Rz. 10

Wer sich kein Erbrecht anmaßt (d.h. wer für sich kein Erbrecht in Anspruch nimmt), ist nicht Erbschaftsbesitzer, auch wenn er Erbschaftsgegenstände besitzt. Der Erbschaftsanspruch besteht somit nicht gegenüber demjenigen, der etwas aus der Erbschaft erlangt hat, ohne sich auf irgendein Recht oder einen Titel zu berufen, wie z.B. der Dieb. Er besteht auch nicht gegenüber demjenigen, der als vermeintlicher Vermächtnisnehmer durch den Scheinerben den "vermachten" Gegenstand ausgehändigt bekommen hat.[30] Behauptet der Besitzer Übereignungen zu Lebzeiten des Erblassers oder Schenkungen von Todes wegen, so greift § 2018 BGB ebenfalls nicht ein.[31] Erbschaftsbesitzer ist auch nicht, wer die Nachlassgegenstände wegen der ihm gegen den Verstorbenen bzw. gegen den Nachlass zustehenden Forderungen zurückbehält;[32] er ist Erbschaftsbesitzer, wenn er behauptet, selbst Erbe zu sein.[33] In diesem Fall stehen dem Erben die Ansprüche aus §§ 857, 1007 BGB u. § 2027 Abs. 2 BGB bei der Durchsetzung seiner Ansprüche zu. Für den Herausgabeanspruch des Nacherben gegen den Vorerben können nicht die Regeln über den Erbschaftsanspruch angewandt werden. Der (befreite) Vorerbe maßt sich nämlich kein Erbrecht an, sondern ist während der Dauer der Vorerbschaft Eigentümer des Nachlasses.[34] Deshalb trägt der Nacherbe die Beweislast für die während der Dauer der Vorerbschaft eingetretenen Surrogationsvorgänge und die Vorschriften über den Erbschaftsanspruch finden keine Anwendung. Selbst wenn der Vorerbe den Eintritt der Nacherbfolge zu Unrecht bestreitet, kommt die Geltendmachung des Erbschaftsanspruchs nicht in Betracht, denn die schärfere Haftungsregelung des § 2130 BGB verdrängt als lex specialis die §§ 2018 ff. BGB.[35] Ebenso wenig Erbschaftsbesitzer ist der vorläufige Erbe, der später die Erbschaft ausgeschlagen hat. Er haftet für den Zeitraum bis zur Ausschlagung nach § 1959 BGB als Geschäftsführer ohne Auftrag. Behält der Vorerbe allerdings nach der Ausschlagung Gegenstände ein, weil er nunmehr die Wirksamkeit der Ausschlagung bestreitet, dann maßt er sich ein Erbrecht an und wird somit zum Erbschaftsbesitzer.[36] Gegen den Nachlass- und Insolvenzverwalter sowie den Testamentsvollstrecker und Nachlasspfleger ist der Erbschaftsanspruch nicht begründet, da sie sich kein Erbrecht anmaßen, sondern kraft ihres Amtes besitzen.[37] Der berechtigte Erbe hat gegen diese Personengruppe nur die Möglichkeit, die ihm zustehenden Einzelansprüche geltend zu machen. Zu denken ist an den dinglichen Herausgabeanspruch des § 985 BGB sowie die Ansprüche aus §§ 861, 1007 BGB. Auch Schadensersatzansprüche bei rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffen durch den Testamentsvollstrecker in das Eigentum oder den Besitz des Erben gem. § 823 BGB sind denkbar, sowie Ansprüche auf Rückgewähr des ohne Rechtsgrund erlangten Besitzes, § 812 BGB. Bestreiten Testamentsvollstrecker oder Nachlasspfleger die Erbenstellung des berechtigten Erben, besteht für ihn die Möglichkeit, über eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO seine Erbenstellung feststellen zu lassen.[38]

[30] Staudinger/Gursky, § 2018 Rn 7.
[31] Soergel/Dieckmann, § 2018 Rn 4.
[32] Staudinger/Gursky, § 2018 Rn 21.
[33] Staudinger/Gursky, § 2018 Rn 21.
[35] BGH NJW 1983, 2874, 2875; a.A. RGRK/Kregel, § 2018 Rn 6.
[36] MüKo/Helms, § 2018 Rn 21.
[37] Staudinger/Gursky, § 2018 Rn 18.
[38] Staudinger/Gursky, § 2018 Rn 18.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge