Entscheidungsstichwort (Thema)

Präklusion. Präklusionswirkung. Durchführungsfeststellung. Glaubhaftmachung. Rechtsschutzbedürfnis. Widerruf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Präklusionswirkung des § 5 Abs. 2 Satz 3 InVorG bezieht sich nicht auf das Durchführungsverfahren nach §§ 13 ff. InVorG.

2. Eine Bezugnahme auf eine von der Ausgangsbehörde selbst erlassene “beabsichtigte Entscheidung” gemäß § 32 VermG genügt als Mittel der Glaubhaftmachung i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 4 InVorG.

 

Normenkette

InVorG § 4 Abs. 5, § 5 Abs. 2, § 11 Abs. 2 S. 2, § 12 Abs. 3 S. 4, § 13 Abs. 2, § 15 Abs. 1

 

Verfahrensgang

VG Meiningen (Urteil vom 18.04.2007; Aktenzeichen 5 K 547/04 Me)

 

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 18. April 2007 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten über die tatsächliche Durchführung von Investitionen auf dem Grundstück R… Straße 49 in W… (Flur 2 der Gemarkung F…, Flurstück Nr. 1022, 485 m(2)).

Im Juli 1990 beantragten die Klägerinnen die vermögensrechtliche Restitution dieses Grundstücks. Das Grundstück gehörte ursprünglich Oskar R… und dessen Ehefrau Katharina zu je ½. Mit Vertrag vom 6. August 1935 hatte Frau R… ihre Miteigentumshälfte an Dora Gerda R… und Elisabeth R… zu je ¼ aufgelassen. Nach dem Tode des Oskar R… ging dessen Miteigentumshälfte im Wege der Erbfolge im Jahre 1951 auf Dora Gerda, Ellen, Elisabeth und Heidemarie R… über. Ende der 50iger bzw. Anfang der 60iger Jahre verließen Heidemarie und Ellen R…, zuletzt wohnhaft in F…, die DDR. Ihr in der DDR vorhandenes Vermögen, darunter auch die Erbanteile an dem genannten Grundstück, wurde unter staatliche Treuhandverwaltung gestellt. Staatlicher Treuhänder wurde der Rat der Gemeine F…. Mit Kaufvertrag vom 12. April 1971 verkaufte und übereignete der staatliche Treuhänder die Erbanteile der Heidemarie und Ellen R… an das Eigentum des Volkes, Rechtsträger: Rat des Kreises E…. Dieser übertrug die Anteile mit Wirkung vom 12. April 1971 in die Rechtsträgerschaft des Rates der Gemeinde F….

Die Beigeladenen bewohnen das Gebäude auf dem Grundstück seit 1965 und betreiben dort seit längerem eine Arztpraxis. Die Beigeladenen suchten seit 1980 mit den zuständigen Stellen nach einem Weg zum Erwerb des Anwesens. Dieser vollzog sich in mehreren Schritten: Zum ersten erwarben sie 1982 die volkseigenen Anteile an der Erbengemeinschaft. Über drei gerichtliche Anordnungsbeschlüsse zum Verkauf aus dem Jahre 1983 bis 1985 erwarben sie schließlich Alleineigentum an dem Wohngrundstück.

Mit bestandskräftigem Bescheid des Landratsamts W… vom 20. September 1995 erhielten die Beigeladenen die baurechtliche Genehmigung zum Umbau und zur Erweiterung der vorhandenen Arztpraxis.

Mit Schreiben vom 20. März 1997 hörte das Landratsamt W… die Beteiligten zum beabsichtigten Erlass eines Investitionsvorrangbescheids an, den die Beigeladenen am 16. Dezember 1996 beantragt hatten.

Am 1. April 1997 teilte der Bevollmächtigte der Klägerinnen u.a. mit, dass nach einer Mitteilung des Landratsamtes W… – Amt zur Regelung offener Vermögensfragen – beabsichtigt sei, das Wohngrundstück zu restituieren. In dem Bescheidsentwurf werde ausführlich dargelegt, dass der seinerzeitige Verkauf an die Eheleute unrechtmäßig gewesen sei. Der Bevollmächtigte der Klägerinnen hat ferner darauf hingewiesen, der Investitionsvorrangantrag sei gestellt worden, um das Rückübertragungsverfahren zu verhindern.

