Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitwirkung der Personalvertretung bei Verfahrenseinleitung. Erweiterte Besetzung des. Bundesdisziplinargerichts. Rüge ordnungsgemäßer Besetzung der Richterbank. Unbeachtlichkeit einer Aufrechnungserklärung für Art und Ausmaß der Disziplinierung. Schuldhaft unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst. Beleidigung vorgesetzter Beamter des höheren Dienstes. Uneinsichtigkeit. Gehaltskürzung

 

Normenkette

BBG § 54 Sätze 1, 3, § 55 Sätze 1-2, § 73 Abs. 1 S. 1, § 77 Abs. 1 S. 1; BDO § 5 Abs. 1, §§ 25, 50 Abs. 3; StPO § 344 Abs. 2; BPersVG § 78 Abs. 1 Nr. 3, § 72 Abs. 1, §§ 3-4, 77 Abs. 2 Nrn. 1-2

 

Verfahrensgang

BDIG (Urteil vom 23.02.1983; Aktenzeichen VII VL 59/82)

 

Tenor

Die Berufung des Oberregierungsrats … gegen das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer VII – … –, vom 23. Februar 1983 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

In dem vom Bundesminister … eingeleiteten Disziplinarverfahren legt der Bundesdisziplinaranwalt dem Beamten als Dienstvergehen zur Last,

  1. in der Zeit vom 5. bis 9. Januar … schuldhaft seinem Dienst unerlaubt ferngeblieben zu sein, was zu erheblichen Störungen des Dienstbetriebes geführt habe;
  2. in einem nachrichtlich an seinen Vorgesetzten gerichteten Schreiben vom 19. November … diesen in achtungsunwürdiger und ehrverletzender Weise angegriffen zu haben, so daß die Arbeitsatmosphäre in der Dienststelle ebenso wie das für die Zusammenarbeit notwendige Vertrauensverhältnis erheblich belastet und seine Versetzung erforderlich geworden sei.

Das Bundesdisziplinargericht hat die Anschuldigungsvorwürfe für erwiesen, den Tatbestand schuldhaft unerlaubten Fernbleibens vom Dienst am Wochenende des 6. und 7. Januar … allerdings nicht für erfüllt gehalten und den Beamten am 23. Februar … wegen eines Dienstvergehens zur Kürzung seiner jeweiligen Dienstbezüge um ein Zwanzigstel auf die Dauer von 24 Monaten verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat der Beamte rechtzeitig Berufung eingelegt mit dem Antrag,

  1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an eine andere Kammer des erkennenden Gerichts zwecks erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen wegen

    1. fehlerhafter Besetzung des Gerichts,
    2. schwerwiegender Mängel der Sachaufklärung durch Nichterheben von Beweisen und Unterdrücken von Beweisergebnissen,

    hilfsweise

  2. Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage unter Belastung der Klägerin und Berufungsbeklagten mit den Kosten,

    ganz hilfsweise

  3. Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung aus Amtspflichtverletzung in Höhe der letztinstanzlich erkannten Disziplinarstrafe.

Zur Begründung der verfahrensrechtlichen Rügen macht er geltend, das Disziplinarverfahren sei weder besonders umfangreich noch in seiner Bedeutung herausgehoben, so daß die Anordnung erweiterter Besetzung der zur Entscheidung berufenen Kammer des Bundesdisziplinargerichts fehlerhaft gewesen sei. Auch sei, das werde ausdrücklich mit Nichtwissen bestritten, weder die Kammer VII – … – zuständig noch in der richtigen Reihenfolge der Beisitzer besetzt gewesen. Schließlich sei die beantragte Mitwirkung der zuständigen Personalvertretung unterblieben.

In der Sache selbst führt er zu Anschuldigungspunkt Nr. 1 im wesentlichen aus, nach dem 4. Januar … sei er krank gewesen, so daß man ihm das Fernbleiben vom Dienst damals nicht anlasten könnte, zu Anschuldigungspunkt Nr. 2, sein Vorgesetzter in … habe keine Gelegenheit ausgelassen, ihn abzuqualifizieren, leichtfertig zu verleumden und vor anderen wahrheitswidrig herabzusetzen. Er habe daher nicht nur in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, sondern er sei geradezu verpflichtet gewesen, seine Beschwerde im offenen Umschlag weiterzuleiten, zumal seine Verwaltung an einer Aussöhnung zwischen ihm und seinem Vorgesetzten offenbar nicht ernsthaft interessiert gewesen sei. Auch habe man ihn über Jahre hinweg seinen Wünschen zuwider dem begehrten Einsatz in seiner holsteinischen Heimat aus sachfremden Gründen ferngehalten und damit die Fürsorgepflicht des Dienstherrn ihm gegenüber langfristig verletzt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung ist unbegründet, zu Recht hat das Bundesdisziplinargericht ein Dienstvergehen des Beamten festgestellt und auf eine Gehaltskürzung erkannt.

Das Rechtsmittel ist vom Inhalt her unbeschränkt. Der Beamte macht Verfahrensfehler geltend und stellt ein Dienstvergehen in Abrede, indem er sich zum Vorwurf unerlaubten Fernbleibens vom Dienst auf Dienst- und Schuldunfähigkeit beruft und hinsichtlich des Vorwurfs, seinen Vorgesetzten in achtungswürdig unwürdiger Weise angegriffen zu haben, für sich in Anspruch nimmt, keine Pflichtwidrigkeit begangen, sondern in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt zu haben. Der Senat hat daher Tat- und Schuldfeststellungen selbst zu treffen und den so festgestellten Sachverhalt disziplinarrechtlich zu würdigen.

1. Verfahrensmängel, wie sie in der Berufungsbegründung gerügt werden, sind nicht gegeben; insbesondere liegt ein Mangel des Beteiligungsverfahrens nicht vor.

a) Die in § 78 Abs. 1 Nr. 3 BundespersonalvertretungsgesetzBPersVG – vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 693) vorgesehene Mitwirkung des Personalrats bei der Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens ist ordnungsgemäß erfolgt. In dieser Angelegenheit war die bei der Einleitungsbehörde, dem Bundesminister …, gebildete Stufenvertretung, mithin der Hauptpersonalrat, zuständig (vgl. hierzu Fürst/Fischer/Goeres, GKÖD, Band V Teil 2 – BPersVG – § 78 Rz 19 und § 82 Rz 5; Lorenzen/Eckstein, BPersVG, 4. Auflage, § 78 Rz 39). Diesem ist am 6. November … unter Übersendung zahlreicher Anlagen Mitteilung von der beabsichtigten Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens gegen den Beamten gemacht worden. Mit Schreiben vom 16. Dezember … hat er gebeten, von dem beabsichtigten förmlichen Verfahren abzusehen, weil nach seiner Auffassung eine Erledigung im Disziplinarverfahren des Dienstvorgesetzten genüge. Die in diesem Schreiben anheimgegebene Aussprache hat daraufhin stattgefunden und ist in einem Vermerk vom 11. Januar … festgehalten worden mit dem Ergebnis, daß der stellvertretende Vorsitzende der Beamtengruppe im Hauptpersonalrat das Mitwirkungsverfahren als abgeschlossen bezeichnet habe. Diese Form der Erörterung der Angelegenheit mit dem Hauptpersonalrat ist nicht zu beanstanden. Der die Erörterungspflicht regelnde § 72 Abs. 1 BPersVG schreibt keine mündliche Verhandlung zwischen Dienststellenleiter und Personalrat vor (Fürst/Fischer/Goeres, a.a.O., § 72 Rz 7 und 8 jeweils am Ende; Lorenzen/Eckstein, a.a.O., § 72 Rz 13 und 17). Die Vorschrift gebietet auch nicht die Herstellung des Einvernehmens zwischen dem Dienststellenleiter und dem Personalrat, wie dies gemäß § 69 Abs. 1 BPersVG bei zustimmungsbedürftigen Maßnahmen der Fall sein muß. Der Konsultationspflicht des § 72 Abs. 1 BPersVG in Fällen der hier zu entscheidenden Art ist deshalb auch dann genügt, wenn die Erörterung mit dem Personalrat schriftlich geschieht und dieser hinreichend Gelegenheit erhält, zur Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens Stellung zu nehmen, insbesondere Einwendungen auf die in § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BPersVG bezeichneten Gründe zu stützen. Das ist hier in ausreichendem Maße geschehen.

Schließlich wird die Rechtswirksamkeit der Verfahrenseinleitung nicht dadurch berührt, daß es die Einleitungsbehörde unterlassen hat, dem Hauptpersonalrat gemäß § 72 Abs. 3 BPersVG schriftlich die Gründe mitzuteilen, die sie veranlaßt hatten, den Einwendungen der Personalvertretung nicht zu entsprechen. Diese Mitteilungspflicht ist im Zusammenhang mit § 72 Abs. 4 Satz 1 BPersVG zu sehen, der dem Personalrat einer nachgeordneten Dienststelle die Möglichkeit gibt, die Angelegenheit binnen drei Arbeitstagen nach Zugang der Mitteilung den übergeordneten Dienststellen mit dem Antrag auf Entscheidung vorzulegen. Ist die zur Unterrichtung verpflichtete Dienststelle, wie hier, die oberste Dienstbehörde selbst, so entfällt die Möglichkeit, eine übergeordnete Dienststelle mit der Angelegenheit zu befassen. In einem solchen Fall kann ein Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht nach § 72 Abs. 3 BPersVG keine rechtlichen Auswirkungen haben.

b) Auch daß Verhandlung und Entscheidung durch das Bundesdisziplinargericht in erweiterter Besetzung geschehen sind, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 50 Abs. 3 BDO kann der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Bundesdisziplinargerichts vor Anberaumung der Hauptverhandlung und nach Anhörung des Bundesdisziplinaranwalts einen weiteren Richter heranziehen (erweiterte Besetzung), wenn dies nach Umfang oder Bedeutung der Sache geboten ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Mit Schreiben vom 18. November … hat der Kammervorsitzende dem Bundesdisziplinaranwalt Gelegenheit gegeben, sich zu der beabsichtigten Heranziehung eines weiteren Richters zu äußern. Nachdem der Bundesdisziplinaranwalt mit Schreiben vom 25. November … mitgeteilt hatte, daß er gegen die beabsichtigte Maßnahme keine Bedenken habe, ist durch Beschluß vom 29. November … erweiterte Besetzung angeordnet und dies dem Beamten durch Verfügung vom selben Tage mitgeteilt worden. Alsdann ist mit Verfügung des Vorsitzenden der Kammer vom 25. Januar … Termin zur Hauptverhandlung auf den 23. Februar … bestimmt und in diesem Termin in erweiterter Besetzung verhandelt und entschieden worden. Damit ist den Erfordernissen des § 50 Abs. 3 Satz 1 BDO in formeller Hinsicht entsprochen worden.

Der Sache nach liegt die Entscheidung, ob erweiterte Besetzung nach Umfang oder Bedeutung der Sache geboten ist, allein beim Vorsitzenden der zuständigen Kammer des Bundesdisziplinargerichts. Dieser entscheidet in Ausübung seines richterlichen Ermessens, wobei Umfang und/oder Bedeutung einer Sache im Sachverhalt selbst begründet sein, aber auch in der Person des betroffenen Beamten oder in rechtlichen Schwierigkeiten liegen können (Claussen/Janzen BDO, 4. Auflage, § 50 Randziffer 8; Behnke BDO, 2. Auflage, § 50 Randziffer 18). Allein auf Mißbrauch des Ermessens ist der Heranziehungsbeschluß zu überprüfen. Von einem Fehler in der Ermessensausübung, geschweige denn von Ermessensmißbrauch, kann hier indes keine Rede sein.

c) Schließlich fehlt auch für sonstige Mängel des Verfahrens jeder verläßlicher Anhalt.

Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 der StrafprozeßordnungStPO –, deren Regelungen über § 25 Satz 1 BDO grundsätzlich für das Disziplinarverfahren ergänzend gelten, kann die Verletzung von Rechtsnormen über das Verfahren nur durch Angabe der den Mangel enthaltenen Tatsachen gerügt werden. Diese Voraussetzung erfüllt die Berufungsbegründung nicht. Denn das Geltendmachen von Zweifeln an der Zuständigkeit der Kammer VII – Hamburg – des Bundesdisziplinargerichts sowie an der ordnungsgemäßen Besetzung der Richterbank ist keine Behauptung von Tatsachen, zumal dererlei Zweifel nicht auf bestimmte Umstände gestützt oder aus diesen abgeleitet, sondern einzig durch „Bestreiten mit Nichtwissen” begründet werden.

Wohl kann fraglich sein, ob sich die das Revisionsrecht im Strafverfahren beherrschende Vorschrift über das Rügerecht direkt auf das Disziplinarverfahren – ergänzend – übertragen läßt, zumal die Bundesdisziplinarordnung gegen ein Urteil nur das Rechtsmittel der Berufung (§ 80 BDO), nicht jedoch das der Revision kennt. Der erwähnten Regel für den Strafprozeß läßt sich in Verbindung mit der Begründungspflicht für die Berufung im Disziplinarverfahren (vgl. § 82 2. Halbsatz BDO) aber jedenfalls soviel entnehmen, daß nicht jedem nur irgendwie anklingenden Zweifel an ordnungsgemäßem Ablauf des Verfahrens durch Beiziehen sämtlicher Unterlagen und deren genauer Kontrolle nachzugehen, sondern daß die Überprüfung auf den im Einzelfall angemessenen Umfang zu beschränken ist. Da die Zuständigkeit der Kammer VII – Hamburg – außer Frage steht (§ 43 Abs. 1 BDO), die Besetzung der Kammer mit dem Vorsitzenden, einem weiteren Richter und drei Beamtenbeisitzern der Vorschrift des § 50 Abs. 3 Satz 2 BDO entspricht und jeder begründete Anhalt dafür fehlt, daß den für das Verfahren maßgebenden Vorschriften und Grundsätzen sonst nicht genügt worden wäre, hat der Senat zu deren Überprüfung keinen Anlaß gesehen, schließt einen die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung beeinflussenden Mangel des Verfahrens vielmehr auch insoweit aus. Das gilt auch bezüglich der Angriffe der Bedenken gegen die Sachaufklärung durch die erste Instanz. Denn ersichtlich trifft es nicht zu, daß das Bundesdisziplinargericht nicht in dem erforderlichen Umfang Beweise erhoben oder Beweisanträge des Beamten nicht gehörig beschieden hätte.

2. In der Sache, selbst hat der Senat aufgrund der Hauptverhandlung in weitgehender Übereinstimmung mit dem Bundesdisziplinargericht folgenden Sachverhalt festgestellt:

a) (Anschuldigungspunkt Nr. 1)

Der Beamte leitete als Vorsitzender eines Prüfungsausschusses für … beim … in … am 4. Januar …, einem Donnerstag, die Sitzungen des Ausschusses in … Nach Sitzungsende um 14.30 Uhr gab er in den Geschäftsräumen des Prüfungsausschusses die zur Sitzung mitgeführten Akten ab. Dann fuhr er weiter nach …, wo seine Mutter lebte und er selbst in aller Regel seine Wochenenden zu verbringen pflegte. Erst am 9. Januar …, einem Dienstag, nahm er gegen 15.00 Uhr in … den Dienst wieder auf. Die für den 8. und 9. Januar … terminierten Sitzungen des Ausschusses fielen aus. Die zu diesen Sitzungen geladenen Beisitzer und … mußten, soweit sie noch erreicht werden konnten, abgeladen, soweit dies nicht der Fall war, reisekostenrechtlich entschädigt werden.

Die … in … stellte daraufhin gemäß § 9 BundesbesoldungsgesetzBBesG – den Verlust der Dienstbezüge für die Zeit vom 5. bis 8. Januar … fest, weil der Beamte in dieser Zeit seinem Dienst schuldhaft unerlaubt ferngeblieben sei. Das hiergegen angerufene Bundesdisziplinargericht hielt den Feststellungsbescheid mit der Maßgabe aufrecht, daß am 6. und 7. Januar … ein Verlust der Dienstbezüge nicht eingetreten sei; denn bei diesen beiden Tagen habe es sich um ein Wochenende gehandelt, an dem der Beamte ohnedies keinen Dienst gehabt habe.

Auf die Beschwerden des Beamten und der Einleitungsbehörde hob der erkennende Senat den Beschluß des Bundesdisziplinargerichts am 20. Juli … auf und stellte den Feststellungsbescheid des Präsidenten der … wieder her.

Ebenso wie bereits in jenem Verfahren über die Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge (§ 121 BDO) beruft sich der Beamte auch im Disziplinarverfahren darauf, daß er am 5. Januar … krank gewesen sei und im Bett gelegen habe. Das glaubt ihm der Senat aber – wie auch schon das Bundesdisziplinargericht – nicht.

Zwar hat es im Regelfall bei derartigen Erklärungen sein Bewenden; denn das Gesetz läßt grundsätzlich die Angabe des nicht zum Dienst erschienenen Beamten genügen, daß Dienstunfähigkeit vorliege bzw. während der in der Vergangenheit liegenden Zeit der Abwesenheit von den Dienstgeschäften vorgelegen habe, sofern – was hier aber nicht der Fall ist – der Dienstherr nicht das Verlangen besonders ausgesprochen hat, krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit nachzuweisen (§ 73 Abs. 1 Satz 2 Bundesbeamtengesetz – BBG –). Mit Recht hat das. Bundesdisziplinargericht jedoch die Behauptung des Beamten, am 5. Januar … dienstunfähig erkrankt gewesen zu sein, für widerlegt angesehen, wobei dahinstehen kann, ob der Beamte am 4. Januar … gegenüber Geschäftsstellenbeamten in … seine Absicht, nach … zu fahren, erwähnt und was er zur Begründung für dieses nicht nur dienstfreie Tage erfassende Vorhaben angeführt hat. Eine Krankmeldung, in dem Sinne, wie sie von jedem dienstunfähig erkrankten Beamten nach der Geschäftsordnung des damaligen Beschäftigungsamtes des Beamten verlangt wird, könnte es schon aus dem Grunde nicht gewesen sein, weil der Beamte am 4. Januar … – das ordnungsgemäße Leiten von Ausschußsitzungen und die anschließende mehrstündige Autofahrt auf winterlicher Straße beweisen es – dienstfähig war und eine Krankmeldung sozusagen „Auf Vorgriff” von bestimmten Ausnahmefällen, die hier nicht gegeben sind, nicht denkbar ist. Auch hätte eine einwandfreie Krankmeldung den Beamten von der Pflicht zur Dienstleistung nicht automatisch befreien können. Denn ob einen nicht beurlaubten Beamten die Pflicht zur Dienstleistung trifft, hängt nicht von einer bestimmten Erklärung, sondern allein davon ab, ob er zu dem betreffenden Zeitpunkt dienstfähig ist. Dienstunfähig war der Beamte aber – nicht etwa jede Beeinträchtigung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Krankheitswert führt bereits zur Dienstunfähigkeit – nicht.

Gegen die Richtigkeit der Einlassung des Beamten spricht, daß er nicht von … am 5. Januar … in … angerufen hat, um dort die Dienststelle unverzüglich zu unterrichten, insbesondere auch über seinen derzeitigen Aufenthaltsort in Kenntnis zu setzen, oder daß er nicht jedenfalls durch Konsultation eines Arztes versucht hat, vorsorglich ein seine – späteren – Erklärungen bestätigendes Beweismittel in die Hand zu bekommen. Zwar leuchtet es ein, daß bei einer erkältungsbedingten leichten Erkrankung – und um eine solche soll es sich hier gehandelt haben – nicht sogleich ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wird. Wer sich aber in einer von der Norm so weit abweichenden, zu Verdacht förmlich herausfordernden Weise verhält, wies dies der Beamte mit seiner Vorgesetzten und Mitarbeitern zunächst nicht erkennbar gewordenen Abreise und seinem Aufenthalt weitab vom Dienstort getan hat, der hätte sich gleichsam von selbst darum bemüht, ein den Verdacht ausräumendes Beweismittel zu beschaffen, und zwar rein vorsorglich, ohne hierzu durch ein im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 2 BBG ausgesprochenes Verlangen besonders verpflichtet zu sein.

