Rz. 3

Nur dann, wenn weder ein Verwandter noch ein Lebenspartner oder Ehegatte vorhanden ist, ist der Staat zum gesetzlichen Erben berufen. D.h., dass selbst das Erbrecht der entferntesten Verwandten dem Erbrecht des Staates vorgeht. Es handelt sich lediglich um ein Noterbrecht. "Vorhanden sein" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Erbfähigkeit und Erbberechtigung vorliegen. Daraus folgt, dass ein Vorhandensein zu verneinen ist, wenn die Verwandten und der Ehegatte bzw. Lebenspartner einen Erbverzicht erklärt haben, enterbt sind, ein vorzeitiger Erbausgleich erfolgt ist (ein derartiger vorzeitiger Erbausgleich muss vor dem 1.4.1998 rechtsgültig zustande gekommen sein, Art. 227 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB), eine Erbunwürdigkeitserklärung vorliegt oder die Ausschlagung erklärt worden ist und die vorbezeichneten Personen aus den vorgenannten Gründen nicht gesetzliche Erben werden,[7] desgleichen bei Ehe- oder Partnerschaftsauflösung (§ 1933 BGB, § 15 LPartG). Das gesetzliche Staatserbrecht ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Rechte nicht mehr vorhandener Erben durch Nachfolgeorganisationen wahrgenommen werden (REG Art. 10).

 

Rz. 4

Hat der Erblasser nur über einen Teil des Nachlasses testamentarisch verfügt, beschränkt sich die gesetzliche Erbfolge des Staates lediglich auf einen Bruchteil. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Erben weggefallen sind und eine Anwachsung nicht erfolgt.

 

Rz. 5

Gem. § 2105 BGB kann der Fiskus auch als Vorerbe berufen sein, gesetzlicher Nacherbe kann er jedoch gem. § 2104 S. 2 BGB nicht sein. Auch eine Berufung des Fiskus zum Vermächtnisnehmer ist nicht möglich, § 2149 S. 2 BGB. Das gesetzliche Erbrecht kann nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass der Erblasser lediglich eine Negativverfügung verfasst, ohne gleichzeitig einen Erben zu bestimmen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1938 BGB, der lediglich regelt, dass ein Verwandter, der Ehegatte oder der Lebenspartner von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden kann. Nach Landesrecht kann dem Staat im Hinblick auf den Nachlass einer verpflegten oder unterstützten Person über die Vorschrift des § 1936 BGB hinaus ein Erbrecht zustehen (siehe Erlasse und Kommentierung zu Art. 139 EGBGB).[8]

 

Rz. 6

Auch gegenüber dem Staatserbrecht gilt der Vorrang der gewillkürten Erbfolge. Sämtliche eingesetzten Erben gehen dem Staat stets vor. Enthält eine letztwillige Verfügung lediglich Vermächtnisse und Auflagen, wird der Staat gesetzlicher Erbe, sofern Erben fehlen bzw. diese durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Der Staat erbt auch dann, wenn aus dem Testament der Wille des Erblassers hervorgeht, dass im Falle des Vorversterbens der eingesetzten Erben keiner aus der Verwandtschaft etwas erben soll.[9]

 

Rz. 7

Die Erbschaft geht auch auf den Fiskus im Wege des Von-Selbst-Erwerbs über. Eine Geltendmachung des Erbrechts durch den Staat ist allerdings erst dann möglich, wenn das Nachlassgericht festgestellt hat, dass keine weiteren Erben vorhanden sind. Diesbzgl. gelten die Vorschriften gem. §§ 1964 ff. BGB. Wenn das Nachlassgericht am Ende des Ermittlungsverfahrens feststellt, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist (§ 1964 Abs. 1 BGB), wird damit die Vermutung begründet, dass der Fiskus gesetzlicher Erbe sei (§ 1964 Abs. 2 BGB). Nach § 1942 Abs. 2 BGB kann der Fiskus die ihm als gesetzlichem Erben angefallene Erbschaft nicht ausschlagen. Desgleichen kann er keinen Erbverzicht abgeben bzw. für erbunwürdig erklärt werden.[10]

 

Rz. 8

Dem Beschluss des Nachlassgerichts kommt eine rechtsgestaltende Wirkung dergestalt, dass der Fiskus nun allen gegenüber für immer Erbe ist, nicht zu. Sind etwaige Erben noch nicht ermittelt, tritt zugunsten von diesen kein Rechtsverlust ein. Wird nach Ergehen des Feststellungsbeschlusses ein Erbschein beantragt, ist diesem Antrag in jedem Fall nachzugehen. Ist der Antrag form- und inhaltsrichtig, hat das Nachlassgericht einen entsprechenden Erbschein zu erteilen, sofern er von dem bis dahin unbekannten Erben gestellt wurde. Der Feststellungsbeschluss ist gem. § 48 Abs. 1 FamFG aufzuheben.[11]

[7] MüKo/Leipold, § 1936 Rn 6.
[8] MüKo/Leipold, § 1936 Rn 8, 12.
[10] MüKo/Leipold, § 1936 Rn 11.
[11] Mayer, ZEV 2010, 445 ff.

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