Rz. 17

Hat der Erblasser unbestimmte Formulierungen wie z.B. "Wer Streit anfängt" gewählt, ist es für den Bedachten schwer zu beurteilen, unter welchen Voraussetzungen er der Zuwendung verlustig geht. Letztlich entscheidet das richterliche Ermessen, wann die Strafklausel eingreift. Daher geht eine Ansicht davon aus, dass solche Klauseln unwirksam sind.[38] Die h.M. jedoch geht richtigerweise von der Wirksamkeit bzw. der hinreichenden Bestimmtheit solch vager Klauseln aus.[39] Dies wird damit begründet, dass nach erbrechtlichen Grundsätzen dem Willen des Erblassers so weit als möglich zum Erfolg verholfen werden soll. Der Wille des Erblassers soll stets im Vordergrund stehen. Wann die Voraussetzungen einer Verwirkungsklausel erfüllt sind, bestimmt die h.M. allein durch Auslegung.[40] Auch solche Klauseln, die auf ein bestimmtes Verhalten abzielen, d.h. spezielle Verwirkungsklauseln, bedürfen der Auslegung, da die Verhaltensanforderungen häufig nicht eindeutig sind.[41] Die Klausel "wer das Testament anficht" ist bspw. dahingehend zu verstehen, dass hiermit nicht nur die Anfechtung i.S.d. §§ 2078, 2079 BGB gemeint ist, sondern hierunter alle Handlungen fallen, die ihrer Art nach geeignet sind, die Verfügung ganz oder teilweise zu Fall zu bringen.[42] Wer seinen Pflichtteil geltend macht, greift nicht ohne Weiteres den Willen des Erblassers an. Hierin kann nicht grundsätzlich eine Anfechtung im Sinne einer Verwirkungsklausel gesehen werden.[43] Die Geltendmachung des Pflichtteils allein schließt nicht aus, auch die testamentarische Zuwendung zu beanspruchen. Soll dies der Fall sein, muss dies noch durch weitere Anhaltspunkte dem Testament entnommen werden können.

[38] BayObLGZ 1962, 48 = NJW 1962, 1060; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 1143: "Derjenige, der mit diesen Testamentsbestimmungen nicht einverstanden ist, erhält nur den Pflichtteil …".
[39] BayObLG NJW 1962, 1060; BayObLG FamRZ 2005, 65; OLG Stuttgart ZEV 1998, 229; OLG Karlsruhe ZEV 2005, 256; MüKo/Leipold, § 2074 Rn 30.
[40] MüKo/Leipold, § 2074 Rn 33; ausführlich zur Auslegung von Verwirkungsklauseln BGH ZEV 2009, 459 (Kroppenberg), wo es allerdings um eine konkrete Auflage (persönlich haftender Gesellschafter zu bleiben) ging, die der BGH unter Rückgriff auf allgemeine Erwägungen zu Verwirkungsklauseln einschränkend dahin auslegt, dass sie nicht bei einem Ausscheiden im Einvernehmen mit den Miterben gelten soll.
[41] BGH FamRZ 2009, 1486, 1488, 1489.
[43] OLG Braunschweig OLGZ 1977, 186; Lübbert, NJW 1988, 2706, 2713.

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