Der Beamte hat schließlich nicht sofort nach seiner Rückkehr nach … die bei seiner Dienststelle, vorgesehene und übliche schriftliche Krankmeldung erstattet, den entsprechenden Vordruck vielmehr erst am 18. Januar … ausgefüllt, obwohl es die ungewöhnlichen Umstände seiner Abwesenheit vom Dienstort ohne weiteres nahegelegt hätten, Vorgesetzte alsbald zu unterrichten. Mit dem Bundesdisziplinargericht geht der Senat daher davon aus, daß die Behauptung des Beamten, am 5. Januar … dienstunfähig erkrankt gewesen zu sein, als widerlegt anzusehen ist.

Auf das am 19. Januar … vorgelegte Attest der praktischen Ärztin … aus …, demzufolge der Beamte „wegen Krankheit zur Zeit dienstunfähig” sei, kann er sich demgegenüber nicht mit Erfolg berufen. Denn dieses Attest ist um rund zwei Wochen auf den 5. Januar … rückdatiert worden, es ist hinsichtlich der Krankschreibung für den 8. und 9. Januar … falsch und es beruht auch nicht auf objektiven Befundfeststellungen der ausstellenden Ärztin, sondern auf den Angaben des Beamten. Daraus mag ihm kein Vorwurf zu machen sein; denn sollte es ihm nachträglich von Vorgesetzten anheimgegeben worden sein, eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, so würde ihm letztlich gar nichts anderes übrig geblieben sein, als die Ärztin mit seinen eigenen Beobachtungen vertraut zu machen. Einen höheren Beweiswert als die betreffenden Behauptungen des Beamten selbst hat eine solche Bescheinigung jedenfalls hinsichtlich des Gesundheitszustands des Beamten am 5. Januar … nicht.

Auch das Ausbleiben des Beamten am 8. und 9. Januar … bis 15.00 Uhr vom Dienst war weder gerechtfertigt noch entschuldigt. Der Beamte hätte an diesen Tagen den ihm planmäßig vorgeschriebenen Dienst leisten müssen; die Fahrt nach … und der rechtzeitige Dienstantritt dort waren ihm möglich und zumutbar.

Der Beamte hat erklärt, sich am 7. Januar … so weit gesund gefühlt zu haben, daß er die Rückfahrt nach …, wo er in der Woche ein möbliertes Zimmer bewohnte, unter normalen Umständen angetreten hätte. Bei dieser eigenen Einschätzung seines Befindens aber kann er sich nicht mit Erfolg auf eine „Schneekatastrophe” berufen, die der Reise zum Dienstort entgegengestanden haben soll. Schon dafür, daß die Fahrt am Abend des 7. Januar … schwieriger geworden wäre als die, die er am Abend des 4. Januar … über dieselbe Entfernung in umgekehrter Richtung trotz winterlicher Straßen- und Witterungsverhältnisse relativ schnell hatte bewältigen können, ist objektiv nichts ersichtlich; die sogenannte „Schneekatastrophe” hat auch im norddeutschen Raum insbesondere in der Zeit vom 4. bis zum 8. Januar … nicht zu einer dramatischen Erhöhung wetterbedingter Erschwernisse im Straßen- oder im Schienenverkehr geführt. Das entnimmt der Senat den Auskünften der Baubehörde der Stadt … vom 23. Januar …, des Straßenbauamts vom 15. Februar … und der Deutschen Bundesbahn vom 4. Januar …. Auch schwierige Straßenverhältnisse hätten den Beamten im übrigen nicht von der Verpflichtung befreit, am 8. Januar … rechtzeitig zum Dienst wieder in … zu sein. Wer sich vom Ort der ihm zugewiesenen Dienstgeschäfte entfernt, trägt ein entsprechend hohes Maß an Verantwortung für die pünktliche Rückkehr. Er muß alles ihm Mögliche daransetzen, rechtzeitig zum nächsten Dienst wieder am Dienstort zu sein. Für den Beamten bedeutete dies, daß er – wollte er nicht auf die Fahrt mit dem Auto verzichten – mit dem Antritt der Reise nicht wie sonst bis um 22.00 Uhr hätte warten dürfen, sondern daß er sich entsprechend früh auf den Weg hätte machen müssen. Daß sich zu dieser Zeit – nämlich im Laufe des Nachmittags des 7. Januar … – die von ihm als „Schneekatastrophe” bezeichneten Schwierigkeiten noch nicht abgezeichnet hätten, daß er sich diesen Schwierigkeiten plötzlich und unvorbereitet erst gegen 22.00 Uhr gegenübergesehen hätte, ist nicht ersichtlich. Aber selbst wenn dem so gewesen wäre, hätte der Beamte sich der Bundesbahn zur Fahrt nach … bedienen müssen. Die Fahrt wäre notfalls auch noch in der Nacht vom 7. bis zum 8. Januar … möglich gewesen; Wäsche und möglicherweise sonst übliches größeres Gepäck hätte er daheimlassen oder zum Transport mit der Bundesbahn aufgeben müssen. Mit chaotischen Verhältnissen, insbesondere mit ungeheizten Reisezügen oder Warteräumen brauchte zu jener Zeit nicht gerechnet werden; die angeführten Befürchtungen des Beamten waren nicht berechtigt. Wenn der Beamte meint, unter den von ihm geschilderten Umständen sei ihm die rechtzeitige Rückfahrt nicht zuzumuten gewesen, so verkennt er die Grenzen der Zumutbarkeit und das Ausmaß der sich aus den Dienstpflichten ergebenden Anforderungen. Das gereicht zum Verschuldensvorwurf und rechtfertigt den Vorwurf schuldhaft unerlaubten Fernbleibens vom Dienst über den 5. Januar hinaus auch noch für den 8. und 9. Januar … bis zu demjenigen Zeitpunkt, an dem er sich an diesem Tag – gegen 15.00 Uhr – wieder in … einfand (§§ 54 Satz 1, 83 Abs. 1 Satz 1 BBG).

Für den 6. und den 7. Januar …, die beiden Tage eines für den Beamten dienstfreien Wochenendes, stellt der Senat den Beamten – gleichfalls in Übereinstimmung mit dem Bundesdisziplinargericht – von dem Vorwurf der angeschuldigten Pflichtverletzung frei. Zwar hat der Senat im Beschluß vom 20. Juli … den Standpunkt vertreten, daß der Verlust der Dienstbezüge auch für dienstfreie Tage eintritt, die von Zeiten schuldhaft unerlaubten Fernbleibens vom Dienst umschlossen werden oder die sich an Zeiten unerlaubten Fernbleibens vom Dienst unmittelbar anschließen. Er hat dies mit der Erwägung begründet, daß jedenfalls dann die eingeschlossenen Tage, ihren eigenständigen Charakter verlieren und statt dessen denjenigen des insgesamt längeren Zeitraums schuldhaft unerlaubten Fernbleibens vom Dienst annehmen, wenn sich in der Person des abwesenden Beamten die Verhältnisse in objektiver oder subjektiver Hinsicht nicht ändern. In diesem Fall sei es gerechtfertigt, die besoldungsrechtliche Folge des Verlustes der Dienstbezüge von der Frage zu lösen, ob der Beamte in jedem Fall und zu jeder Zeit konkreten Dienst hätte leisten müssen.

Für die disziplinare Beurteilung unter dem Blickwinkel des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst hat demgegenüber ausschließlich die Frage Bedeutung, ob und gegebenenfalls der beschuldigte Beamte – etwa durch dienstliche Anordnung (§ 55 Satz 2 BBG) – über die allgemeine Pflicht zur Dienstbereitschaft hinaus zum Dienst verpflichtet gewesen ist. Denn der Vorwurf unerlaubten Fernbleibens vom Dienst kann nur gegen einen Beamten erhoben werden, der konkret – d.h. zu der betreffenden Zeit und an einem bestimmten Ort – zur Leistung von Diensten verpflichtet ist, der sich aber nicht termingemäß am vorgeschriebenen Ort einfindet und die geschuldete Dienstleistung nicht erbringt. Da für den Beamten der regelmäßige Dienst von Montag bis Freitag angesetzt war, stand es in seinem Belieben, wo er sich am 6. und 7. Januar … aufhielt und wie er die Zeit verbrachte. Mangels konkreter Dienstleistungspflicht an diesen beiden Tagen ist der disziplinare Vorwurf, dem Dienst ferngeblieben zu sein, nicht berechtigt.

b) (Anschuldigungspunkt Nr. 2)

Mit Wirkung vom 1. April … wurde der Beamte in den Bereich der … an das … in … versetzt. Dessen Leiter besprach am 14. Juni … mit ihm den seinerzeit noch nicht abschließend aufgeklärten Verdacht des Fernbleibens vom Dienst in … vom 5. bis 9. Januar … (vgl. Anschuldigungspunkt Nr. 1) sowie die Ausführung der ihm übertragenen Dienstgeschäfte. Im Anschluß an dieses Gespräch erhob der Beamte Dienstaufsichtsbeschwerde über seinen Gesprächspartner, in der er dem Bundesminister … gegenüber unter anderem den Verdacht äußerte, der Amtsleiter sei antisemitisch eingestellt und erscheine willens, gegen ihn und seine Mutter, eine Halbjüdin, Diskriminierungspolitik zu betreiben. Um das außerordentlich zugespitzte Verhältnis zwischen dem Beamten und seinem Vorgesetzten wieder zu entspannen, suchten im Juli … der zuständige Dezernatsgruppen- und am 16. November … der zuständige Dezernatsleiter aus … das … in … auf; mit dem Ziel vermittelnden Ausgleichs sprachen sie auch mit dem Beamten. Der Dezernatsleiter legte ihm nahe, dem Amtsleiter eine entschuldigende Erklärung zukommen zu lassen, deren Inhalt zuvor aber noch mit ihm, dem Dezernatsleiter, abgestimmt werden sollte. Der Beamte ging auf den Vorschlag ein.

Bereits am 20. November … legte er der … folgendes Schreiben vor:

Entwurf

„Oberregierungsrat … den 19. Nov. …

PK-Nr.: …

Herrn …

Leitenden Regierungsdirektor …

im Hause …

Betr: Personal …

Sehr geehrter Herr …

die zwischen uns bestehenden Mißhelligkeiten sind seitens gemeinsamer Vorgesetzter mit Bedauern und Beanstandung zur Kenntnis genommen worden und haben dort zu dem Wunsche nach einer umgehenden Beendigung derselben geführt. In dem Sinne legt mir Herr Regierungsdirektor … bei seinem letzten Besuche hier im Hause nahe, auch meinerseits einen Schritt in die gewünschte Richtung zu tun, indem ich etwas ausräume, was Ihre Empfindlichkeit trifft, nämlich dienstliche Äußerungen, die von Ihnen als der Vorwurf gedeutet werden, Sie hätten aufgrund einer rassistischen Einstellung eine in etwa pogromhafte Haltung mir gegenüber an den Tag gelegt. Dieser Vorwurf ist in der Art nicht erhoben worden, vielmehr waren derartige Annahmen erkennbar nur als subjektiver Versuch geäußert worden, mir zu erklären, wieso Sie dazu kamen, über Monate hinweg bis jetzt ohne Zeichen des geringsten guten Willens alles zu unternehmen, um vor der beschränkten Öffentlichkeit Ihres Amtes meine menschliche und berufliche Stellung zu ramponieren. Es ist selbstverständlich so, daß eine wie auch immer geartete Motivlage für Ihr Verhalten an meiner Reaktion auf monatelang fortgesetzte Beleidigungen in gar keiner Weise Einfluß hat, vielmehr genügen mir die vorliegenden Tatbestände der formalen Beleidigungen vollständig, um mich zur Wehr zu setzen. Vollends nachdem Herr Regierungsdirektor … mir versichert hat, daß jahrelange dienstliche und kollegiale Kenntnis Ihrer Person jeden Verdacht einer Betätigung von Antisemiterei ausschließt, konnte zur Niederschrift des Beamten von mir erklärt werden, daß insoweit meinerseits keine Verdachtsmomente mehr vorliegen. Diese Erklärung könnte zeitlich inzwischen zu Ihrer Kenntnis gelangt sein und müßte genügen, die Beschwerde hinsichtlich Ihrer Empfindlichkeit auszuräumen, zumal Sie ja durch Ihr eigenes fortgesetztes schlechtes Benehmen den nächsten Anlaß zu Überlegungen gegeben haben, was eigentlich hinter Ihrer Aufführung steckt. Damit darf ich von dem Punkte Ihrer Empfindlichkeit auf die unerledigten Punkte meiner Empfindlichkeit überleiten:

Ich rufe die ungerechte dienstliche Behandlung in Erinnerung zurück, die zu meiner Dienstaufsichtsbeschwerde geführt hat. Bei der dienstlichen Rücksprache, die derselben unmittelbar voranging, haben Sie mir sowohl bei meinem Eintritt wie bei dem Verlassen Ihres Dienstraumes den Handschlag verweigert und damit eine persönliche Mißachtung zum Ausdruck gebracht. Zu dieser Formalbeleidigung waren Sie nicht berechtigt. Sie fand allerdings nicht vor Zeugen statt, so daß Sie sie, wie ich Sie inzwischen kenne, natürlich bestreiten werden. Unbestreitbar haben Sie aber Ihr schlechtes Benehmen mir gegenüber vor Zeugen fortgesetzt: Wenn Sie mir in Begleitung von Herrn … und/oder anderer Herren auf dem Wege zum oder vom Mittagessen begegneten und von mir stets höflich begrüßt wurden und werden, haben Sie diesen Gruß nicht erwidert und damit Ihre Mißachtenskundgebungen fortgesetzt, wofür nicht nur die Herren Ihrer, sondern auch meiner Begleitung Zeugen sind.