Am 15. April 1997 erließ das Landratsamt W… einen Investitionsvorrangbescheid zur Sanierung und dem Umbau des Wohn- und Geschäftshauses, Erweiterung der vorhandenen Arztpraxis, Erhaltung und Schaffung von je drei Arbeitsplätzen mit einem Investitionsvolumen von 380 000 DM. Dagegen legten die Klägerinnen Widerspruch ein.

Mit Beschluss vom 16. Juni 1997 lehnte das Verwaltungsgericht Meiningen den Antrag der Klägerinnen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 7. Mai 1997 gegen den Investitionsvorrangbescheid vom 15. April 1997 ab. Die Antragstellerinnen hätten jedenfalls nicht innerhalb der Frist des § 5 Abs. 2 InVorG eine eigene investive Maßnahme zugesagt und einen Vorhabenplan vorgelegt. Zweifel an der Durchführung des Investitionsvorhabens genügten nicht.

Mit Schreiben vom 21. November 1998 beantragten die Beigeladenen den Erlass eines Durchführungsfeststellungsbescheides für die von ihnen getätigten Investitionen. Nach Anhörung der Klägerinnen mit Schreiben vom 6. Januar 1999 wurde mit Bescheid vom 3. Februar 1999 festgestellt:

1. Die Investoren Frau Dr. L… und Herr Dr. L… haben als Vorhabenträger die im vorbezeichneten Investitionsvorrangbescheid zugesagten Maßnahmen vorgenommen.

2. Das dem Antrag zur Erteilung des Investitionsvorrangbescheides zugrunde gelegene Vorhaben ist im Wesentlichen durchgeführt.

Eine am 16. Dezember 1998 durch das Wirtschaftsamt des Landratsamts durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass das Investitionsvorhaben fristgerecht abgeschlossen sei und die im Vorhabenplan zugesagten Maßnahmen erbracht worden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2000 wies das Thüringer Landesverwaltungsamt die Widersprüche der Klägerinnen gegen den Investitionsvorrangbescheid vom 15. April 1997 und den Durchführungsfeststellungsbescheid vom 3. Februar 1999 zurück.

Mit Bescheid vom 22. April 2004 lehnte das staatliche Amt zur Regelung offener Vermögensfragen den Antrag von Heidemarie R… und Ellen M… (geb. R…) auf Rückübertragung des streitgegenständlichen Grundstücks ab (Nr. 1). Diesen wurde ein Entschädigungsanspruch zugesprochen (Nr. 2). Der Antrag der Klägerin Elisabeth G… (geb. R…) wurde entschädigungslos abgelehnt (Nr. 3).

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2006 hob das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Nr. 2 und Nr. 3 des Bescheids vom 22. April 2004 auf und stellte die Berechtigung von Elisabeth G… (geb. R…) sowie der Widerspruchsführerinnen in Gesamthandsgemeinschaft am Grundstück in W… fest (Nr. 2). Die Widerspruchsführerinnen hätten als Gesamthandsgemeinschaft gegen die Beigeladenen einen Anspruch auf Auszahlung des anteiligen Verkehrswertes (Nr. 3). Die Feststellung der Berechtigung als selbständige Teilentscheidung im Bescheid vom 22. April 2004 sei hinsichtlich Heidemarie R… und Ellen M… nicht angefochten worden und sei damit bestandskräftig. Die Widerspruchsführerinnen seien Berechtigte, weil die Vermögenswerte einer schädigenden Maßnahme unterlegen seien. Die Beigeladenen hätten das Grundstück unredlich erworben.

Gegen den Bescheid vom 22. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juni 2006 haben die Klägerinnen und die Beigeladenen Klage zum Verwaltungsgericht Gera erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Das Ruhen des Verfahrens wurde mit Beschluss vom 1. August 2007 angeordnet, bis das vorliegende Revisionsverfahren abgeschlossen ist.

Gegen den Durchführungsfeststellungsbescheid vom 3. Februar 1999 haben die Klägerinnen Klage erhoben mit dem Antrag, den Durchführungsfeststellungsbescheid vom 3. Februar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 2000 aufzuheben.

