Entscheidungsstichwort (Thema)

Besoldung, abgesenkte – im Beitrittsgebiet. –  ruhegehaltsfähiger Zuschuss zur abgesenkten –. Befähigungsvoraussetzungen, Begriff der – nach § 4 2. BesÜV. – örtlicher Bezug der –. Schulabschluss, allgemeinbildender – als Befähigungsvoraussetzung. Vorbildung, allgemeinbildender Schulabschluss als –

 

Leitsatz (amtlich)

Der in § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV verwandte Begriff “Befähigungsvoraussetzungen” umfasst lediglich alle spezifisch fachbezogenen Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen der jeweiligen Laufbahn. Dazu gehört nicht der für die Tätigkeit als Beamter im gehobenen Justizdienst geforderte Schulabschluss.

Die Befähigungsvoraussetzungen sind “im” bisherigen Bundesgebiet erworben worden, wenn der Ausbildungsort bzw. der Dienstort während der Ausbildung im bisherigen Bundesgebiet gelegen hat (wie Urteil vom 11. März 1999 – BVerwG 2 C 24.98 – Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 3).

Die Zuschussregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV a.F. ist mit höherrangigem Recht vereinbar (wie BVerwGE 101, 116).

 

Normenkette

2. BesÜV §§ 1-2, 4 Fassung 1993/1997; BRRG § 13

 

Verfahrensgang

VG Halle (Saale) (Urteil vom 26.01.1999; Aktenzeichen 3 A 68/95)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 26. Januar 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

I.

Der 1968 im Beitrittsgebiet geborene Kläger begehrt die Zahlung eines ruhegehaltfähigen Zuschusses nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung (2. BesÜV).

Er besuchte im Beitrittsgebiet eine zehnklassige polytechnische Oberschule und absolvierte eine Lehre als Zimmermann. Im Jahre 1991 schloss er mit dem Land Sachsen-Anhalt einen Vertrag über die Ausbildung zum Rechtspfleger, die sich nach der Niedersächsischen Ausbildungsordnung für Rechtspfleger richten und aus einem dreijährigen Studium an der Niedersächsischen Fachhochschule für Verwaltungs- und Rechtspflege in Hildesheim bestehen sollte. Während dieser Ausbildung wurde der Kläger im Oktober 1991 durch das Justizministerium des Landes Sachsen-Anhalt zum Beamten auf Widerruf ernannt. Nachdem er die Abschlussprüfung bestanden hatte, wurde er als Beamter auf Probe in den Justizdienst des Landes Sachsen-Anhalt übernommen. Fortan erhielt er Dienstbezüge gemäß § 2 2. BesÜV. Das Regierungspräsidium Halle lehnte seinen Antrag auf Zahlung eines ruhegehaltfähigen Zuschusses in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV ab.

Das Verwaltungsgericht hat der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage stattgegeben. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil aufgehoben und die Klage mit Urteil vom 20. Januar 2000 – BVerwG 2 C 12.99 – (DVP 2000, 171) mit der Begründung abgewiesen, der in § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV verwandte Begriff “Befähigungsvoraussetzungen” umfasse auch die dienstrechtlich geforderten Vorbildungsvoraussetzungen. Das Bundesverfassungsgericht hat auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluss vom 19. November 2003 – 2 BvR 538/00 – (ZBR 2004, 169) das Urteil aufgehoben und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 26. Januar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Nach Auffassung des Vertreters des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat der Kläger keinen Anspruch auf den Zuschuss nach § 4 2. BesÜV, weil er im Beitrittsgebiet zum Beamten auf Widerruf ernannt worden ist.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Beklagten, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf den begehrten ruhegehaltfähigen Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge gemäß § 4 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung – 2. BesÜV –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBl I S. 778) und mit (Rück-)Wirkung ab dem 1. Juli 1991 ergänzt durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung vom 23. August 1994 (BGBl I S. 2186).

Diesen Zuschuss erhalten Beamte, Richter und Soldaten mit Anspruch auf Besoldung, wenn sie aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet oder im Ausland erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt werden und für die Gewinnung ein dringendes dienstliches Bedürfnis besteht.

Der Kläger hatte seit dem 18. April 1994 Anspruch auf Besoldung. Er stand zwar bereits während seines Vorbereitungsdienstes in einem Dienstverhältnis zu dem Land Sachsen-Anhalt. Als Beamter auf Widerruf erhielt er jedoch keine Dienstbezüge, sondern sonstige Bezüge (vgl. § 59 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 BBesG). Seit seiner Ernennung zum Beamten auf Probe am 18. April 1994 gehört der Kläger zu den von § 1 und § 2 Abs. 1 2. BesÜV erfassten Beamten und erhält abgesenkte Dienstbezüge, die jedenfalls für die Zeit ab 1993 keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (vgl. BVerfGE 107, 257 ≪268 f.≫ unter Hinweis auf BVerfGE 107, 218 ff.; BVerfG, Beschluss vom 13. November 2003 – 2 BvR 1883/99 – ZBR 2004, 100; BVerwG, Urteile vom 25. April 1996 – BVerwG 2 C 27.95 – BVerwGE 101, 116 ≪120 ff.≫ und vom 11. März 1999 – BVerwG 2 C 24.98 – Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 3 S. 6).

Der Kläger hat den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen Dienstes als Befähigungsvoraussetzung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV a.F. im bisherigen Bundesgebiet absolviert. Dies ist nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Systematik der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ausschließlich ortsbezogen zu beurteilen. Es kommt daher maßgeblich darauf an, ob der Beamte, Richter oder Soldat die als Befähigungsvoraussetzungen bestimmten Ausbildungen und Prüfungen an einem Ort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland außerhalb der Grenzen der in Art. 3 EV genannten Länder und Landesteile absolviert hat. Sinn und Zweck des § 4 2. BesÜV alter und neuer Fassung (vgl. Art. 1 Nr. 1 Vierte Besoldungsübergangs-Änderungsverordnung vom 17. November 1997 ≪BGBl I S. 2713≫) bestehen darin, die Bereitschaft von Fachkräften aus dem bisherigen Bundesgebiet zu einer Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung, der Rechtspflege und der Bundeswehr im Beitrittsgebiet zu fördern (vgl. BRDrucks 215/91 S. 22, 26; Urteil vom 25. April 1996 – BVerwG 2 C 27.95 – a.a.O. S. 119). Die Vorschrift enthält sich jeglicher Bewertung der Qualität von Ausbildung, von Vorbildungs- und Ausbildungsabschlüssen sowie der Eignung, Leistung und fachlichen Befähigung des begünstigten Personenkreises. Die Gleichwertigkeit der Vor- und Ausbildungen im bisherigen Bundesgebiet und dem Beitrittsgebiet wird vielmehr ohne weiteres vorausgesetzt (vgl. z.B. §§ 13 ff., 122 BRRG). Der Zuschuss hat ausschließlich mobilitätsfördernden Charakter (vgl. dazu im Einzelnen Urteil vom 11. März 1999 – BVerwG 2 C 24.98 – a.a.O. S. 3 f.); es sollte qualifiziertes Personal gewonnen werden, das in den neuen Ländern zum sofortigen Aufbau einer rechtsstaatlichen Verwaltung und Rechtspflege entsprechend den Vorgaben des Art. 20 EV dringend benötigt worden ist. Gleichzeitig sollte durch die Gewinnung von Fachkräften aus dem bisherigen Bundesgebiet das Vertrauen der Bürger der neuen Länder in Justiz und Verwaltung gestärkt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 2003 – BvR 1883/99 – a.a.O. unter Hinweis auf BRDrucks 215/91 S. 1 f., 22). Nicht entscheidend ist die dienstrechtliche Verbindung eines Bediensteten zu einer Behörde oder einem Dienstherrn mit Gebietshoheit (vgl. dazu im Einzelnen Urteil vom 11. März 1999 – BVerwG 2 C 24.98 – a.a.O.). Es ist daher unerheblich, dass der Kläger seinen Vorbereitungsdienst statusrechtlich als Beamter auf Widerruf des Landes Sachsen-Anhalt absolviert hat.

Der Schulabschluss des Klägers entspricht der nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BRRG geforderten Zulassungsvoraussetzung für die Laufbahn des gehobenen Dienstes. Dass er diese Laufbahnvoraussetzung im Beitrittsgebiet und nicht im bisherigen Bundesgebiet erworben hat, steht der Anwendung der Zuschussregelung nicht entgegen. Zwar ist der Begriff der “Befähigungsvoraussetzungen” im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV weiter als derjenige der “Befähigung” im Sinne von § 2 Abs. 2 BLV. Während die Laufbahnbewerber die Laufbahnbefähigung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BLV in der Regel mit dem Ableisten des Vorbereitungsdienstes und dem Bestehen der vorgeschriebenen Laufbahnprüfung erwerben, gehören zu den “Befähigungsvoraussetzungen” des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV a.F. in Anlehnung an das Laufbahnrecht alle Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen, die die spezifisch fachbezogene Vorbildung für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben vermitteln (vgl. BVerfGE 107, 257 ≪272≫; BVerfG, Beschluss vom 13. November 2003 – 2 BvR 1883/99 – a.a.O.), so dass der Kläger nicht sämtliche Befähigungsvoraussetzungen im bisherigen Bundesgebiet erworben hat. Der Anspruch auf die Zulage nach § 4 2. BesÜV entfällt aber dann nicht, wenn die im Beitrittsgebiet erlangten Befähigungsvoraussetzungen nicht unmittelbar der Gewinnung qualifizierten Personals dienen, um mit dem Einsatz dieser Fachkräfte im Beitrittsgebiet das Vertrauen der dortigen Bürger in Justiz und Verwaltung zu stärken. Der Begriff der Befähigungsvoraussetzungen im Sinne des § 4 2. BesÜV ist daher so auszulegen, dass er lediglich alle spezifisch fachbezogenen Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen in der jeweiligen Laufbahn umfasst.

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 13. November 2003 – 2 BvR 1883/99 – a.a.O., an die der Senat gebunden ist, gehört zu diesen fachbezogenen Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen nicht der nach dem Laufbahnrecht erforderliche Abschluss einer allgemeinen Schule oder einer Berufsausbildung, die nach den laufbahnrechtlichen Vorschriften an die Stelle des Abschlusses einer bestimmten allgemeinbildenden Schule treten kann. Zwar handelt es sich bei dem Abschluss einer allgemeinbildenden Schule oder einer entsprechenden Berufsausbildung um eine laufbahnrechtlich vorausgesetzte Vorbildung (vgl. § 13 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 BRRG), die allgemeine Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, auf denen die weitere laufbahnbezogene Ausbildung aufbaut. Ihre Bildungsinhalte sind in der Regel jedoch nicht fachbezogen und befähigen nicht unmittelbar zur Wahrnehmung von Amtsaufgaben. Der allgemeinen Schulausbildung oder einer als gleichwertig angesehenen Berufsausbildung kommt damit für den mit der Zuschussregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV a.F. verfolgten Zweck, ausreichend qualifiziertes Fachpersonal für den unverzüglichen Aufbau einer leistungsfähigen rechtsstaatlichen Verwaltung und Rechtspflege in den neuen Ländern zu gewinnen, nicht die vom Gesetz vorausgesetzte Bedeutung zu. Die fachliche Qualifikation, auf die es insofern ankommt, wird regelmäßig erst durch den Vorbereitungsdienst und – soweit vorgeschrieben – die Laufbahnprüfung erworben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 2003 – 2 BvR 1883/99 – a.a.O.). Zwischen einem Beamten des gehobenen Dienstes wie dem Kläger, der seinen Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung im bisherigen Bundesgebiet absolviert, aber im Beitrittsgebiet die polytechnische Oberschule besucht hat, und einem hinsichtlich seiner Ausbildung vergleichbaren Beamten, der über einen in den alten Ländern erworbenen entsprechenden Schulabschluss verfügt, bestehen im Hinblick auf die fachliche Qualifikation keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine Versagung des Zuschusses und damit eine Ungleichbehandlung im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes sachlich rechtfertigen könnten (vgl. dazu im Einzelnen BVerfG, Beschluss vom 13. November 2003 – 2 BvR 1883/99 – a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

 

Unterschriften

Prof. Dawin, Dr. Kugele, Dr. Müller, Groepper, Dr. Bayer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1251181

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