesse der Lebensfähigkeit des Unternehmens oder aus anderen Gründen die Abfindungsansprüche zu beschneiden.[74] Unwirksam ist z.B. die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils durch den nicht befreiten Vorerben gegen ein allein ihm zugutekommendes Leibrentenversprechen.[75] Die Rspr. wendet Abs. 2 aber auch auf die Mitwirkung des Vorerben an gesellschaftsvertraglichen Maßnahmen an, auch wenn Abs. 2 hier nicht ohne weiteres passt, da Gesellschaftsvertragsänderungen keine Austauschverträge sind und ihnen für gewöhnlich keine fassbare "Gegenleistung" gegenübersteht.[76] Der BGH grenzt das Kriterium der Unentgeltlichkeit in diesen Fällen negativ ab: Die Zustimmung des Gesellschafter-Vorerben zu einer Änderung des Gesellschaftsvertrages, die in seine Mitgliedschaftsrechte eingreift, ist i.d.R. keine unentgeltliche Verfügung, wenn die Vertragsänderung alle Gesellschafter gleichmäßig betrifft oder wenn der Vorerbe zwar einseitigen Änderungen zu Lasten seines Gesellschaftsanteils zustimmt, das aber eine Konzession dafür ist, dass die Mitgesellschafter zusätzliche Leistungen für die Erhaltung oder Stärkung des Gesellschaftsunternehmens erbringen.[77] Eine unentgeltliche Verfügung kann z.B. die Zustimmung des Gesellschafter-Vorerben zur Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels sein, soweit hierdurch bei Auflösung der Gesellschaft die Verteilung der stillen Reserven berührt wird.[78] Ebenso können aus Nachlassmitteln finanzierte Maßnahmen des befreiten Vorerben zur Sanierung einer GmbH, deren einziger Gesellschaftsanteil zum Nachlass gehört, als unentgeltlich anzusehen sein.[79]

[72] MüKo/Grunsky, § 2112 Rn 6.
[73] BGHZ 69, 47, 50 = NJW 1977, 1540.
[74] BGH NJW 1984, 362, 364; näher zur Abfindungsbemessung Michalski, DB 1987, Beil. 16, S. 1, 16.
[75] BGHZ 69, 47, 51 = NJW 1977, 1540.
[76] BGHZ 78, 177, 182 f. = NJW 1981, 115; Harder, DNotZ 1994, 822, 824, 842.
[77] BGHZ 78, 177 = NJW 1981, 115; krit. zur Rspr. des BGH Staudinger/Avenarius, § 2113 Rn 86.
[79] BGH NJW 1984, 366.

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