Rz. 3

Bei der konkludenten Annahme muss nach allg. Auslegungsgrundsätzen und unter Zugrundelegung eines verobjektivierten Empfängerhorizontes auf das Vorliegen eines Annahmewillens bei dem Erben geschlossen werden können.[3] Der vorläufige Erbe nimmt die Erbschaft an, wenn sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er endgültig Erbe ist und bleiben will ("pro herede gestio"). Dagegen können bloße Fürsorgehandlungen, die in der Schwebezeit geboten sind, nicht als Annahmeerklärung aufgefasst werden.[4] Im Einzelfall kann hier eine Einordnung schwierig sein. Die folgende Tabelle fasst die in der Lit.[5] und Rspr.[6] dargestellten Standardsituationen zusammen, wobei in der Praxis aber stets die Umstände des Einzelfalls entscheidend sein sollen:[7] Bei Zweifeln am Erklärungsgehalt wird eine Annahmeerklärung regelmäßig zu verneinen sein.[8]

 
Konkludente Annahmeerklärung: Ja Nein
Abgabe von Verkaufsangebot für Nachlassgrundstück[9] x  
Anbieten eines Nachlassgrundstücks über einen Makler[10] x  
Angemessene Fürsorgemaßnahmen (§ 1959 BGB) für den Nachlass (z.B. Kontensperrung, Antrag auf Testamentseröffnung oder -vollstreckung, Geltendmachung von Leistung aus Versicherungsverträgen des Erblassers)   x
Ansichbringen oder Verheimlichen von Nachlassgegenständen (anders § 571 Abs. 2 schweizerisches ZGB mit Straffunktion)   x
Antrag auf Erbscheinserteilung x  
Antrag auf Erlass eines Gläubigeraufgebots (str.) x  
Antrag auf Grundbuchberichtigung x  
Antrag auf Nachlassinsolvenz x  
Antrag auf Nachlassverwaltung   x
Aufnahme (aktiv/passiv) eines Prozesses des Erblassers (§ 239 ZPO) (str., anders wohl, wenn der vorläufige Erbe bloß als Prozessstandschafter des Erben Leistung an diesen verlangt) x  
Begleichung der Beerdigungskosten   x
Erhebung der Erbschaftsklage (Erbauseinandersetzung) x  
Erhebung einer Auskunftsklage   x
Erklärung eines (unwirksamen) Erbverzichts für einen Miterben x  
Erklärung eines Erben: Ich bin gesetzlicher Erbe und verzichte auf Herausgabe des Nachlasses und bin wegen aller Erbansprüche befriedigt[11] x  
Erklärungen über den Nachlass beim Nachlassgericht Antrag auf Nachlassinsolvenz x x
Erlass von Nachlassschulden x  
Für Dritte erkennbare Einmischung in Erbschaftsangelegenheiten (arg. ex. § 571 Abs. 2 schweizerisches ZGB), z.B. Geltendmachung des Erbschaftsanspruchs (§ 2018 BGB) x  
Rechtsgeschäftliche Erklärung des vorläufigen Erben als Versicherungsnehmer gegenüber Lebensversicherung unter Hinweis auf Testament x  
Verfolgen abhanden gekommener Nachlassgegenstände   x
Verkauf/Übertragung des eigenen Erbteils oder der ganzen Erbschaft x  
Verkauf/Übertragung/Verwenden von Nachlassgegenständen, es sei denn, es sind angemessene Fürsorgemaßnahmen (str.) x  
Verschenken verderblicher oder sperriger Nachlassgegenstände   x
Vorläufige Fortführung eines Handelsgeschäftes des Erblassers (str., z.T. wird bzgl. Arbeits- und Dienstverträgen mit dem Schutz des Arbeitnehmers argumentiert und eine Annahmeerklärung angenommen)   x
Abschluss eines Aufteilungsvertrages mit Miterben x  
 

Rz. 4

Für die konkludente Annahme ist es unerheblich, ob ein Annahmewille vorliegt. Ist somit nach den dargestellten Grundsätzen eine Erklärung oder sonstige Willensbetätigung des Erben als Annahmeerklärung auszulegen und hätte dies der Erbe erkennen können (Erklärungsfahrlässigkeit), so bleibt dem endgültigen Erben die Anfechtung seiner Erklärung nach §§ 119 ff., 1954 BGB. Bei Annahme gegenüber Abwesenden kommt schließlich auch der Widerruf nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht.[12]

 

Rz. 5

Neben der Anfechtung (§§ 119 ff., 1954 BGB) kommen grundsätzlich auch die allg. Regeln für die Nichtigkeit einer Willenserklärung nach §§ 116118, 134 BGB zur Anwendung. Deren Voraussetzungen werden jedoch in der Praxis kaum erfüllt sein. Da die Annahmeerklärung nicht empfangsbedürftig ist, scheiden die Fälle des § 116 S. 2 und § 117 Abs. 2 BGB von vornherein aus. Auch Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB sind kaum ersichtlich.[13] § 138 BGB ist auf die Annahme ebenfalls nicht anwendbar, zum einen kann die Annahme als solche in Ausübung des Erbrechts kaum sittenwidrig sein, zum anderen wird die Anwendbarkeit von § 138 BGB durch die speziellen Regeln der §§ 2078 ff. BGB zur Erbunwürdigkeit verdrängt.[14]

[3] Soergel/Stein, § 1943 Rn 4; Lange/Kuchinke, § 8 II 3.
[4] Palandt/Weidlich, § 1943 Rn 2 m.w.N. zur Rspr.; Walter, ZEV 2008, 319.
[5] Z.B. Erman/J. Schmidt, § 1943 Rn 3 ff.; Lange/Kuchinke, § 8 II 3; Soergel/Stein, § 1943 Rn 5 ff.; Zöller/Greger, § 239 ZPO Rn 17.
[6] BayObLG MittBayNot 2005, 237; OLG Celle OLGZ 1965, 30; BayObLG FamRZ 1988, 213; OLG Oldenburg NJW-RR 1995, 141; OLG Köln OLGZ 1980, 235 = MDR 1980, 493; OLG Köln NJW-RR 2015, 73; OLG Hamm BeckRS 2015, 17604.
[7] BayObLG FamRZ 1988, 213, 214.
[8] OLG Köln MDR 1980, 493; MüKo/Leipold, § 1943 Rn 5.
[11] KG OLGE 30, 167, 168 für einen Verzicht auf angenommenes Erbe.
[12] MüKo/Leipold, § 1943 Rn 10.
[13] Vgl. zu § 14 HeimG, § 70 B...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge