Entscheidungsstichwort (Thema)

einmalige Leistungen der Sozialhilfe für Einschulungsbedarf. Einschulungsbedarf als sozialhilferechtlicher Bedarf. Regelsätze der Sozialhilfe, Leistungen nach – und einmalige Leistungen. Schulanfänger, Mindestausstattung mit Schulheften u.ä. als sozialhilferechtlicher Bedarf. Sozialhilfe, einmalige Leistungen der – für Einschulungsbedarf

 

Leitsatz (amtlich)

Die Kosten der von der Schule vorgegebenen Mindestausstattung der Schulanfänger mit Schulheften, Bleistiften, Malstiften u.ä. sind nicht durch die laufenden Sozialhilfeleistungen nach Regelsätzen abgedeckt, sondern als einmalige Leistung vom Sozialamt zu übernehmen.

 

Normenkette

BSHG §§ 12, 21 Abs. 1a Nr. 3; RegelsatzVO § 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches OVG (Urteil vom 12.07.1995; Aktenzeichen 4 L 3685/95)

VG Hannover (Entscheidung vom 14.03.1995; Aktenzeichen 3 A 2205/94.Hi)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Juli 1995 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Tatbestand

I.

Die am 22. Dezember 1987 geborene Klägerin erhielt von dem Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt. Ihren Antrag vom 2. August 1994, eine einmalige Beihilfe in Höhe von 140,65 DM für die Anschaffung von Arbeitsmaterialien anläßlich ihrer Einschulung (2 Schreibübungshefte, 1 Schreibheft, 1 Matheheft, 1 Oktavheft, 5 Schnellhefter, 1 Einlegemappe, 1 Aktenordner, 1 Briefblock, 2 Bleistifte, 1 Anspitzer, 1 Radiergummi, Bunt-, Filz- und Wachsmalstifte, 1 Bastelsammelmappe, Kleber, 1 Kinderschere, Knetmasse, 1 Tuschkasten, 3 Borstenpinsel, Bastelmaterialpauschale i.H.v. 20,00 DM) zu gewähren, lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 18. August 1994, Widerspruchsbescheid vom 8. November 1994).

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, der Klägerin eine einmalige Beihilfe zur Bestreitung des genannten Einschulungsbedarfs zu bewilligen; die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen: Von der Schule als erforderlich angesehene Arbeitsmaterialien gehörten zum notwendigen Lebensunterhalt eines Schülers. Ob der Einschulungsbedarf zu einer in § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG genannten Bedarfsgruppe gehöre oder ein Bedarf der in § 12 Abs. 2 BSHG genannten Art sei, könne offenbleiben. Der geltend gemachte Einschulungsbedarf gehöre nicht zum Regelbedarf, sondern stelle einen einmaligen Bedarf dar. Insbesondere könnten Rücklagen aus den Regelsatzleistungen dafür nicht geschaffen werden. Denn diese seien so bemessen, daß lediglich der laufende Bedarf gedeckt werden könne. Von dritter Seite habe die Klägerin Leistungen zur Deckung des Einschulungsbedarfs nicht erhalten können.

Mit der im Berufungsurteil zugelassenen Revision rügt der Beklagte Verletzung von § 22 Abs. 1 BSHG in Verbindung mit § 1 Regelsatzverordnung.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Es steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) im Einklang, daß das Oberverwaltungsgericht – mit der Folge der Zurückweisung der vom Beklagten gegen das stattgebende erstinstanzliche Urteil eingelegten Berufung – den von der Klägerin geltend gemachten Bedarf als zu ihrem notwendigen Lebensunterhalt gehörig und durch eine einmalige Leistung (Beihilfe) zu deckenden Bedarf angesehen hat.

Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) geht es um den finanziellen Bedarf zur Beschaffung einer Vielzahl von im einzelnen jeweils geringwertigen Gegenständen (Schulheften, Bleistiften, Malstiften u.ä.), die die Klägerin nach Maßgabe einer von der Schule vorgegebenen Mindestausstattung zu ihrer Einschulung benötigt. Diese Gegenstände sind Bestandteil des Einschulungsbedarfs und gehören als für den Schulbesuch erforderlich zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12 BSHG. Das gilt unabhängig davon, ob sie einer in § 12 Abs. 1 BSHG genannten Bedarfsgruppe zugeordnet werden können. Denn zum einen folgt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts aus der Hervorhebung des besonderen Bedarfs bei Kindern und Jugendlichen in § 12 Abs. 2 BSHG nicht, daß ein solcher besonderer Bedarf nicht auch innerhalb einer der in § 12 Abs. 1 BSHG genannten Bedarfsgruppen entstehen kann; zum anderen stellen diese Bedarfsgruppen, wie sich aus der Beifügung “besonders” ergibt, keine abschließende Aufzählung des notwendigen Lebensunterhalts dar (vgl. zu beiden Aspekten bereits BVerwGE 92, 6 ≪8≫).

Für den streitgegenständlichen Bedarf hat der Beklagte durch einmalige Leistung der Sozialhilfe aufzukommen. Der Senat hat bereits in einer früheren Entscheidung (BVerwGE 91, 156 ≪157≫) unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zu dem durch laufende Leistungen nach Regelsätzen abzudeckenden Regelbedarf den Einschulungsbedarf als einmaligen Bedarf charakterisiert und dies für den speziellen Fall der Schultüte ausdrücklich bestätigt (vgl. BVerwGE 92, 6 ≪7≫). Im Gegensatz zu einem einmaligen Bedarf (hier dem Einschulungsbedarf) ist Regelbedarf der ohne Besonderheiten des Einzelfalles (§ 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG) bei vielen Hilfeempfängern gleichermaßen bestehende, nicht nur einmalige Bedarf aus den in § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung genannten Bedarfsgruppen (s. BVerwGE 87, 212 ≪216≫). Hierunter fällt der Einschulungsbedarf nicht; denn er tritt nicht bei vielen Hilfeempfängern aus der hier betroffenen Regelsatzgruppe der Haushaltsangehörigen bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 Regelsatzverordnung), sondern nur einmalig mit der Einschulung bei den Schulanfängern auf (BVerwGE 91, 156 ≪157≫; 92, 6 ≪7≫).

Es kann offenbleiben, ob die zum Einschulungsbedarf der Klägerin gehörenden Gegenstände als “besondere Lernmittel” für Schüler im Sinne des § 21 Abs. 1a Nr. 3 BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl I S. 646, 2975) angesehen werden können. Denn die mit “insbesondere” eingeleitete Aufzählung von Bedarfsgruppen in § 21 Abs. 1a BSHG ist nicht abschließend (vgl. auch BTDrucks 12/4401 S. 80 zu Nr. 6). Selbst wenn der Einschulungsbedarf der Klägerin unter keine der in § 21 Abs. 1a BSHG genannten Bedarfsgruppen fallen sollte, kann die Klägerin dafür einmalige Leistungen beanspruchen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Säcker, Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke

 

Fundstellen

Haufe-Index 1622106

BVerwGE, 34

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