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Es ist die "hohe Kunst der Testamentsgestaltung", die vielfältigen Problembereiche der Erbengemeinschaft durch weitblickende Regelungen nach Möglichkeit vollständig zu "neutralisieren". Hierfür muss der Anwalt sich zunächst ein genaues Bild über die familiären Beziehungen seines Mandanten machen. Dies bedeutet nicht lediglich die Feststellung der familienrechtlichen Beziehungen, sondern auch und gerade die Beziehungen der in Betracht kommenden Erben und Vermächtnisnehmer untereinander. Hiernach sind die Wünsche und Vorstellungen des Erblassers festzustellen und es ist dessen finanzielle Situation zu ermitteln.[78] Erst wenn all dies geschehen ist, kann mit der Planung einer auf den Einzelfall "maßgeschneiderten" Lösung begonnen werden. Jede schematische Lösung verbietet sich hier – wie auch sonst im Bereich des Erbrechts – völlig. Denn bereits geringste Abweichungen des "eigenen" Falles vom "Musterfall" führen häufig zu gänzlich anderen Notwendigkeiten in der Gestaltung. Die Gestaltung muss in vielen Fällen bereits mit Verträgen unter Lebenden beginnen (Umwandlung des Einzelunternehmens in GmbH & Co. KG u.Ä.). Hierbei sind jedoch nicht lediglich steuerliche Gesichtspunkte in Betracht zu ziehen, sondern es ist auch auf das Versorgungs- und Sicherheitsinteresse des Mandanten im Alter zu achten. Dem "unbedingten" Wunsch des Mandanten zu folgen, große Teile seines Vermögens auf die nachfolgende Generation ohne jegliche "Sicherungsrechte" (Rückforderungsrecht, Nießbrauch u.Ä.) zu übertragen, ohne auf die erheblichen Bedenken und Folgen ausdrücklich und mehrfach hinzuweisen, wird ein Beratungsverschulden des Rechtsanwalts darstellen. Das "Mittel der Wahl" bei jeder erbrechtlichen Gestaltung von Todes wegen, die eine Aufteilung des Nachlasses unter mehreren Erben und/oder Vermächtnisnehmern vorsieht, ist die Einsetzung eines fachkundigen und unabhängigen Testamentsvollstreckers.[79] Ob der gestaltende Anwalt sich selbst bereit erklärt, dieses verantwortungsvolle Amt für seinen Mandanten zu übernehmen, sollte in der Beratung angesprochen werden. Jeder Anwalt muss sich hier den erheblichen Zeitaufwand und die Haftungsgefahren vor Augen führen, die aus einer Testamentsvollstreckung folgen. Gerade benachteiligte Erben werden regelmäßig versuchen, gegen den Testamentsvollstrecker vorzugehen. Hier liegt aber auch – neben vielen anderen Vorzügen – die Chance der Testamentsvollstreckung: Streit der Erben untereinander kann so häufig vermieden werden. Aus diesem Grunde ist auch meist davon abzuraten, einen Miterben als Testamentsvollstrecker zu bestimmen. Eine gewünschte Bevorzugung eines Erben kann auch bspw. durch Vorausvermächtnisse erreicht werden. Die notwendige Variabilität lässt sich durch eine Anordnung nach § 2048 S. 2 BGB erreichen (Einzelheiten siehe § 2048 Rdn 12 ff. und 23 ff.).

[78] Eingehend Rißmann/Kurze, Die Erbengemeinschaft, § 10 Rn 1 ff.
[79] Ausführlich hierzu Rißmann/Kurze, Die Erbengemeinschaft, § 10 Rn 102 ff.

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