Rz. 5

Der Erblasser muss in seiner letztwilligen Verfügung eine Bezeichnung gewählt haben, die es ermöglicht, eine individualisierende Bestimmung vorzunehmen.[8] Des Weiteren müssen sämtliche vom Erblasser aufgeführten Kriterien auf mehrere Personen zutreffen. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn der Erblasser seiner Nichte Claudia etwas zuwendet, er aber drei Nichten dieses Namens hat und keine der bedachten Personen beweisen kann, dass sie gemeint ist.[9] Wurde der Tierschutzverein in C eingesetzt, existieren jedoch in C zwei Tierschutzvereine, wobei keiner dieser Vereine genau die Bezeichnung trägt, die der Erblasser in sein Testament aufgenommen hat, ist § 2073 BGB anwendbar.[10] Wählt der Erblasser dagegen eine Bezeichnung, die völlig ungenau ist und bei welcher sich eine bestimmte Person nicht ermitteln lässt, liegt eine unwirksame Verfügung vor. § 2073 BGB ist nicht anwendbar.[11] § 2073 BGB findet nur dann Anwendung, wenn die vom Erblasser gewählte Bezeichnung außer auf die bedachte Person noch auf andere Personen zutrifft. Dies bedeutet, dass die vom Erblasser aufgeführten Merkmale gleichzeitig auf mehrere bestimmbare Personen zutreffen und diese auch als Bedachte in Betracht kommen müssen.[12] Hierbei ist das Verhältnis zum Erblasser, die Fähigkeiten der bedachten Personen oder auch der zugewandte Gegenstand als Kriterium heranzuziehen.

 

Beispiel

Der Erblasser hat in seinem Testament verfügt, dass seine Nichte aus Dank sein Klavier erhalten soll. Eine Nichte hat sich nicht um den Erblasser gekümmert, eine Nichte hat sich zwar um den Erblasser gekümmert, spielt jedoch kein Klavier, die dritte Nichte hat sich um den Erblasser gekümmert und spielt Klavier.

 

Rz. 6

Im Wege der Auslegung kommt nur die dritte Nichte als bedachte Person in Frage. § 2073 BGB findet hier keine Anwendung. § 2073 BGB ist nur dann heranzuziehen, wenn im Wege der Auslegung einzelne Personen zwar ausgeschlossen werden können, jedoch immer noch mehrere Personen als Zuwendungsempfänger in Betracht kommen.[13]

 

Rz. 7

Hat der Erblasser eine Person benannt, die nicht existiert, lässt sich aber im Wege ergänzender Auslegung ein Kreis von Personen ermitteln, unter denen der Erblasser ausgewählt haben würde, ist § 2073 BGB dennoch nicht anwendbar, da die gewählte Bezeichnung nicht vom Erblasser stammt.[14] In diesem Fall ist die Zuwendung, sofern sie nicht im Wege ergänzender Auslegung konkretisiert werden kann, unwirksam, und zwar deshalb, weil der Bedachte nicht bestimmt werden kann.[15]

 

Rz. 8

Für den Fall, dass der Erblasser den Empfänger der Zuwendung im Singular bezeichnet hat, ist § 2073 BGB anwendbar. Gerade auch für diese Fälle existiert die Regelung des § 2073 BGB.[16] Nach Ansicht des KG ist dies jedoch nicht zutreffend.[17]

 

Rz. 9

Wenn der Erblasser zwei Personen oder Institutionen bedacht hat, es aber drei Personen oder Institutionen gibt, auf welche die Kriterien zutreffen, z.B. er die beiden Altersheime der Stadt bedacht hat, jedoch drei Altersheime existieren, ist davon auszugehen, dass alle drei Altersheime zu je ⅓ eingesetzt worden sind.[18]

 

Rz. 10

Nach einer Entscheidung des AG Leipzig aus dem Jahre 1995 findet § 2073 BGB auch dann Anwendung, wenn der Staat zum Erben eingesetzt worden ist. Die Erblasserin hatte als Einwohnerin der DDR im Jahre 1985 ein Testament errichtet und den Staat zum Erben eingesetzt. Im Jahre 1993 ist sie dann verstorben. Nach Ansicht des entscheidenden Gerichts ist § 2073 BGB auch für diesen Fall anwendbar. Der Freistaat Sachsen und die Bundesrepublik Deutschland erben jeweils zur Hälfte.[19] Dieser Entscheidung ist zuzustimmen. Zum einen wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass die DDR nicht mehr besteht. Zum anderen wollte die Erblasserin den Fiskus bedenken. Gem. den Regelungen des Grundgesetzes kommen sowohl Bund als auch Land als Funktionsnachfolger der DDR in Frage, so dass man unter Anwendung des § 2073 BGB zu Recht davon ausgegangen ist, dass sowohl das Bundesland Sachsen als auch die Bundesrepublik jeweils hälftig zum Zuge kommen. Diese Entscheidung kommt auch im Einigungsvertrag (Art. 22 Abs. 1 S. 3 EinigVtr) zum Ausdruck.

[8] BGH NJW 1965, 2201; BayObLGZ 1998, 160; BayObLGZ 1998, 167; BayObLG FamRZ 1991, 610 = BeckRS 1990, 30887924; BayObLG FamRZ 2002, 220; BayObLG ZEV 2005, 27; KG NJW-RR 1999, 157; OLG Köln NJW-RR 2015, 7; OLG Köln BeckRS 2016, 112474; Lange, Erbrecht, Rn 6.13; Spanke, NJW 2005, 2947; Horn/Kroiß, NJW 2013, 2978.
[9] MüKo/Leipold, § 2073 Rn 3.
[11] KG OLGE 40, 114, 116; LG Bonn Rpfleger 1989, 63.
[12] Soergel/Loritz, § 2073 Rn 3.
[13] BayObLG FamRZ 1990, 1275, 1278; Soergel/Loritz, § 2073 Rn 6.
[14] KG OLGZ 1968, 329; Soergel/Loritz, § 2073 Rn 4.
[15] MüKo/Leipold, § 2073 Rn 5.
[16] Staudinger/Otte, § 2073 Rn 1.
[17] KG OLGZ 1968, 329 ff.
[18] BayObLG FamRZ 1990, 1275.

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