Gesetzestext

 

(1)1Bis zur Teilung des Nachlasses kann jeder Miterbe die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten aus dem Vermögen, das er außer seinem Anteil an dem Nachlass hat, verweigern. 2Haftet er für eine Nachlassverbindlichkeit unbeschränkt, so steht ihm dieses Recht in Ansehung des seinem Erbteil entsprechenden Teils der Verbindlichkeit nicht zu.

(2)Das Recht der Nachlassgläubiger, die Befriedigung aus dem ungeteilten Nachlass von sämtlichen Miterben zu verlangen, bleibt unberührt.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Für Nachlassgläubiger liegt es schon im Hinblick auf § 2046 Abs. 1 BGB nahe, sich bis zur Teilung des Nachlasses im Wege der gemeinschaftlichen Inanspruchnahme sämtlicher Miterben an diesen zu halten. Dem trägt Abs. 2 Rechnung, der die Möglichkeit der Gesamthandsklage gegen die Erbengemeinschaft eröffnet. Entscheidet sich der Nachlassgläubiger hingegen für eine Inanspruchnahme des einzelnen Miterben nach § 2058 BGB, stellt sich die Problematik, dass dieser zur Haftungsbeschränkung durch Nachlassverwaltung (§§ 1975, 2062 BGB) auf die Mitwirkung der anderen Miterben angewiesen ist. Dies wird noch dadurch verschärft, dass der einzelne Miterbe zwar nach §§ 421, 2058 BGB für die volle Verbindlichkeit haftet, alleine aber nicht über die noch gesamthänderisch gebundenen Nachlassgegenstände (§ 2040 BGB) oder seinen Anteil an ihnen (§ 2033 Abs. 2 BGB) verfügen kann, um sich auf diese Weise die zur Befriedigung des Nachlassgläubigers erforderlichen finanziellen Mittel zu beschaffen. Zur Vermeidung von Härten und dem Grundanliegen folgend, den Erben vor einer Inanspruchnahme seines Eigenvermögens durch Nachlassgläubiger zu schützen, hat der Gesetzgeber daher hier das besondere Leistungsverweigerungsrecht nach Abs. 1 S. 1 geschaffen.[1] Die damit einhergehende Beschränkung der Nachlassgläubiger auf den Nachlass[2] und die Erbteile auch ohne amtliche Fremdverwaltung des Nachlasses wird als verantwortbar eingestuft, solange der Nachlass der gesamthänderischen Bindung (§§ 2032 Abs. 1, 2040 Abs. 1 BGB) unterliegt und vom Eigenvermögen des Miterben rechtlich getrennt ist.[3] In Konsequenz dessen ist nach der Teilung des Nachlasses kein besonderer Schutz der Miterben mehr erforderlich, da sie dann über die ihnen jeweils zugeteilten Nachlassgegenstände ohne Mitwirkung der übrigen Miterben verfügen können.

 

Rz. 2

Auch dem unbeschränkbar haftenden Miterben billigt der Gesetzgeber über Abs. 1 S. 2 noch eine gewisse Privilegierung bis zur Teilung des Nachlasses zu, um einen Ausgleich zwischen den nur noch reduziert schützenswerten Interessen dieses Miterben im Außenverhältnis und seinem hiervon weitgehend unberührten Innenverhältnis zu den übrigen Miterben zu schaffen.

 

Rz. 3

Für den Praktiker schwierig zu handhaben wird diese Materie dadurch, dass relativ wenig obergerichtliche Rspr. verfügbar ist und im Schrifttum eine deutliche Tendenz erkennbar ist, als unbillig empfundene Ergebnisse durch restriktive oder erweiternde Auslegung auf der tatbestandlichen Seite, teilweise aber auch erst durch Eingriffe auf der Rechtsfolgenseite einer Korrektur zu unterwerfen, was bei einer Vielzahl str. Fallkonstellationen eine unübersichtliche Rechtslage nach sich zieht.

[1] Prot. V., S. 871.
[2] Diese Beschränkung kann vor Nachlassteilung auch nicht im Wege der Aufrechnung mit einem persönlichen Anspruch eines einzelnen Miterben aufgebrochen werden, OLG Celle ErbR 2015, 629.
[3] Staudinger/Marotzke, § 2059 Rn 2.

B. Tatbestand

I. Teilung

1. Grundsätze

 

Rz. 4

Die Teilung des Nachlasses tritt mit Vollzug der Auseinandersetzung[4] ein (§ 2042 BGB) durch die dinglich wirkende Übertragung der Nachlassgegenstände auf die einzelnen Miterben.[5] Sie bewirkt die Aufhebung der gesamthänderischen Bindung des geerbten Vermögens und den Übergang der alleinigen Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände auf die einzelnen Miterben. Praktisch vollzieht sich die Verteilung der Nachlassgegenstände i.d.R. nicht auf einmal, sondern in mehreren Schritten. Dabei ist allg. anerkannt, dass die Erbengemeinschaft für die Annahme einer Teilung i.S.d. § 2059 BGB nicht hinsichtlich sämtlicher Nachlassgegenstände aufgehört haben muss zu existieren.[6] Ebenso bedeutet die Verteilung einiger, selbst wertvoller Nachlassgegenstände unter den Miterben nicht ohne Weiteres Teilung des Nachlasses.[7] Auch kann ein Miterbe, der einen Vorausvermächtnisanspruch hat, diesen schon vor Erbauseinandersetzung erfüllt verlangen.[8] Die Teilung ist demnach erst erfolgt, wenn ein so erheblicher Teil der Nachlassgegenstände aus der Gesamthand in das Eigenvermögen der einzelnen Miterben überführt worden ist, dass die Erbengemeinschaft in ihren wesentlichen Bestandteilen als Ganzes aufgelöst erscheint.[9] Nach a.A. soll eine Teilung bereits dann vorliegen, wenn keine für die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten ausreichend geeigneten Gegenstände mehr im Nachlassvermögen vorhanden sind. Den Nachlassgläubigern soll danach der Zugriff auf das Vermögen einzelner Miterben eröffnet werden, sobald der Nachlass keine ausreichende Haftungsgrundlage mehr bildet.[10...

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