Mit dieser Klage haben sie geltend gemacht, dass die durchgeführten Umbaumaßnahmen keinem besonderen Investitionszweck zu dienen bestimmt sind. Es handele sich um Luxusaufwendungen, die nicht geeignet seien, Arbeitsplätze zu schaffen oder zu sichern. Es seien lediglich 171 000 DM in das Objekt investiert worden, obwohl der Investitionsvorrangbescheid ein Investitionsvolumen von ca. 380 000 DM vorgesehen habe. Der gesetzte Termin bis zum 31. Dezember 1998 sei nicht eingehalten worden.

Die Beigeladenen sind im Klageverfahren auf die einzelnen Investitionsmaßnahmen eingegangen. Sie hätten am Objekt 309 233,01 DM realisiert.

Mit Urteil vom 18. April 2007 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Klage sei unzulässig. Den Klägerinnen fehle das Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung des Feststellungsbescheides. Die Klage könne den Klägerinnen keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile vermitteln. Die Klägerinnen hätten innerhalb der Frist des § 5 Abs. 2 InVorG ihren vermögensrechtlichen Anspruch auf das streitgegenständliche Grundstück nicht glaubhaft gemacht. Eine Bezugnahme auf die beabsichtigte Entscheidung des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 6. Dezember 1996 genüge hierfür nicht. Die Möglichkeit des präkludierten Anmelders, im Verfahren nach § 13 Abs. 2 InVorG lediglich objektiv-rechtlich feststellen zu lassen, ob die durchgeführten investiven Maßnahmen rechtmäßig seien oder nicht, vermittle nach Wortlaut und Systematik des Investitionsvorranggesetzes keine schutzwürdige Rechtsposition. Der Ausschluss ziehe sich wie ein roter Faden durch das gesamte Verfahren, wirke sich namentlich im hier vorliegenden Durchführungsfeststellungsverfahren aus. Das gelte auch für den Fall, dass der Vorhabenträger mit der zugesagten Maßnahme in der vorgeschriebenen Frist nicht oder nur unmaßgeblich begonnen habe, der Rückübertragungsanspruch somit durchaus noch realisiert werden könnte. Eine Flucht in den Widerruf sehe das Investitionsvorranggesetz für den präkludierten Anmelder nicht vor. Allein der Anmelder, der durch Glaubhaftmachung seines Anspruchs und Ankündigung eines eigenen Vorhabens oder durch substanziierte Angriffe gegen das Drittvorhaben seine Rechte gewahrt habe, jedoch mit seinem Vorhaben oder mit seinen Einwänden vor Erlass des Investitionsvorrangbescheides und auch im nachfolgenden Eilrechtsschutz keinen Erfolg gehabt habe, habe ein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung eines Durchführungsfeststellungsbescheids mit der nachfolgenden Möglichkeit des Widerrufs des Investitionsvorrangbescheides. Nur er erhalte sich das Recht auf eine Kontrolle der Umsetzung der investiven Maßnahme, sei es durch Anfechtung eines ergangenen Durchführungsfeststellungsbescheids oder, falls ein solcher nicht ergangen sei, durch unmittelbare Einleitung des Widerrufverfahrens.

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts haben die Klägerinnen die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, die sie damit begründen, dass die Präklusionswirkung des § 5 Abs. 2 InVorG sich nicht auf das Durchführungsfeststellungsverfahren und das Widerrufsverfahren erstrecke. Im Übrigen hätten sie ihre Berechtigung nach dem Vermögensgesetz glaubhaft gemacht. Für eine Glaubhaftmachung sei nicht erforderlich, dass eine Kopie der beabsichtigten Entscheidung des Vermögensamtes innerhalb der gesetzlichen Frist bei der entscheidenden Behörde vorzulegen sei.

Sie beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 18. April 2007 den Durchführungsfeststellungsbescheid des Landratsamts W… vom 3. Februar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 2000 aufzuheben.

Die Beigeladenen und der Beklagte verteidigen das angefochtene Urteil. Sie beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerinnen hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat mit seinem angefochtenen Urteil Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es hat zu Unrecht die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerinnen nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen ihre Berechtigung glaubhaft gemacht hätten und deshalb mit ihren Rechten präkludiert seien (1.). Die Annahme, wegen dieser Präklusionswirkung könne eine mögliche Aufhebung des angefochtenen Durchführungsfeststellungsbescheids den Klägerinnen keine tatsächlichen oder rechtlichen Vorteile mehr bringen, weil ihnen in einem nachfolgenden Widerrufsverfahren noch die Präklusion entgegengehalten werden müsste, trifft nicht zu (2.). Der Senat kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Urteil nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO). Die Sache ist daher an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (3.)

1. Das Verwaltungsgericht hat mit seiner Annahme, die Klägerinnen seien gemäß § 5 Abs. 2 InVorG mit allen ihnen zustehenden Rechten gegen den angefochtenen Durchführungsfeststellungsbescheid ausgeschlossen, weil der Investitionsvorrangbescheid vom 15. April 1997 unanfechtbar geworden sei, die Reichweite der materiellrechtlichen Präklusionswirkung von § 5 Abs. 2 Satz 3 InVorG verkannt.

Gemäß § 5 Abs. 2 InVorG hat der Anmelder Gelegenheit, sich innerhalb von zwei Wochen ab Zugang von Mitteilung und Vorhabenplan zu dem Vorhaben und dazu zu äußern, ob er selbst eine Zusage investiver Maßnahmen beabsichtigt. Die Entscheidung darf vor Ablauf dieser Frist nicht ergehen, sofern nicht eine Äußerung vorher eingegangen oder auf die Einhaltung der Frist oder auf die Anhörung verzichtet worden ist. Nach deren Ablauf ist ein Vorbringen des Anmelders gegen das beabsichtigte Vorhaben nicht zu berücksichtigen. Das gleiche gilt, wenn die Berechtigung nicht innerhalb der Frist glaubhaft gemacht wird.

Der Wortlaut des Gesetzes steht schon der Interpretation des Verwaltungsgerichts entgegen. § 5 Abs. 2 Satz 3 InVorG spricht von einem “Vorbringen des Anmelders gegen das beabsichtigte Vorhaben”, während in § 13 Abs. 2 Satz 1 InVorG als Rechtsgrundlage für den Durchführungsfeststellungsbescheid von den “vorgenommenen zugesagten Maßnahmen” bzw. dem “durchgeführten Vorhaben” die Rede ist. Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 3 InVorG, der Einwendungen nur gegen das “beabsichtigte” Vorhaben ausschließt, bietet keinen Anhalt für eine Erstreckung der Präklusionswirkung auf das Verfahren zur Prüfung, ob das Vorhaben im Wesentlichen durchgeführt worden ist.

Die materiellrechtliche Reichweite der Präklusionswirkung von § 5 Abs. 2 Satz 3 InVorG erschließt sich aus Sinn und Zweck des Investitionsvorrangverfahrens. Die enge zeitliche Fristsetzung von zwei Wochen und die Präklusion dienen dem Ziel der Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens bis zum Erlass des Investitionsvorrangbescheids und nicht darüber hinaus. Wegen der Notwendigkeit, Investitionen in den neuen Ländern zu fördern, wurde das Verwaltungsverfahren zeitlich durch die Aufnahme einer verbindlichen Frist eingegrenzt. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird in diesem Zusammenhang von einer “harten” Regelung gesprochen, die notwendig erscheint, die Verfahren in den neuen Ländern voranzutreiben. Zugleich wurde der Umfang der Anhörung des Anmelders erweitert, um die nachteiligen Auswirkungen des Investitionsvorrangbescheids auf die rechtliche Stellung des Anmelders abzumildern. Der Anmelder kann sich zu dem beabsichtigten Vorhaben inhaltlich äußern, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass des Investitionsvorrangbescheids vorliegen und ob er selbst investive Maßnahmen beabsichtigt. Er ist nicht darauf beschränkt, eine Beeinträchtigung seiner Rechtsposition durch den beabsichtigten Erlass des Verwaltungsakts darzutun (vgl. BTDrucks 12/2480, S. 67; BRDrucks 227/92, S. 204).

Mit § 5 Abs. 2 Satz 1 InVorG sollte auch verbindlich vorgegeben werden, dass der Alteigentümer eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen hat, vor deren Ablauf keine Entscheidung ergehen kann. Spätere Äußerungen des Anmelders finden bei der Entscheidung keine Beachtung.

Für die Annahme, dass sich die Präklusionsvorschrift in § 5 Abs. 2 Satz 3 InVorG nicht über den Erlass des Investitionsvorrangbescheides hinaus erstrecken soll, spricht auch die Gesetzessystematik. Danach sind das Investitionsvorrangverfahren und das Durchführungsfeststellungsverfahren vom Ablauf und von der sie abschließenden Entscheidung in eigenständigen Abschnitten mit unterschiedlichen Beteiligungsrechten im Gesetz geregelt. Der Beschleunigungs- und Erleichterungseffekt für beabsichtigte Investitionsmaßnahmen von § 5 Abs. 2 InVorG spielt im späteren Durchführungsfeststellungsverfahren keine Rolle mehr. Ein eigenständiges Durchführungsfeststellungsverfahren dient hingegen dazu, zweckwidrigen Ergebnissen entgegenzuwirken.

Für eine nur eingeschränkte Wirkung der Präklusionsregelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 InVorG spricht auch der Vergleich mit dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 InVorG. Danach ist der Erwerber des vermögensrechtlichen Anspruchs – sei es durch Rechtsgeschäft oder in der Zwangsvollstreckung – an Verfahren nach dem Investitionsvorranggesetz nicht beteiligt, während hingegen § 5 Abs. 2 Satz 3 InVorG eingrenzend vom “Vorbringen des Anmelders gegen das beabsichtigte Vorhaben” spricht.

Eine über das Investitionsvorrangverfahren hinausgehende Präklusionswirkung würde überdies zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, dass der Anmelder im Durchführungsfeststellungsverfahren auch mit Einwendungen ausgeschlossen wäre, deren tatsächliche Umstände erst nach Abschluss des unanfechtbar gewordenen Investitionsvorrangverfahrens entstanden sind.

2. Das angefochtene Urteil verstößt zudem gegen § 5 Abs. 2 Satz 4 InVorG. Das Verwaltungsgericht hat die Anforderungen, die vorliegend an eine Glaubhaftmachung zu stellen sind, überzogen. Der Begriff der “Glaubhaftmachung” ist an sich im Prozessrecht verhaftet (vgl. § 294 Abs. 1 ZPO, § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). “Glaubhaftmachung” bedeutet, dass im Rahmen der Beweisführung die Vermittlung eines geringeren Grades von Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung ausreicht. Für die Ebene der Verwaltung gilt nichts anderes. Auch hier muss für die Überzeugungsbildung des Entscheidungsträgers ein gewisser Grad der Wahrscheinlichkeit eingetreten sein.

Davon ist vorliegend auszugehen; denn mit anwaltlichem Schreiben vom 1. April 1997 haben die Klägerinnen gegenüber dem Landrat des Beklagten ihr Restitutionsverlangen und ihre Berechtigung unter Hinweis auf den am 6. Dezember 1996 vom selben Landkreis – Amt zur Regelung offener Vermögensfragen – erlassenen Bescheid (“Brief vom 6.12.96”) gemäß § 32 VermG über die beabsichtigte positive Entscheidung über die Rückgabe des zu restituierenden streitigen Grundstücks angegeben. Damit war die einstweilige behördliche Anerkennung der Berechtigteneigenschaft der Klägerinnen für den Beklagten offensichtlich. Zudem ist ausdrücklich aus dem Inhalt der “beabsichtigten Entscheidung” nach § 32 VermG erwähnt worden, “dass der Verkauf des seinerzeit in Volkseigentum stehenden Grundstückes an die derzeitigen im Grundbuch eingetragenen Eigentümer unrechtmäßig war”. Unter diesen Umständen ist es überzogen, von den Klägerinnen dann noch zusätzlich die Kopie dieses vom Beklagten selbst erlassenen Bescheides zu verlangen. Entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts kann in diesem Zusammenhang keineswegs von der Behörde angesonnenen unzumutbaren Recherchen gesprochen werden. Zwischen zwei Ämtern ein- und desselben Landkreises gibt es kürzeste Kommunikationsmöglichkeiten, die ein schnelles Nachfragen und Abklären ermöglichen.

Das Einwendungsschreiben vom 1. April 1997 enthält zudem entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts einen durchaus hinreichenden substanziierten Angriff gegen das Vorhaben der Beigeladenen. Die Absicht der Beigeladenen wird angeführt, dass Rückgabeverlangen der Kläger zu hintertreiben; ebenso wird das Vorhaben der Beigeladenen, drei Arbeitsplätze “mit schwarzen Zahlen” zu schaffen, als unglaubwürdig hingestellt.

3. Der Klage gegen den Durchführungsfeststellungsbescheid vom 3. Februar 1999 fehlt auch nicht das Rechtschutzbedürfnis, weil nach Auffassung des Verwaltungsgerichts eine mögliche Aufhebung des angefochtenen Durchführungsfeststellungsbescheids den Klägerinnen wegen des bestandskräftigen Investitionsvorrangbescheids keine tatsächlichen oder rechtlichen Vorteile mehr bringen könne. Mit der Aufhebung des Durchführungsfeststellungsbescheids wird trotz des bestandskräftig abgeschlossenen Investitionsvorrangverfahrens der Weg zum Widerruf des Investitionsvorrangbescheids mit der möglichen Folge eröffnet, dass das streitige Grundstück zu restituieren ist (vgl. § 15 Abs. 1 InVorG). Dies folgt schon im Gegenschluss aus § 13 Abs. 2 Satz 2 InVorG. Danach kann der Investitionsvorrangbescheid nicht widerrufen und Rückübertragung nicht wegen der Nichtdurchführung der zugesagten Maßnahme verlangt werden, wenn die Durchführungsfeststellung unanfechtbar wird. § 13 Abs. 2 Satz 2 InVorG gebietet wegen dieser Rechtsfolgen ein Vorgehen gegen den Durchführungsfeststellungsbescheid, um eine Übereinstimmung zwischen beantragten und tatsächlich durchgeführten Investitionen zu prüfen.

Der Anspruch der Klägerinnen auf Rückübertragung ist auch nicht von vornherein wegen § 12 Abs. 3 Satz 4 InVorG ausgeschlossen. Danach bestehen Ansprüche auf Rückübertragung und Wertersatz nicht, wenn 1. a) der Anmelder nicht innerhalb von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Investitionsvorrangbescheids einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage gestellt hat oder b) ein innerhalb der in Buchstabe a genannten Frist gestellter Antrag rechtskräftig abgelehnt wird und 2. mit der tatsächlichen Durchführung der zugesagten Investition nachhaltig begonnen worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 12 Abs. 3 Satz 4 InVorG nach seinem Regelungszusammenhang und der vorgesehenen Rechtsfolge nur auf Fälle der investiven Veräußerung und nicht – wie vorliegend – auf Eigeninvestition des Verfügungsberechtigten zugeschnitten. Der Wegfall des Restitutionsanspruchs für die Fälle der Eigeninvestition des Verfügungsberechtigten ist in § 11 Abs. 5 InVorG abschließend geregelt (Urteil vom 2. Mai 1996 – BVerwG 7 C 16.95 – Buchholz 428.1 § 12 InVorG Nr. 7). Der Restitutionsanspruch kann vom Altberechtigten geltend gemacht werden, wenn er innerhalb der gesetzten Frist das Vorhaben nicht realisiert und kein Antrag auf Fristverlängerung durch den Vorhabenträger gestellt worden ist. In diesem Fall kann eine Rückübertragung auf den Altberechtigten erfolgen, ohne dass die Aufhebung des Investitionsvorrangbescheids notwendig ist. Ein Wiederaufleben des Rückübertragungsanspruchs, wie etwa § 11 Abs. 2 Satz 2 InVorG vorsieht, ist im Fall der Eigeninvestition nicht erforderlich, weil der Anspruch auf Grund des nicht durchgeführten Vorhabens nicht entfallen ist (vgl. Hensel in: Kimme (Hrsg.), Offene Vermögensfragen, Band II, Stand Nov. 2007 § 11 InVorG Anm. 5).

4. Dem Senat ist es mangels ausreichender Tatsachengrundlage verwehrt, in der Sache selbst zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht wird zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 InVorG vorliegen. Das angefochtene Urteil war daher nur aufzuheben und die Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO).

 

Unterschriften

Gödel, Dr. Pagenkopf, Dr. von Heimburg, Postier, Dr. Hauser

 

Fundstellen

ThürVBl. 2008, 155

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