Sie haben dieses schlechte Benehmen ebenfalls an den Tag gelegt, wenn ich den Speiseraum betrat und den Anwesenden die Tageszeit bot. Mein Gruß wurde von allen Herren an Ihrem Tisch erwidert, jedoch nicht von Ihnen. Sie konnten sich also auch beim Essen nicht enthalten, Ihre Kundgabe von Mißachtung gegen meine Person anzubringen. Sie entgleisten noch weiter: Als ich in der letzten Woche den blinden Phonotypisten … begleitete, um ihm beim Mittagessen behilflich zu sein, folgten Sie in einiger Entfernung mit Herrn …, machten sich von Herrn … los, rannten hinter Herrn … und mir her und riefen laut mit haßverzerrtem Gesichtsausdruck „Mahlzeit, Herr …!”. Sie haben also, als ich einem Unglücklichen behilflich war, die Gelegenheit für passend befunden, Herrn … unter Übergehung meiner Person auffällig zu begrüßen. Sie wollten damit einen Affront mir gegenüber anbringen. Das ließ Sie sogar auf Höflichkeit gegenüber dem Sie regelmäßig begleitenden Herrn … verzichten. Es war aber auch eine Unhöflichkeit gegenüber Herrn …, weil eine Begrüßung unter Mißachtung einer Begleitperson hierzulande bedeutet, daß man den Begrüßten rügt, sich von einer so verächtlichen Begleitperson überhaupt begleiten zu lassen. Ihr Benehmen und die dahinterstehende Moral wörtlich zu charakterisieren, überlasse ich Berufeneren. Auf der gleichen Ebene liegt Ihre dienstliche Anordnung, Herrn Regierungsrat … in Ansehung der Kontakte zu den Prüfungsausschüssen für … als dienstältesten Beamten fungieren zu lassen. Diese Anordnung verrät nicht nur Ihre Impertinenz gegenüber vorgesetzten Behörden, sondern auch eine weitere öffentliche Mißachtung meiner Person in Verbindung mit einer beruflichen Herabsetzung, zu der so nur ein Disziplinarvorgesetzter berechtigt ist.

Wenn Sie geglaubt haben, daß Ihre bösartige Verfolgungswut mir gegenüber ohne Folgen bleibt, so haben Sie sich geirrt. Die von Ihnen mir gegenüber beharrlich an den Tag gelegte kriminelle Energie nötigt mich zu einer weitgehend vorbereiteten Privatklage, die Ihnen Gelegenheit geben wird, die Berechtigung Ihres Benehmens klarzustellen oder sich auf die Folgen desselben gefaßt zu machen. Ich habe mir jede unangemessene Handlung ihrerseits mit Ort, Uhrzeit und Zeugen schriftlich festgehalten. Ich habe mir auch die ladungsfähigen Anschriften der Zeugen beschafft, so daß ich keinen Anstand nehmen werde, Ihr halbes … als Zeugen gegen Sie vorladen zu lassen. Da bereits ein Kraftfahrergruß bei Tätern mittleren Einkommens DM 1.500,– kostet, haben Sie bei Ihren hartnäckig fortgesetzten Beleidigungen im Amt ca. 20.000,– DM Buße zuzüglich Anwalts- und Gerichtskosten als normales Prozeßrisiko zu erwarten. Eine Verurteilung dürfte auch nicht ohne disziplinare Folgen bleiben.

Ich hoffe, hiermit auch den Punkt meiner Empfindlichkeiten Ihnen gegenüber unmißverständlich geklärt zu haben.

Hochachtend”

Der Beamte hatte diesen „Entwurf” aber nicht nur der … zugeleitet, sondern er hatte ihn etwa zur selben Zeit auch schon dem betreffenden Vorgesetzten selbst, dem Leiter des …, zugänglich gemacht. Er hatte am 19. November … einen Durchschlag des von ihm gefertigten „Entwurfs” offen und damit so, daß alle übrigen Dienststellenangehörigen es sehen konnten, in den Postausgangskorb der Geschäftsstelle des … beim … gelegt und ein Schreiben beigefügt, das folgenden Wortlaut hatte:

„Oberregierungsrat … den 19. Nov. …

PK-Nr. …

An das …

– Leiter –

Betr.: Personalia …

Bezug: Besuch Reg. Dir. … bei mir …

Anlg.: – 1 – Entwurf

Herr Regierungsdirektor … hat in dem Wunsch, auf das Betriebsklima hier im Hause günstig einzuwirken, mir nahegelegt, mich mit Klarstellungen an Sie zu wenden, diese aber zunächst ihm im Entwurfswege zuzuleiten.

Diesem Wunsche komme ich umgehend nach.

Um nicht gegenüber einem Gegner aus dem Dunkel heraus zu operieren, füge ich eine Abschrift des Entwurfes zu Ihrer gef. Kenntnisnahme bei.

Oberregierungsrat”

Der Dezernatsleiter sah daraufhin jeden Schlichtungsversuch für aussichtslos an, und der Beamte wurde am 2. Januar … von … zum … abgeordnet und in der Folgezeit dorthin versetzt.

Die Abgabe des als „Entwurf” bezeichneten Schreibens in den Geschäftsgang des …, so daß es erwartungsgemäß dem Leiter des Amtes zugestellt wurde und auch zur Kenntnis Dritter gelangen konnte, war pflichtwidrig. Denn das Schreiben enthält eine Reihe von Passagen, die eindeutiger Ausdruck der Mißachtung sind. Wenn der Beamte seinen Vorgesetzten des fortgesetzten schlechten Benehmens, weiterer Entgleisungen, der Impertinenz gegenüber vorgesetzten Behörden, der bösartigen Verfolgungswut und der beharrlich an den Tag gelegten kriminellen Energie bezichtigt, wenn er ihn als durch und durch unaufrichtigen und unehrlichen Menschen kennzeichnet, weil er so, wie er, der Beamte, ihn inzwischen kenne, sich nur dann zur Wahrheit bequeme, wenn er durch Zeugen zu überführen sei, dann greift er den Vorgesetzten in unmißverständlicher und herabwürdigender Weise in der Ehre an; er beleidigt ihn und handelt damit seiner Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst (§ 54 Satz 3 BBG) ebenso zuwider wie der Pflicht zur Unterstützung Vorgesetzter (§ 55 Satz 1 BBG), ohne daß er sich auf Wahrnehmung von Interessen oder einen sonstigen Rechtfertigungsgrund berufen kann. Wohl hat ein Beamter das Recht, seinen Standpunkt klar zum Ausdruck zu bringen und mit Nachdruck zu vertreten und auch bei Kritik deutliche Worte zu finden; zu Ausfällen beleidigender Form oder Inhalts darf er sich nicht versteigen. Zur Wahrung der eigenen Position ist die Beleidigung weder erlaubt noch geeignet.

c) Der Beamte hat schuldhaft gehandelt. Denn von Schuldfähigkeit ist ohnehin im Regelfall auszugehen, und dafür, daß es hier ausnahmsweise anders wäre, ist nichts ersichtlich. Insbesondere auf Absencen kann sich der Beamte nicht mit Erfolg berufen. Schon in einem früheren Strafverfahren wegen Unfallflucht hatte er erfolglos auf Absencen verwiesen. Hier scheiden Absencen als Ursachen für beide Pflichtverletzungen aus, die dem Beamten zur Last gelegt werden, weil es sich in beiden Fällen um Fehlhandlungen von jeweils längerer Dauer gehandelt hat. Bei dem nach der Unterredung am 16. November … konzipierten und am 19. November … auf den Weg gebrachten „Entwurf” und bei dessen Übersendung unmittelbar auch an den Leiter des Amtes ist zudem den von ihm gewählten Formulierungen, dem zielgerichteten Vorgehen und der später abgegebenen Erklärung, durchaus richtig verfahren zu sein, zu entnehmen, daß er in vollem Bewußtsein gehandelt hat. Ihn trifft insgesamt der Vorwurf eines vorsätzlich begangenen Dienstvergehens (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG).

3. Dieses Dienstvergehen wiegt schwer.

Das gilt zunächst für die hier im Vordergrund der disziplinaren Betrachtung stehenden beleidigenden Äußerungen gegenüber dem Vorgesetzten, dem Leiter des …. Denn Spannungen und Streit zwischen den Bediensteten einer Behörde sind für den Ablauf der Dienstgeschäfte zumeist außerordentlich belastend. Sie binden und verzehren Energien der streitbefangenen Dienstkräfte, die sonst der Erfüllung der Dienstobliegenheiten zugute gekommen wären und hierzu in Erfüllung der vollen Hingabepflicht (§ 54 Satz 1 BBG) auch benötigt werden, und lenken so von reibungsloser und ordnungsgemäßer Erledigung der Dienstobliegenheiten ab. Deshalb ist es ein ebenso legitimes wie dringendes Anliegen eines jeden Vorgesetzten, den Betriebsfrieden zu fördern und zu erhalten, und, sollte er gestört sein, für schnellstmögliche Wiederherstellung zu sorgen. Das Gebot effektiver und sparsamer Verwaltung erfordert das zwingend und läßt keine andere Möglichkeit zu. Wer dieses Bemühen um Ausgleich stört und durch beleidigende Äußerungen gegenüber Vorgesetzten oder Mitarbeitern das betriebliche Klima schuldhaft belastet, macht sich einer schweren Pflichtwidrigkeit schuldig.

Von nicht wesentlich minderem Gewicht ist aber auch das schuldhaft unerlaubte Fernbleiben des Beamten vom Dienst. Das Gebot nämlich, wenigstens überhaupt zum Dienst zu erscheinen, ist Grundpflicht eines jeden Beamten. Ohne die Dienstleistung ihrer Mitarbeiter wäre die Verwaltung außerstande, die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Das Fernbleiben stört auch das Vertrauensverhältnis. Denn einem Beamten, der ohne triftigen Grund nicht zum Dienst erscheint, kann nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine gedeihliche Zusammenarbeit im Dienst unerläßlich ist. Verweigert der Beamte den Dienst für einen längeren Zeitraum oder wiederholt auch für kürzere Zeitspannen, dann kann dem Dienstherrn deshalb die Weiterbeschäftigung grundsätzlich nicht zugemutet werden. Das muß insbesondere im Hinblick darauf gelten, daß die Pflicht zur Dienstausübung für niemanden zweifelhaft, im Gegenteil ohne weiteres erkennbar ist. Wer sich gleichwohl über das Pflichtengebot hinwegsetzt, offenbart ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit, Pflichtvergessenheit und Mangel an Einsicht in die Notwendigkeiten einer geordneten Verwaltung.

Beim Disziplinarmaß ist zunächst davon auszugehen, daß der Beamte, dessen Familie bis … verfolgt und der selbst nach 1945 auch als Verfolgter des NS-Regimes anerkannt worden ist, aus seinen in der Jugend geprägten Erfahrungen heraus offenbar unter einem Verfolgungstrauma zu leiden hat und besonders empflindliche Reaktionen zeigt, wenn er auf eine das Schicksal der wie er damals Verfolgten nicht oder nicht genügend berücksichtigende Einstellung zu stoßen meint. Andererseits müßten ihn eigene leidvolle Erfahrungen aber auch besonders sensibel gemacht haben gegenüber Kränkungen und Herabsetzungen, die durch Beleidigung, Verleumdung oder üble Nachrede herbeigeführt werden. Hiervon ist jedoch nichts zu spüren. Im Gegenteil: Fallen schon sein als „Entwurf” bezeichnetes Schreiben vom 19. November … und dessen Übersendung an den von seinen Schmähungen betroffenen Vorgesetzten in einen Zeitraum, in dem Vertreter der vorgesetzten Dienststelle, der …, mit seinem Wissen und mit seiner Billigung um einen Ausgleich des gespannten Verhältnisses zwischen ihm und seinem Amtsleiter bemüht waren, ist sein dieses Bemühen absichtlich störendes und deshalb objektiv unmöglich machendes Verhalten, das ihm als Anschuldigungsvorwurf Nr. 2 zur Last gelegt wird, daher schon aus diesem Grunde als besonders verwerflich anzusehen, so hat der Beamte das Vorgesetzte, Kollegen und andere Dritte diffamierende Verhalten in der Folgezeit auch in vielfacher Weise noch fortgesetzt. So bezichtigt er etwa in der Berufungsschrift das Bundesdisziplinargericht der Manipulation, um seinen, des Beamten, Vorgesetzten gefällig zu sein; so behauptet er, das Bundesdisziplinargericht habe Beweise nicht erhoben oder gar unterdrückt, sobald sie zu seinem Vorteil gewesen wären, und so führt er aus, es sei sich der „abgeschmacktesten Haarspalterei” nicht zu schade gewesen, wenn dies nur zu seinem, des Beamten, Nachteil gewesen sei. Dies und andere Erklärungen in seiner Berufungsschrift grenzen zumindest an den Vorwurf, das Bundesdisziplinargericht habe sich der Rechtsbeugung schuldig gemacht.

Aber nicht nur das Bundesdisziplinargericht wird in der Berufungsbegründung verächtlich gemacht: der Bundesdisziplinaranwalt wird der Falschaussage im Dienst bezichtigt, die vor den Strafrichter gehöre; und über Regierungsdirektor … von der …, der sich damals als zuständiger Dezernent eingeschaltet und um Vermittlung zwischen dem Beamten und dem Leiter des … bemüht hat, wird gesagt, daß er „eine Art Freissler-Schau” abgezogen und die „Allüren eines Schmierenkomödianten” an den Tag gelegt habe. Dies und andere Passagen aus der Berufungsschrift lassen eine Neigung des Beamten zur Diffamierung Dritter und zu ehrverletzenden Äußerungen erkennen, obwohl er sich – zahlreiche seiner bei den Akten befindlichen Eingaben verdeutlichen dies – durchaus gewählt auszudrücken und seine Worte wohl abzuwägen versteht. Das Vorgehen des Beamten läßt fehlende Einsicht erkennen, seine sichtbar gewordene. Neigung läßt keine günstige Prognose zu.

Aber auch der Vorwurf schuldhaft unerlaubten Fernbleibens vom Dienst ist nicht von geringem Gewicht. Denn geht es auch nur um den verhältnismäßig kurzen Zeitraum von knapp drei Arbeitstagen und mag dem Beamten ferner zugute zu halten sein, daß er in jener Zeit gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe gewesen ist: die Bedeutung des Fehlverhaltens erhöht sich allein dadurch, daß an zwei der versäumten drei Arbeitstagen Ausschußsitzungen anberaumt waren und daß die Unterrichtung der von den notwendig gewordenen Terminsverschiebungen betroffenen Personen zum Teil schwierig, zum Teil rechtzeitig überhaupt nicht mehr möglich gewesen ist, so daß Gelder aus Haushaltsmitteln der Verwaltung zur Abgeltung vergeblichen Aufwands gezahlt werden mußten.

Zu Unrecht macht der Beamte geltend, der Dienstherr habe seine Fürsorgepflicht ihm gegenüber lange Zeit allein dadurch verletzt, daß er ihn von seiner norddeutschen Heimat ferngehalten und deshalb zu langen Reisen an Wochenenden gezwungen habe. Der Beamte ist mit seinem Einverständnis von der … in … in den Dienst der … eingestellt worden, weil dort Bedarf an Kräften des höheren Dienstes und damit auch an der Dienstleistung des Beamten bestand. Er konnte daher nur damit rechnen, im … eingesetzt zu werden, nicht aber damit, alsbald an ganz anderen Orten Verwendung zu finden. Im übrigen ist es nicht richtig, daß er sich stets um seinen dienstlichen Einsatz in Heimatnähe bemüht, indes vergeblich um Gehör bei seinem Dienstherrn gebeten hätte. Noch im Jahre … hat er nämlich erklärt, in … bleiben zu wollen, und im September … hat er sich ausdrücklich um Verwendung im süddeutschen Raum bemüht. Die Schuld dafür, daß er zum Besuch seines Heimatorts jeweils eine beträchtliche Strecke zurücklegen mußte, bei seinem Dienstherrn zu suchen, ist sonach in keiner Weise berechtigt.

Die vom Bundesdisziplinargericht verhängte Gehaltskürzung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das Gewicht des Dienstvergehens und die erkennbar gewordene Neigung des Beamten, Vorgesetzte und Mitarbeiter zu diffamieren und das Betriebsklima zu belasten, zwingen zu einer Disziplinarmaßnahme, die für eine längere Zeit spürbar ist und dem Beamten während dieser Zeit durch ihre finanziellen Folgen immer wieder vor Augen führt, daß er dienstrechtlich schwer versagt hat und seine Stellung als Beamter gefährden könnte, wenn er sich weiter nicht, einsichtig zeigen und erneut in gleicher oder ähnlicher Weise durch schuldhaftes Fehlverhalten Anlaß zu disziplinarem Einschreiten geben würde. Auch daß der Beamte der Laufbahn des höheren Dienstes angehört, die zu besonders vorbildlichem Verhalten verpflichtet, weil sich die nachgeordneten Kräfte am Verhalten ihrer Vorgesetzten zu orientieren und sie zum Maßstab für ihr eigenes dienstliches Verhalten zu machen pflegen, lassen eine spürbare disziplinare Reaktion unerläßlich erscheinen. Andererseits können die Tatsache, daß die Leistungen des Beamten in seiner gesamten Dienstzeit niemals ungünstig zu beurteilen waren, sowie der Umstand, daß seit seiner Versetzung zum … keine Klagen mehr laut geworden sind, zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Zu einer Herabsetzung der vom Bundesdisziplinargericht verhängten Gehaltskürzung nach Bruchteil oder nach Dauer können diese Gesichtspunkte im Hinblick auf das Gewicht des Dienstvergehens allerdings keinen Anlaß geben, zumal eine mit einer Mißbilligung verbundene Einstellungsverfügung des Präsidenten der … und eine an Stelle einer Gehaltskürzung erlassene Einstellungsverfügung desselben Dienstvorgesetzten, die beide noch berücksichtigungsfähig sind (vgl. § 119 BDO), nicht in dem Sinne auf den Beamten einzuwirken vermochten, daß dieser fortan jegliches pflichtwidrige Verhalten unterließ.

Es hat daher bei der durch das angefochtene Urteil verhängten Gehaltskürzung sein Bewenden. Die Vorschrift des § 4 BDO steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen. Nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens wird die Frist des § 4 Abs. 2 BDO von der Zeit zwischen der letzten Einzelverfehlung und der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens bestimmt. Die Dreijahresfrist hätte daher erst im November … geendet, war demnach bei Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens am 12. März … (vgl. § 33 Satz 4 BDO) noch nicht abgelaufen.

4. Bei dem höchst hilfsweise gestellten Aufrechnungsantrag des Beamten handelt es sich um ein Begehren, das weder in der Berufungsinstanz noch überhaupt im förmlichen Disziplinarverfahren geltend gemacht und berücksichtigt werden kann. Das förmliche Disziplinarverfahren dient in seinem gerichtlichen Abschnitt einzig der Klärung, ob sich der beschuldigte Beamte des ihm vom Bundesdisziplinaranwalt angelasteten Dienstvergehens schuldig gemacht und welche nach dem Katalog des § 5 Abs. 1 BDO gesetzlich vorgesehene Disziplinarmaßnahme dies bejahendenfalls zur Folge hat. Von der Frage, ob und gegebenenfalls welche Ansprüche dem Beamten gegen seinen Dienstherrn zustehen, werden diese Gesichtspunkte nicht betroffen. Die Erklärung der Aufrechnung kann sonach nicht zum Gegenstand des förmlichen Disziplinarverfahrens gemacht werden.

5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 116 Abs. 1, 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.

 

Unterschriften

Janzen, Dr. Hartmann, Pellnitz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1476582

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