Rz. 10

Gem. Abs. 2 beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Um somit beurteilen zu können, ob und wann die Frist zu laufen beginnt, muss der Anfechtungsgrund feststehen.[8] Dieser muss also klargestellt werden.[9]

 

Rz. 11

Kenntnis erlangen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Anfechtungsberechtigte Kenntnis von allen das Anfechtungsrecht begründenden Tatsachen erlangt hat.[10] Der Anfechtungsberechtigte muss daher von folgenden Tatsachen Kenntnis haben:[11] dass der Erblasser ein Testament errichtet hat, dass der Erblasser bei der Testamentserrichtung von einem Irrtum oder von einer Drohung bestimmt worden ist, dass er durch die letztwillige Verfügung benachteiligt worden ist und dass der Erbfall eingetreten ist. Nach der Rspr. ist hierbei eine zuverlässige Kenntnis erforderlich, bloße Vermutungen oder die subjektive Überzeugung reichen nicht aus.[12] Der Anfechtungsberechtigte muss sichere objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen der vorstehenden Umstände haben. Verbleiben Zweifel, schließt dies die Kenntnis jedoch nicht aus.[13]

In den Fällen, in denen es um das Fehlschlagen von Erwartungen geht, muss bei dem zur Anfechtung Berechtigten die sichere Überzeugung vorliegen, dass die Erwartung nicht mehr eintritt.[14]

 

Rz. 12

Kenntnis vom Anfechtungsgrund liegt jedoch nicht erst dann vor, wenn der Anfechtungsberechtigte über genügend Beweismittel verfügt. Bei der Anfechtungserklärung ist noch kein Beweis zu führen.[15] Die Beweisbarkeit der erforderlichen Umstände ist daher für die Anfechtung von Verfügungen von Todes wegen nicht erforderlich, um von einer Kenntnis vom Anfechtungsgrund ausgehen zu können.

 

Rz. 13

Die Erbunwürdigkeit hingegen kann nur durch Erhebung einer Anfechtungsklage geltend gemacht werden. Für die Kenntnis des Anfechtungsgrundes ist es erforderlich, dass der Anfechtungsberechtigte über die erforderlichen Beweismittel verfügt. Der Fristbeginn ist hier vom Zeitpunkt der Beweisbarkeit abhängig.[16]

 

Rz. 14

Fahrlässige Unkenntnis, d.h. das bloße Kennenmüssen der Tatsachen, reicht für den Fristbeginn nicht aus.[17] Im Fall, dass der Anfechtungsberechtigte davon ausgeht, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Anfechtbarkeit wieder entfallen sind, weil sich die Vorstellungen geändert haben, kann dies dazu führen, dass die eingetretene Kenntnis nachträglich wieder entfällt. Dies bedeutet, dass der zunächst eingetretene Fristbeginn nachträglich seine Wirkung wieder verliert.[18] Das ist z.B. dann der Fall, wenn Anfechtungsgrund das Scheitern der Ehe ist, von dem der Anfechtungsberechtigte auch zunächst ausgegangen ist. Zu einem späteren Zeitpunkt geht er jedoch davon aus, dass ein Scheitern nicht vorliegt. Der Fristbeginn verliert nachträglich seine Wirkung. Die Anfechtungsfrist beginnt in dem Zeitpunkt neu zu laufen, in dem der Anfechtungsberechtigte erneut vom Scheitern der Ehe überzeugt ist.

 

Rz. 15

Ob auch Fehlvorstellungen in der rechtlichen Beurteilung den Beginn der Anfechtungsfrist hindern können oder ob nur eine fehlende Tatsachenkenntnis die Kenntnis des Anfechtungsgrundes auszuschließen vermag,[19] ist unklar. Ob und wie sich ein Tatsachen- und Rechtsirrtum auf die Kenntnis vom Anfechtungsgrund auswirkt, ist daher umstritten. Nach einer Ansicht im Schrifttum ist jeder Irrtum über die rechtliche Beurteilung unerheblich.[20] Die h.M. im Schrifttum[21] sowie die Rspr.[22] differenzieren zwischen einem Rechtsirrtum, der unbeachtlich ist, und einem Irrtum, der verhindert, dass bestimmte Tatsachen vom Anfechtungsberechtigten zur Kenntnis genommen werden.

Wenn der Irrtum die Unkenntnis einer die Anfechtung begründenden Tatsache zur Folge hat, handelt es sich um einen erheblichen Rechtsirrtum. Eine Anfechtung scheidet hingegen aus, wenn es sich lediglich um eine rechtsirrtümliche Beurteilung des Anfechtungstatbestands selbst handelt.[23]

 

Rz. 16

Unter einen unbeachtlichen Rechtsirrtum fallen bspw.: Der Anfechtungsberechtigte irrt über die Formerfordernisse einer Anfechtungserklärung;[24] dem Anfechtungsberechtigten ist nicht bekannt, dass er wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten anfechten kann, er weiß jedoch, dass der Übergangene Pflichtteilsberechtigter ist;[25] es wird irrtümlich davon ausgegangen, dass ein Ehegatte ein gemeinschaftliches Testament zu Lebzeiten des anderen Ehegatten vernichtet habe und dieses sei hierdurch wirksam widerrufen worden;[26] der Erblasser schätzt die Bindungswirkung eines Erbvertrages falsch ein.[27]

 

Rz. 17

Liegt ein Tatsachenirrtum vor, wird davon ausgegangen, dass ein solcher die Kenntnis vom Anfechtungsgrund ausschließt.[28] Tatsachen sind alle Umstände, aus denen das Vorliegen einer wirksamen letztwilligen Verfügung, der Inhalt der letztwilligen Verfügung und auch die Anfechtungsberechtigung hervorgehen.[29]

 

Rz. 18

Die Rspr. nimmt einen beachtlichen Tatsachenirrtum[30] an: wenn der Erblasser fehlerhaft meint, dass der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung seinem Ehega...

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