Rz. 1

Die Regelung des § 1961 BGB steht in einem engen Zusammenhang mit der Bestimmung des § 1958 BGB. Danach kann ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, vor der Annahme der Erbschaft nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden. Eine Klage des Nachlassgläubigers gegen den Erben vor dem Zeitpunkt der Erbschaftsannahme wäre deshalb mangels passiver Prozessführungsbefugnis als unzulässig abzuweisen.[1] Im Hinblick darauf gibt § 1961 BGB dem Nachlassgläubiger die Möglichkeit, unter den hier genannten Voraussetzungen die Bestellung eines Nachlasspflegers zu beantragen (sog. Forderungspflegschaft),[2] für den nach § 1960 Abs. 3 BGB die Beschränkung des § 1958 BGB nicht gilt. Damit kann der Nachlassgläubiger seine gegen den Nachlass gerichteten Ansprüche bereits vor der Erbschaftsannahme durch Klage gegen den Nachlasspfleger als Vertreter des endgültigen Erben verfolgen. § 1961 BGB soll mithin den Nachlassgläubigern die Rechtsverfolgung erleichtern.[3] Dasselbe gilt, wie aus dem Verweis des § 1961 BGB auf die Fälle des § 1960 Abs. 1 BGB deutlich wird, wenn der Erbe unbekannt und der Nachlassgläubiger aus diesem Grund nicht in der Lage ist, die Person des Erben und damit den Klagegegner zu bestimmen.

 

Rz. 2

§ 1961 BGB eröffnet die Möglichkeit der gerichtlichen Verfolgung von gegen den Nachlass gerichteten Ansprüchen vor dem Zeitpunkt der Erbschaftsannahme auch in den Fällen, in denen die gerichtliche Geltendmachung bereits gegenüber dem Erblasser erfolgt war. Gem. § 239 Abs. 1 ZPO wird im Falle des Todes einer Partei das Verfahren grundsätzlich bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger unterbrochen, der Erbe ist allerdings nach § 239 Abs. 5 ZPO vor der Annahme der Erbschaft zur Fortsetzung des Rechtsstreits nicht verpflichtet. Hier hilft die Regelung des § 243 ZPO; danach ist bei der Unterbrechung des Verfahrens durch den Tod einer Partei für den Fall der Bestellung eines Nachlasspflegers die Vorschrift des § 241 ZPO anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass das unterbrochene Verfahren (auch) durch Anzeige des Gegners an den Nachlasspfleger aufgenommen werden kann (§§ 243, 241 Abs. 1 ZPO).[4]

 

Rz. 3

Über den Zweck der Ermöglichung einer frühzeitigen Rechtsverfolgung durch den Nachlassgläubiger hinaus hat die nach § 1961 BGB entstandene Nachlasspflegschaft die Fürsorge des Nachlasses zum Inhalt[5] und dient insoweit auch dem Interesse des Erben. Ihrem Wesen nach unterscheidet sich die Nachlasspflegschaft aufgrund von § 1961 BGB damit nicht von der nach § 1960 BGB (vgl. hierzu § 1960 Rdn 31 f., 35).

[1] MüKo/Leipold, § 1961 Rn 1.
[2] Siehe Schulz, NLPrax 2019, 1 ff. Alternative Bezeichnungen: Klag- oder Klagepflegschaft, vgl. Firsching/Graf, Nachlassrecht, § 41 Rn 52, oder Prozesspflegschaft, vgl. Schulz/Hamberger, Handbuch Nachlasspflegschaft, § 1 Rn 21.
[3] KG Berlin NJW 1971, 565.
[4] Siehe hierzu näher Zöller/Greger, § 243 Rn 3.
[5] MüKo/Leipold, § 1961 Rn 2 m.w.N.

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