Gesetzestext

 

(1)Macht der Erbe von dem ihm nach § 1990 zustehenden Recht Gebrauch, so finden auf seine Verantwortlichkeit und den Ersatz seiner Aufwendungen die Vorschriften der §§ 1978, 1979 Anwendung.

(2)Die infolge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse gelten im Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Erben als nicht erloschen.

(3)Die rechtskräftige Verurteilung des Erben zur Befriedigung eines Gläubigers wirkt einem anderen Gläubiger gegenüber wie die Befriedigung.

(4)Die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen hat der Erbe so zu berichtigen, wie sie im Falle des Insolvenzverfahrens zur Berichtigung kommen würden.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift bestimmt im Einzelnen, was zu gelten hat, wenn der Erbe die Einrede des § 1990 BGB geltend macht. Dabei bestimmen die Abs. 1 und 2 die Berechnung des Nachlassbestands. Anders als in § 1973 BGB wird hier nicht von einer Bereicherungshaftung sondern der sog. "Verwalterhaftung" des Erben ausgegangen. Das ist deshalb so, weil in den Fällen des § 1973 BGB (nach Aufgebotsverfahren) der Erbe nach der Befriedigung der Nachlassgläubiger von einem Nachlassrest ausgehen kann, während in den Fällen des § 1990 BGB stets von einem "dürftigen" Nachlass auszugehen ist, dessen Gläubiger noch nicht befriedigt sind und die auch im Regelfall nicht vollständig befriedigt werden können. Wie zu verfahren ist, wenn bestimmte Nachlassgläubiger (sog. Titelgläubiger und am Nachlass beteiligte Personen) vorhanden sind, regeln im Einzelnen die Abs. 3 und 4.

B. Tatbestand

I. Verantwortlichkeit des Erben (sog. Verwalterhaftung) und Aufwendungsersatz (Abs. 1)

1. Verwalterhaftung

 

Rz. 2

Die Bestimmung stellt zunächst klar, dass der Erbe denjenigen Nachlassgläubigern gegenüber, denen er die haftungsbeschränkenden Einreden des § 1990 BGB entgegenhält, der verschuldensunabhängigen Verwalterhaftung[1] ausgesetzt ist (§ 1978 BGB). Sie verweist insoweit auf zwei Bestimmungen, die ansonsten lediglich im Falle der Anordnung der Nachlassverwaltung und im eröffneten Nachlassinsolvenzverfahren gelten würden, die Vorschriften der §§ 1978, 1979 BGB. Der Erbe haftet demnach, wie wenn er seit Annahme der Erbschaft die Verwaltung als Beauftragter der Nachlassgläubiger zu führen gehabt hätte (§§ 662 ff., 1978 Abs. 1 S. 1 BGB); für die Zeit bis zur Annahme der Erbschaft haftet er wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag (§ 1978 Abs. 1 S. 2 BGB). Die derart festgelegte Verantwortung der Erben gegenüber den Nachlassgläubigern dauert bis zur vollständigen Herausgabe des Nachlasses (§ 1990 Abs. 1 S. 2 BGB) an.[2] § 1980 BGB gilt ebenfalls entsprechend. Dass diese Vorschrift in Abs. 1 nicht erwähnt wird, beruht auf einem Redaktionsversehen.[3]

 

Rz. 3

Die Nachlassgläubiger können ihre Ansprüche aus Verwalterhaftung (§§ 1991 Abs. 1, 1978 Abs. 1, 1980 Abs. 1 S. 2 BGB) gegen den Erben in unterschiedlicher Weise geltend machen:

Sie können gegenüber der im Erkenntnisverfahren oder im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage seitens des Erben erhobenen Einrede aus § 1990 BGB darlegen, dass der Nachlass wegen dieser Ansprüche weder dürftig noch überschuldet sein kann. Trifft dies zu, ist dem Erben die Möglichkeit der Beschränkung nach § 1990 BGB verwehrt.[4]
Sie können gegenüber der Vollstreckungsabwehrklage des Erben (§§ 780, 781, 785 ZPO) einwenden, dass die mit ihr begehrte Beschränkung der Vollstreckbarkeit des Titels auf den Nachlass mit Rücksicht auf das Bestehen des Anspruchs aus der Verwalterhaftung treuwidrig (§ 242 BGB "dolo facit-Einrede) ist und deshalb nicht in Betracht kommt;[5] das führt im Erfolgsfall zu einer Abweisung der Vollstreckungsabwehrklage als unbegründet, weil dem Nachlassgläubiger gegen den Erben – und zwar dessen Eigenvermögen – der Anspruch zusteht. Die Nachlassgläubiger müssen Ansprüche des Nachlasses gegen den Erben zu diesem Zweck nicht pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, sondern als eigenes Recht einklagen.[6]"
Sie können den Erben auch in einem eigenen Prozess auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, was wegen der aufgezeigten Möglichkeiten meist nicht notwendig sein wird.
[1] BGH ZEV 2008, 237; FamRZ 1992, 1409 = NJW 1992, 2694.
[2] Staudinger/Dobler, § 1991 Rn 3; BeckOK BGB/Lohmann, § 1991 Rn 1.
[3] BGH FamRZ 1992, 1409 = NJW 1992, 2694.
[4] Staudinger/Dobler, § 1991 Rn 10.
[5] BGH NJW-RR 1989, 1226 = FamRZ 1989, 1070; BGH FamRZ 1992, 1409 = NJW 1992, 2694.
[6] BGH FamRZ 1992, 1409 = NJW 1992, 2694; BeckOK BGB/Lohmann, § 1991 Rn 1; Staudinger/Dobler, § 1991 Rn 10.

2. Anspruch des Erben auf Aufwendungsersatz

 

Rz. 4

Der Erbe kann nach Abs. 1 nach Maßgabe der §§ 1978 Abs. 3, 1979 BGB Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Er kann (deshalb) nicht – anders als im Fall des § 1973 BGB – alles in Anrechnung bringen, was er aus eigenen Mitteln zur Befriedigung aufgewandt hat.[7] Voraussetzung ist, dass der Erbe den Umständen nach annehmen durfte, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreiche (§ 1979 BGB). Auch die sonstigen Aufwendungen des Erben sind nach Auftrags- bzw. Geschäftsführungsrecht zu ersetzen. Für die Zeit ab Annahme der Erbscha...

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