Gesetzestext

 

1Gehört ein Anspruch zum Nachlass, so kann der Verpflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe nur die Leistung an alle Erben fordern. 2Jeder Miterbe kann verlangen, dass der Verpflichtete die zu leistende Sache für alle Erben hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

§ 2039 BGB entspricht im Wesentlichen der Regelung des § 432 Abs. 1 BGB. Da das Vermögen der Erbengemeinschaft gesamthänderisch gebunden ist, können Leistungen nur an die Erben gemeinschaftlich erfolgen. Ebenso könnten aufgrund der gesamthänderischen Bindung aber die Erben auch Forderungen des Nachlasses grundsätzlich nur gemeinschaftlich geltend machen. Selbst wenn es sich bei der Geltendmachung der Forderung um einen Fall der ordnungsgemäßen Verwaltung handeln würde (siehe § 2038 Rdn 14 ff), wären die Erben stets gezwungen, einen Mehrheitsbeschluss herbeizuführen. Widerspenstige oder passive Erben müssten dann ggf. im Klagewege zur Mitwirkung gezwungen werden[1] (siehe hierzu i.Ü. § 2038 Rdn 13). Um der Erbengemeinschaft hier den Handlungsspielraum zu erweitern, eröffnet § 2039 BGB jedem Erben das Recht, Forderungen für den Nachlass geltend zu machen. § 2039 BGB gilt ausschließlich für Forderungen, die für den Nachlass geltend gemacht werden; Forderungen gegen den Nachlass sind nach §§ 2058 ff. BGB zu beurteilen.

[1] Staudinger/Löhnig, § 2039 Rn 1.

B. Tatbestand

I.S.  1

1. Anspruch gehört zum Nachlass

 

Rz. 2

Ein Anspruch i.S.d. Legaldefinition des § 194 BGB gehört zum Nachlass, wenn es sich um Ansprüche der Erbengemeinschaft handelt, die nach dem Erbfall entstanden sind oder es sich um Ansprüche des Erblassers handelt, die mit dem Erbfall auf die Erbengemeinschaft übergegangen sind. Ansprüche des Erblassers können sowohl schuldrechtlicher, als auch dinglicher sowie öffentlich-rechtlicher Natur sein. Für eine Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO gegen die Zwangsvollstreckung in ein Nachlassgrundstück ist ein Miterbe ebenfalls gem. § 2039 BGB prozessführungsbefugt, wenn damit ein zum Nachlass gehörender Anspruch durchgesetzt werden soll.[2] Als eine Nachlassforderung i.S.v. § 2039 BGB sieht der BFH auch den Anspruch auf Erlass gem. § 227 Abs. 1 AO an.[3] Zu den Ansprüchen i.S.v. § 2039 BGB gehört auch der Rechnungslegungsanspruch gegen den Testamentsvollstrecker. Ein Miterbe kann diesen Anspruch allein geltend machen, muss allerdings Leistung an alle Miterben verlangen.[4] Die Ausübung von Gestaltungsrechten fällt nicht unter § 2039 BGB.[5] Für Gestaltungsrechte gilt stattdessen § 2038 BGB (siehe § 2038 Rdn 4 ff.), wenn eine Verfügungswirkung mit dem Gestaltungsrecht verbunden ist, gilt grundsätzlich § 2040 BGB (gemeinschaftliche Verfügung),[6] möglicherweise aber auch § 2038 BGB (mehrheitliche Verfügung, vgl. § 2038 Rdn 15 und 69). Der Anspruch aus § 2287 BGB gehört nicht zum Nachlass[7] (siehe Rdn 20).

[2] BGH, Urt. v. 5.4.2006 – IV ZR 139/05, LS u. Rn 12 ff., juris: Im entschiedenen Fall sollte anlässlich der Vollstreckung in ein Nachlassgrundstück ein Rückgewähr- oder Schadensersatzanspruch im Wege der Vollstreckungsgegenklage durchgesetzt werden.
[4] BGH NJW 1965, 396.
[5] BGH NJW 1989, 2694, 2696 m. Bezug auf MüKo/Dütz (1982), § 2039 Rn 9, jetzt auch MüKo/Gergen, § 2039 Rn 4 und 9; BFH ZEV 2007, 281, 282.
[6] MüKo/Gergen, § 2039 Rn 4.

2. An alle Erben gemeinschaftlich

 

Rz. 3

Ebenso wie in § 432 Abs. 1 S. 1 BGB leistet der Schuldner ("Verpflichtete") nur dann mit befreiender Wirkung, wenn er an alle Gläubiger ("Erben") leistet. Die Leistung nur an einen oder mehrere Erben führt nicht zum Erlöschen der Forderung der Erbengemeinschaft.[8] Das Angebot des Schuldners hat daher auch gegenüber allen Erben zu erfolgen. Etwas anderes gilt dann, wenn die übrigen Miterben vertreten werden und Leistung an den oder die Bevollmächtigten erfolgt. Da es sich beim Vermögen der Erbengemeinschaft um Sondervermögen der Miterben handelt (siehe § 2032 Rdn 4), kann der Schuldner der Forderung der Erbengemeinschaft keine Einwendungen und Einreden entgegenhalten, die aus einem Rechtsverhältnis mit einem einzelnen Miterben herrühren. Die Aufrechnung einer gegen einen einzelnen Miterben bestehenden Forderung ist gem. § 2040 Abs. 2 BGB ausgeschlossen (siehe § 2040 Rdn 4 f.). Konfusion tritt auch nicht zu einem Bruchteil ein (siehe § 2032 Rdn 3),[9] so dass auch der miterbende Nachlassschuldner nur durch Leistung an die Erbengemeinschaft mit befreiender Leistung leisten kann.

[8] BGH, Urt. v. 17.12.1964 – III ZR 79/63, Rn 48, juris.
[9] Staudinger/ Löhnig, § 2039 Rn 20.

3. Leistung durch Verpflichteten

 

Rz. 4

Der Leistungsort ändert sich durch den Erbfall nicht.[10] Gerät nur einer der Miterben in Annahmeverzug, § 293 BGB, führt dies zum Annahmeverzug sämtlicher Miterben.[11]

[10] Staudinger/Löhnig, § 2039 Rn 19.
[11] MüKo/Gergen, § 2039 Rn 12.

4. Leistung an alle Erben

 

Rz. 5

Der einzelne Miterbe (zum Begriff des Miterben siehe § 2033 Rdn 2) kann nur die Leistung des Schuldners an alle Erben fordern (actio pro socio). Er kann daher i...

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