Gesetzestext

 

1Beruht die Überschuldung des Nachlasses auf Vermächtnissen und Auflagen, so ist der Erbe, auch wenn die Voraussetzungen des § 1990 nicht vorliegen, berechtigt, die Berichtigung dieser Verbindlichkeiten nach den Vorschriften der §§ 1990, 1991 zu bewirken. 2Er kann die Herausgabe der noch vorhandenen Nachlassgegenstände durch Zahlung des Wertes abwenden.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Für die Fälle, dass die Überschuldung des Nachlasses auf Vermächtnissen und Auflagen beruht (sog. Überschwerung, auch Überbeschwerung genannt), trifft § 1992 BGB eine Sonderregelung. Es wird dem Erben die Möglichkeit eröffnet, in diesen Fällen auch ohne Trennung des Nachlasses vom Eigenvermögen (Separation) seine Haftung nach Maßgabe der §§ 1990, 1991 BGB zu beschränken und zwar auch dann, wenn eine die Kosten des Insolvenzverfahrens deckende Masse vorhanden ist. Zum einen berücksichtigt diese Regelung den mutmaßlichen Willen des Erblassers, der – als er die Vermächtnisse und Auflagen verfügte – davon ausgegangen ist, dass der Nachlass auch zur Befriedigung derselben ausreichen werde und es nicht notwendig würde, ein Nachlassinsolvenzverfahren zu eröffnen.[1] Weiter wird die auch in anderen Bestimmungen zum Ausdruck kommende schwächere Stellung gerade der Vermächtnisnehmer und Auflageberechtigten berücksichtigt. Diese drückt sich darin aus, dass Vermächtnisse und Auflagen gegenüber anderen Nachlassverbindlichkeiten rangmäßig zurückgesetzt (§ 327 InsO; § 1973 BGB) werden, dass eine Leistung an einen Vermächtnisnehmer oder Auflageberechtigten vor Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens in gleicher Weise anfechtbar ist wie eine unentgeltliche Verfügung des Erben (§ 322 InsO), dass ihnen – außerhalb des Nachlassinsolvenzverfahrens – selbst im Aufgebotsverfahren ausgeschlossene und diesen gleichstehende Nachlassgläubiger vorgehen (§§ 1973 Abs. 1 S. 2, 1974 BGB), dass der Erbe nicht verpflichtet ist, die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen, wenn die Überschuldung nur auf Vermächtnissen und Auflagen beruht (§ 1980 Abs. 1 S. 3 BGB) und dass – außerhalb des Insolvenzverfahrens – die Erfüllung nach § 5 AnfG anfechtbar ist wie eine unentgeltliche Verfügung.

 

Rz. 2

Insgesamt gesehen ist die sog. Überschwerungseinrede des § 1992 BGB in der Hand des Erben ein besonderes Mittel – ohne die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragen und ein solches durchführen zu müssen –, den Nachlass unter "bestmöglicher" Schonung des Andenkens des Erblassers liquidieren zu können.[2] Die Einrede des § 1992 BGB kann nicht nur der Erbe, sondern auch der Nachlassverwalter, der Testamentsvollstrecker und der Nachlasspfleger geltend machen.[3] Sind die Voraussetzungen des § 1992 BGB erfüllt, ist der Erbe nicht gezwungen, nach dieser Vorschrift vorzugehen. Ihm steht es frei, stattdessen die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen.[4]

[1] Staudinger/Dobler, § 1992 Rn 1; MüKo/Küpper, § 1992 Rn 1.
[2] BGHZ 85, 274 = NJW 1983, 1485 = FamRZ 1983, 367.
[3] MüKo/Küpper, § 1992 Rn 3.
[4] BeckOK BGB/Lohmann, § 1992 Rn 2.

B. Tatbestand

I. Keine unbeschränkte Haftung allen Nachlassgläubigern gegenüber

 

Rz. 3

Der Erbe kann sich nur auf § 1992 BGB berufen, wenn er das Recht zur Haftungsbeschränkung allen Nachlassgläubigern gegenüber nicht verloren hat (§ 2013 BGB). Es schadet allerdings nicht, wenn er nur einzelnen Nachlassgläubigern gegenüber unbeschränkbar haftet. Im Hinblick auf die übrigen Nachlassgläubiger kann er sich auch dann auf § 1992 BGB berufen.[5]

[5] MüKo/Küpper, § 1992 Rn 2; Palandt/Weidlich, § 1992 Rn 1.

II. Gegner der Überschwerungseinrede

 

Rz. 4

Die Einrede kann nur gegenüber Vermächtnisnehmern und Auflageberechtigten geltend gemacht werden.[6] Auf Pflichtteilsansprüche und Erbersatzansprüchen (Übergangsrecht, Art. 227 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) ist die Bestimmung nicht entsprechend anwendbar. Das folgt daraus, dass die Entstehung von Pflichtteils- und Erbersatzansprüchen nicht vom Willen des Erblassers abhängt, sondern die Folge einer gesetzlichen Anordnung ist.[7]

[6] MüKo/Küpper, § 1992 Rn 4; BeckOK BGB/Lohmann, § 1992 Rn 2.
[7] Staudinger/Dobler, § 1992 Rn 6.

III. Überschuldung des Nachlasses

 

Rz. 5

Bei der Überschuldung ist zweierlei zu beachten und auch str.; zum einen, ob die Überschuldung des Nachlasses Voraussetzung der Anwendung des § 1992 BGB ist und zum anderen, ob die Überschuldung (ausschließlich) auf Vermächtnissen und Auflagen beruhen muss. Nach wohl h.M. gilt für Ersteres, dass die Überschuldung vorliegen muss.[8] Dem ist zu folgen, denn dafür spricht schon der eindeutige Wortlaut des Gesetzes.

 

Rz. 6

Im zweiten Fall ist es h.M., dass die Überschuldung nur auf Vermächtnissen und Auflagen beruht.[9] Auch für diese Auffassung spricht zunächst schon allein der klare Wortlaut des Gesetzes. Der Erbe kann sich nach § 1992 BGB gegenüber Vermächtnissen und Auflagen auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 1990 BGB nicht vorliegen, auf die §§ 1990, 1991 BGB berufen, wenn die Überschuldung auf diesen letztwilligen Verbindlichkeiten "beruht". Ist dies nicht der Fall, wäre also der Nachlass auch ohne die Vermächtnisse und Auflagen überschuldet, ist der Erbe verpflichtet, unverzüglich die Eröffnung des Nach...

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