Rz. 19

Fraglich ist, was gilt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung einer Person den Pflichtteil zuwendet. Insoweit kann sowohl eine Erbeinsetzung, ein Geldvermächtnis in Höhe des Pflichtteilsanspruchs (Quotenvermächtnis) oder eine reine Beschränkung auf den gesetzlichen Pflichtteilsanspruch vorliegen.[34] Gem. § 2304 BGB ist die Zuwendung des Pflichtteils im Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen. Insoweit stellt diese Auslegungsregel eine Ausnahme bzw. eine negative Auslegungsregel[35] zu der des § 2087 Abs. 1 BGB dar, wonach eine quotale Einsetzung grundsätzlich als Erbeinsetzung anzusehen wäre. In der Abwicklung macht es einen großen Unterschied, ob der Bedache Miterbe oder aber lediglich Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigter ist. Als Miterbe hat er umfassende Mitbestimmungs- und Informationsrechte. Außerdem nimmt der als Miterbe Bedachte an Bestandsveränderungen wie Wertsteigerung und Wertverfall teil (anders der Pflichtteilsberechtigte; beim Vermächtnis Auslegungsfrage). Für die Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten und – nach der Erbrechtsreform zum 1.1.2010 – auch für die Ansprüche des Vermächtnisnehmers gilt eine dreijährige Verjährungsfrist (siehe Rdn 11). Steht fest, dass keine Erbeinsetzung vorliegt, stellt sich die Frage, ob dann ein Vermächtnis in Höhe des Pflichtteilsanspruchs oder aber eine reine Verweisung auf das gesetzliche Pflichtteilsrecht vorliegt (vgl. § 2304 Rdn 6).[36] Nachdem die 30-jährige Verjährungsfrist für das Vermächtnis als erbrechtlichen Anspruch gem. § 197 Nr. 2 BGB a.F. mit der Erbrechtsreform entfallen ist, hat die Unterscheidung insoweit an Bedeutung verloren. In der vorzitierten BGH-Entscheidung war die Frage aufgrund Nachlassspaltung (Immobilie in Florida) und einer danach zumindest fraglichen Mindestbeteiligung des nach deutschem Recht Pflichtteilsberechtigten von besonderer Bedeutung.[37]

 

Praxishinweis

In Zweifelsfällen ist frühzeitig über verjährungshemmende und verzugsbegründende Maßnahmen nachzudenken (siehe Rdn 12).

[34] Horn, in: Horn/Kroiß, Testamentsauslegung, § 9 Rn 51.
[35] BGH ZEV 2004, 374 = FamRZ 2004, 1562.
[36] Vgl. BGH ZEV 2004, 374 = FamRZ 2004, 1562; OLG Nürnberg FamRZ 2003, 1229; Staudinger/Herzog, § 2304 Rn 31; Horn, in: Burandt/Rojahn, § 2304 Rn 9 ff.
[37] Vgl. ergänzend das Berufungsurteil OLG Celle ZEV 2003, 509 m. Anm. Eichinger = FamRZ 2003, 1876 m. Anm. Dörner; dazu auch Süß, ZErb 2004, 155.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge