Entscheidungsstichwort (Thema)

Befugnisse der Stiftungsaufsicht gegenüber einer Stiftung. die satzungsgemäß eine Privatschule betreibt

 

Leitsatz (amtlich)

  • Einer Stiftung, deren Zweck im Betrieb einer Privatschule besteht, stehen über Art. 19 Abs. 3 GG die Grundrechte nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG zu.
  • Dies schließt eine Stiftungsaufsicht auch in der Form nicht aus, daß die Wirksamkeit wesentlicher Rechtsgeschäfte von der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde abhängig gemacht wird.
  • Grundlage für die Entscheidung der Stiftungsaufsichtsbehörde darf dabei aber ausschließlich die Erfüllung des Stiftungszwecks im Rahmen der Gesetze sein. Öffentliche Interessen sind bei der Genehmigungsprüfung nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in der Stiftungssatzung selbst begründet sind oder sich doch zumindest unmittelbar oder mittelbar aus dem Stiftungszweck ergeben.
 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 7 Abs. 4 S. 1, Art. 19 Abs. 3; Bayerisches Stiftungsgesetz vom 26. November 1954 (Bayer. GVBl. S. 301) Art. 1; Bayerisches Stiftungsgesetz vom 26. November 1954 (Bayer. GVBl. S. 301) Art. 2; Bayerisches Stiftungsgesetz vom 26. November 1954 (Bayer. GVBl. S. 301) Art. 22; Bayerisches Stiftungsgesetz vom 26. November 1954 (Bayer. GVBl. S. 301) Art. 23 Abs. 1 S. 2; Bayerisches Stiftungsgesetz vom 26. November 1954 (Bayer. GVBl. S. 301) Art. 31 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Urteil vom 02.03.1970; Aktenzeichen 18 V 68)

VG München (Urteil vom 14.05.1968)

 

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. März 1970 wird aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. Mai 1968 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin, eine Stiftung des bürgerlichen Rechts, betreibt das Landerziehungsheim Neubeuern. Ihre Organe sind der Schulvorstand und das Kuratorium. Das Kuratorium bestellt die Mitglieder des Schulvorstands und vertritt die Stiftung bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit den Mitgliedern des Vorstandes.

Das Kuratorium bestellte den beigeladenen Oberstudienrat zum Vorsitzenden des Schulvorstands und sicherte ihm dafür u. a. folgende Leistungen zu: 1) Gehaltszahlung in Höhe der für Oberstudiendirektoren an Schulen normaler Größe im Freistaat Bayern geltenden Besoldungsgruppe einschließlich Ortszuschlag und Kindergeld, 2) Nebenleistungen wie Beihilfen nach den Vorschriften der Beamtenbesoldungsordnung, 3) Zahlungen von Versorgungsbeiträgen an den Freistaat Bayern, 4) angemessene freie Dienstwohnung im Schloß Neubeuern, 5) als Vorstandszusatzgehalt die laufende Zahlung der Differenz zwischen der für Oktober 1966 zu leistenden Gehaltszahlung nach Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge einerseits und den Betrag von 2 000 DM netto pro Monat andererseits, 6) freie Heimverpflegung, soweit der Beigeladene sie persönlich mit Schülern, Mitarbeitern oder Gästen der Stiftung gemeinsam einnimmt. Außerdem gab die Stiftung dem Beigeladenen in dem Dienstvertrag die Möglichkeit, eine von ihm gewünschte Verwendung im Auslandsschuldienst wahrzunehmen, jedoch frühestens ab 1. Januar 1968 und höchstens auf die Dauer von drei Jahren. Dem Beigeladenen wurde in dem Vertrag Urlaub in Höhe von 2/3 der jeweiligen Schulferien eingeräumt.

Das Kuratorium beantragte bei der Regierung von Oberbayern die stiftungsaufsichtsrechtliche Genehmigung des Dienstvertrags. Diese versagte die Genehmigung durch Verfügung vom 14. August 1967 insoweit, als das dem Beigeladenen zugebilligte Gesamtgehalt die Bezüge der Besoldungsgruppe A 15 zuzüglich der doppelten Stellenzulage, wie sie Leitern besonders großer und bedeutender Schulen gewährt wird, übersteigt und dem Beigeladenen zugestanden wird, seine Tätigkeit zu unterbrechen und im Auslandsschuldienst tätig zu werden. Zur Begründung machte die Regierung u. a. geltend, die vorgesehene Vergütung sei aus wirtschaftlichen und besoldungspolitischen Gründen nicht zu vertreten. Sie verletze das Sparsamkeitsprinzip. Die Stiftung vermöge finanziell nur weiterzubestehen, weil sie laufend erhebliche staatliche Zuwendungen erhalte. Dies wiederum gebiete, keine allzu großen Abweichungen von den Besoldungsverhältnisse in vergleichbaren öffentlichen Schulwesen zuzulassen.

Nachdem die Regierung den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen hatte, hat die Klägerin Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht München hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diese Entscheidung jedoch aufgehoben und die Klage in wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen:

Der Genehmigungsvorbehalt räume der Regierung ein Mitwirkungsrecht ein, das diese nach pflichtgemäßem Ermessen auszuüben habe. Es könne unentschieden bleiben, ob bei der Ausübung dieses Ermessens auch übergeordnete Belange wie die Wahrung der Besoldungseinheit berücksichtigt werden dürften, weil bereits die von der Regierung in erster Linie angestellten Erwägungen, die ausschließlich die Belange der Stiftung beträfen, die angefochtene Entscheidung trügen. Da der einzige Zweck der Stiftung der Betrieb einer höheren Schule sei, sei es nicht zu beanstanden, daß die Regierung bei ihren Erwägungen an die Besoldung der Lehrer an staatlichen Schulen angeknüpft habe. Sachgerecht sei auch die Überlegung der Regierung, daß mit Rücksicht auf die in den Jahren 1964 und 1965 aufgetretenen Verluste von etwa je 70 000 DM bei Eingehung neuer laufender Verpflichtungen Zurückhaltung geboten sei. Es mache die Entscheidung der Regierung nicht ermessensfehlerhaft, daß diese die wirtschaftlichen Auswirkungen anders eingeschätzt habe, als das Kuratorium der Stiftung. Auch wenn im Einzelfall die Überlegungen der Stiftungsaufsichtsbehörde nicht denen des Stiftungsorgans entsprächen, sei die Entscheidung der Behörde deshalb noch nicht ermessensfehlerhaft. Auf die weitere Begründung des die Genehmigung ablehnenden Bescheids, daß die vorgesehene Möglichkeit einer längeren Beurlaubung des Beigeladenen zum Zwecke der Aufnahme einer Tätigkeit im Ausland nicht mit den Interessen der Stiftung vereinbar sei, brauche nicht näher eingegangen zu werden, weil die Vertragsparteien offensichtlich an dieser Klausel des Vertrags nicht mehr festhalten wollten.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt.

Sie beantragt,

das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München zurückzuweisen.

Das Berufungsgericht habe den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt. Es habe ihre unter Beweis gestellte Behauptung nicht gewürdigt, daß sie mehrere Jahre erfolglos nach einer geeigneten Persönlichkeit gesucht und nur der Beigeladene den Erfordernissen der Stelle entsprochen habe. Die ablehnenden Bescheide des Beklagten und das Berufungsurteil verletzten Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG, weil sie sie darin hinderten, sich ihrer Satzung entsprechend frei zu entwickeln. Sie verstießen gegen Art. 7 Abs. 4 GG, da sie die von ihr betriebene Privatschule ernstlich gefährdeten, und gegen Art. 3 GG; denn die Stiftungsaufsicht unterwerfe sie stärkeren Einschränkungen als andere juristische Personen. Schließlich sei zu rügen, daß das Berufungsgericht auch Art. 14 Abs. 1 GG nicht berücksichtigt habe.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er wendet sich gegen die Rechtsausführungen der Klägerin und verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Beigeladene ist inzwischen aus den Diensten der Klägerin ausgeschieden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Obwohl der Beigeladene inzwischen aus den Diensten der Klägerin ausgeschieden ist, hat die Klägerin insoweit auch jetzt noch ein rechtliches Interesse an der Genehmigung des zwischen ihr und dem Beigeladenen abgeschlossenen Vertrages, als sie wissen muß, inwieweit sie den mit dem Beigeladenen abgeschlossenen Vertrag zu erfüllen hat.

Ihre Revision ist begründet.

Die Auslegung des Art. 31 Abs. 1 Nr. 6 des bayerischen Stiftungsgesetzes vom 26. November 1954 (Bayer. GVBl. S. 301) durch das Berufungsgericht steht im Widerspruch zu Art. 2 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG.

Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Obwohl die Grundrechte in erster Linie den Bürger gegen die Eingriffe der staatlichen Gewalt schützen sollen, schließt das ihre Anwendung auf solche juristischen Personen, die nicht Vereinigungen von natürlichen Personen sind, nicht grundsätzlich aus (vgl. BVerfGE 3, 383 [391]). Gerade eine Stiftung, die als ständige Einrichtung bei der Gestaltung von Gegenwart und Zukunft mitwirken soll, bedarf für die Betätigung im Rahmen dieser ihr vom Stifter gesetzten Aufgabe des Schutzes der Grundrechte gegen unberechtigte Eingriffe des Staates. Das wird im Schrifttum namentlich bei der Prüfung der Anwendbarkeit des Art. 2 Abs. 1 GG auf Stiftungen auch überwiegend bejaht (vgl. Bonner Kommentar, Dagtoglou, Art. 13 Randnr. 35; Brinkmann, Grundrechtskommentar zum Grundgesetz, 1967, Art. 19 Anm. I 6a ß; Soergel-Siebert-Schultze-v. Lasaulx, BGB, 10. Auflage, Randnr. 39 vor § 80; Liermann, Deutsches Stiftungswesen von 1948 bis 1966, 1968, S. 211 ff., 221; Feiler, Das Bonner Grundgesetz und die juristischen Personen als Träger von Grundrechten, Diss. München 1963, S. 8 f., 23, 76; Toepke, Staatsaufsicht über Stiftungen im deutschen und anglo-amerikanischen Recht, Diss. Hamburg 1967, S. 65, 79; zweifelnd Maunz-Dürig-Herzog, GG, Kommentar, Art. 19 Abs. 3 Randnr. 6). Ganz besonders gilt das für eine Stiftung, deren Zweck in dem Betrieb einer nach ganz bestimmten pädagogischen Grundsätzen geprägten Privatschule besteht, weil ihr nur so die Wahrung des den Stifterwillen entsprechenden individuellen Charakters ermöglicht wird (vgl. Strickrodt, NJW 1962, 1480 [1483]).

Daran ändert nichts, daß die Klägerin nach Art. 1 Abs. 3 des bayerischen Stiftungsgesetzes als “öffentliche” Stiftung anzusehen ist. Diese Klassifizierung, die es im Bundesrecht nicht gibt, bedeutet nur, daß die Stiftung öffentlichen Zwecken zu dienen bestimmt ist. Sie ändert aber nichts an der Rechtsnatur der Klägerin als juristische Person des bürgerlichen Rechts. Die Frage, ob und inwieweit juristische Personen des öffentlichen Rechts Grundrechte in Anspruch nehmen können (vgl. dazu BVerfGE 15, 256 [262]; 21, 362 [369, 370]), kann daher vorliegend dahingestellt bleiben.

Wenn aber die Grundrechte in der Regel nach Art. 19 Abs. 3 GG auch für inländische Stiftungen gelten, dann muß die Stiftung das Recht des Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit geltend machen können (BVerfGE 10, 89 [99]; 10, 221 [225]; 19, 206 [215]; 20, 323 [336]; 23, 12 [30]; 29, 260 [265 f.]). Dabei ist davon auszugehen, daß das Wort “Persönlichkeit” in dieser Bestimmung die Freiheitsrechte nicht auf individuell wertbetonte Handlungen des Einzelnen beschränkt, sondern eine allgemeine Handlungsfreiheit u. a. auch in wirtschaftlicher Hinsicht völlig wertneutral gewährt, die ihre Grenzen nur an den Rechten Dritter, der verfassungsmäßigen Ordnung oder dem Sittengesetz findet (vgl. hierzu die zusammenfassende Darstellung von Klein in BayVerwBl. 1971, 125).

Desgleichen kann sich die Klägerin auf ihr Grundrecht aus Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG berufen. Es spricht alles dafür, Stiftungen, ebenso wie natürlichen und juristischen Personen, die Vereinigungen von natürlichen Personen sind, das Recht zur Einrichtung von privaten Schulen zu geben; denn für die Gewährleistung des Rechts zur Errichtung von privaten Schulen ist es ohne Bedeutung, in welcher Rechtsform diese betrieben werden.

Die Handlungsfreiheit der Stiftung und ihre grundrechtliche Gewährleistung als Trägerin einer privaten Schule schließen eine Stiftungsaufsicht nicht aus. Allerdings darf diese Aufsicht die erwähnte Gewährleistung der Klägerin nicht antasten und ihre Handlungsfreiheit nur insoweit einschränken, als das erforderlich ist, um sicherzustellen, daß die Angelegenheiten der Stiftung in Übereinstimmung mit dem Gesetz und der Stiftungssatzung besorgt werden (so auch Art. 23 Abs. 1 Satz 2 des bayerischen Stiftungsgesetzes). Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG schließt es daher aus, die Genehmigung von Anstellungsverträgen für Lehrer an einer privaten Stiftungsschule von der Wahrung der Besoldungseinheit bei öffentlichen und privaten Schulen abhängig zu machen, weil das einen Eingriff in die Autonomie der Privatschule zugunsten der öffentlichen Schule darstellen wurde. Desgleichen verbietet Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG es, staatliche Zuwendungen, die die Klägerin wie alle übrigen Privatschulen, auch soweit diese nicht als Stiftungen organisiert sind, erhält, bei stiftungsaufsichtsrechtlichen Genehmigungen zu berücksichtigen. Nun hat allerdings das Berufungsgericht die Frage, ob der Beklagte die Verweigerung der Vertragsgenehmigung auch auf die Verletzung der Besoldungseinheit stützen durfte, letztlich unentschieden gelassen, weil die Regierung bei ihrer Ablehnung des Dienstvertrages vor allem davon ausgegangen sei, daß die Mitglieder der Stiftungsverwaltung zur sparsamen Verwaltung des Stiftungsvermögens verpflichtet seien. Bei der Prüfung der Frage, ob der Sparsamkeitsgrundsatz eingehalten sei, ist aber auch hier das Berufungsgericht von Grundsätzen ausgegangen, die die Grundrechte der Klägerin, insbesondere die ihr durch Art. 2 GG gewährte Handlungsfreiheit, unzulässig beschränken.

Zwar wird diese Handlungsfreiheit – wie erwähnt – nicht bereits durch die Stiftungsaufsicht als solche und wird ferner auch nicht Art. 3 GG dadurch verletzt, daß nur die Privatschule in Form einer Stiftung der Aufsicht des Staates unterliegt. Die Stiftung ist nämlich die einzige juristische Person, die nicht durch an ihr korporations- oder vermögensrechtlich beteiligte natürliche Personen kontrolliert wird. Es besteht daher ein überwiegendes öffentliches von der Stiftungsaufsicht zu wahrendes Interesse daran, daß die Stiftungsorgane ihre Handlungsfreiheit nicht entgegen dem in der Stiftungssatzung niedergelegten Willen des Stifters ausnützen. Es sind auch keine Bedenken dagegen zu erheben, daß bei sogenannten “öffentlichen” Stiftungen die Rechtsausübung beim Abschluß besonders wichtiger Geschäfte gemäß Art. 31 des bayerischen Stiftungsgesetzes von einer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde abhängig gemacht wird (BVerfGE 8, 71 [76]; 20, 150 [155]); denn es besteht ein gesteigertes öffentliches Interesse daran, daß Organe von Stiftungen, die öffentlichen Zwecken gewidmet sind, auch dem Stiftungszweck entsprechend tätig werden.

Da nun aber ausschließlich das öffentliche Interesse an der Verwirklichung, des Stiftungszweckes den Eingriff in die Handlungsfreiheit der Stiftungsorgane durch Aufsicht und Genehmigungsvorbehalt rechtfertigt, kann auch nur die Verletzung oder Gefährdung des Stiftungszweckes Prüfungsmaßstab bei der Entscheidung über die Erteilung oder Nichterteilung einer Genehmigung sein. Mit Recht weist deshalb Art. 22 des bayerischen Stiftungsgesetzes die Stiftungsaufsichtsbehörden an, die Stiftungen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe verständnisvoll zu beraten, zu fördern und zu schützen. Das gilt gleichermaßen auch für “öffentliche” Stiftungen im Sinne des bayerischen Stiftungsgesetzes. Wenn das Berufungsgericht die Ansicht vertritt, der Genehmigungsvorbehalt räume der Regierung ein Mitwirkungsrecht ein, so steht diese Auffassung, die in dem Text des bayerischen Stiftungsgesetzes selbst keine Grundlage findet, im Widerspruch zu der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit der Stiftungsorgane, die erst dort ihre Grenze findet, wo die Handlung mit dem Stiftungszweck nicht zu vereinbaren ist. Auch bei sogenannten “öffentlichen” Stiftungen sind öffentliche Interessen bei der Genehmigungsprüfung nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in der Stiftungssatzung selbst begründet sind oder sich doch zumindest unmittelbar oder mittelbar aus dem Stiftungszweck ergeben. Eine andere Handhabung würde sinnwidrig den Stifter einer öffentlichen Stiftung schlechter stellen als den Stifter einer nur privaten Belangen dienenden Stiftung. Es muß ausschließlich dem Stifter überlassen bleiben, ob und in welchem Umfang die von ihm errichtete Stiftung öffentlichen Interessen dienen soll. Da die Stiftungsaufsicht, wenn sie keine Grundrechte verletzen soll, nur dem Schutz der Stiftung – gleichsam vor sich selbst und ihren Organen – bei der Erfüllung der ihr durch den Stifter gesetzten Aufgaben zu dienen hat, können öffentliche Interessen, die dem Stiftungszweck nicht zu entnehmen sind, nicht zum Maßstab für Entscheidungen der Stiftung gemacht werden.

Bei der Prüfung schließlich, ob die Stiftungsorgane in ihrer Handlungsweise dem Stiftungszweck gerecht werden, kann die Stiftungsaufsicht nicht ihr Ermessen an die Stelle des Ermessens der Stiftungsorgane setzen. Es ist Aufgabe der Stiftungsorgane setzen. Es ist Aufgabe der Stiftungsorgane, den von ihnen für richtig gehaltenen Weg einzuschlagen; sie tragen dafür auch die Verantwortung für die Folgen. Erst wenn ihr Handeln nicht mehr vertretbar, insbesondere mit einer vernünftigen wirtschaftlichen Betrachtungsweise unvereinbar ist, kann die Stiftungsaufsicht die Genehmigung von Verträgen, die die Organe der Stiftung ausgehandelt haben, ablehnen; angesichts der Umstände des Falles spricht nach Auffassung des Senats wenig dafür, daß diese Grenzen hier überschritten worden sind. Es reicht für die Verweigerung der Genehmigung nämlich nicht aus, wenn die Stiftungsaufsicht lediglich die Auffassung vertritt, der Sparsamkeitsgrundsatz sei nicht gewahrt, weil die Stiftungsorgane hätten sparsamer handeln können oder sollen. Sie muß beim Abschluß von Dienstverträgen untersuchen, 1) ob eine gleichwertige wie die in Dienst genommene Persönlichkeit zu wesentlich günstigeren finanziellen Bedingungen hätte angestellt werden können, oder ob eine so teuere Kraft für diesen Posten nicht erforderlich gewesen wäre, und 2) ob der der Stiftung erwachende Nachteil so erheblich ist, daß hierdurch die Stiftung in ihrem Stiftungszweck beeinträchtigt oder gar in ihrer Existenz gefährdet wird.

Eine so erforderliche Untersuchung hat der Beklagte nicht ausreichend vorgenommen. Er hat nicht genügend berücksichtigt, daß der Beigeladene bei der Klägerin folgende Aufgaben erfüllen sollte:

1) Leiter einer Schule mit ungefähr 200 Schülern,

2) Internatsleiter,

3) Stiftungsvorstand und

4) Akquisiteur.

Er hätte dem Kuratorium der Stiftung in Erfüllung der ihm nach Art. 22 des bayerischen Stiftungsgesetzes obliegenden Aufgabe zu verständnisvoller Beratung die Möglichkeit geben müssen darzulegen, welche Angebote für die freigewordene Stellung eingegangen waren und in welcher Form das Kuratorium die Angebote eingeholt hatte. Er hätte weiter untersuchen müssen, ob die Vorstellungen des Kuratoriums über die Persönlichkeit des anzustellenden Schulleiters und die sich hieraus ergebenden finanziellen Folgen zu einer Beeinträchtigung oder Gefährung der Stiftung im Rahmen der ihr gesetzten Ordnung führen würde. Das hätte zumindest vorausgesetzt, daß der Beklagte festgestellt hätte, welchem Bruttogehalt die dem Beigeladenen zugestandenen Vergünstigungen etwa entsprochen und in welcher Relation diese zu den dem Beigeladenen übertragenen Aufgaben gestanden hätten. Das wird er nachzuholen haben und eine Genehmigung im Rahmen des ihm dann noch verbleibenden Spielraums nur insoweit verweigern dürfen, als er zu dem Ergebnis kommt, daß der Vertrag, wie ihn die Klägerin mit dem Beigeladenen abgeschlossen hat, mit dem Stiftungszweck nicht in Einklang zu bringen ist oder die Existenz der Stiftung ernsthaft gefährden könnte. Dabei wird er zu berücksichtigen haben, daß zwischen dem Kuratorium und dem Vorstand der Stiftung, zu dem der Beigeladene ja auch bestellt werden sollte, ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehen muß, so daß den Kuratorium nicht zugemutet werden kann, jeden Bewerber, der die fachlichen Voraussetzungen erfüllt, zu berücksichtigen.

Da die Auslegung des bayerischen Stiftungsgesetzes durch das Berufungsgericht dem Grundgesetz widerspricht, andererseits Wortlaut und Sinn des bayerischen Stiftungsgesetzes eine der Verfassung entsprechende Auslegung geradezu nahelegt, wie sich aus Art. 2 Abs. 1 des bayerischen Stiftungsgesetzes ergibt, der Achtung vor dem Stifterwillen zur obersten Richtschnur bei der Handhabung dieses Gesetzes macht, ist das Stiftungsgesetz unter Berücksichtigung der Grundrechte der Klägerin anzuwenden. Diese Auslegungsgrundsätze decken sich mit denen des Verwaltungsgerichts München; dieses ist folglich mit Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß die ablehnenden Bescheide des Beklagten rechtswidrig gewesen und daher aufzuheben seien. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Beklagten ist daher zurückzuweisen und dem Beklagten sind nach § 154 VwGO die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens aufzuerlegen.

 

Unterschriften

Prof. Dr. Sendler, Dr. Zehner, Fischer, Dr. Heddaeus, Klamroth

 

Fundstellen

Haufe-Index 970246

BVerwGE, 347

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