Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingliederungshilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges. Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges. Kraftfahrzeug, Hilfe zur Beschaffung eines –

 

Leitsatz (amtlich)

Die (Sozial-)Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges zum Zwecke der Eingliederung in das Arbeitsleben setzt eine (zeitlich) nachhaltige Beschäftigung voraus.

 

Normenkette

BSHG § 40 Abs. 1 Nr. 2; EinglH-VO § 8

 

Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Urteil vom 15.11.1999; Aktenzeichen 22 A 5573/97)

VG Düsseldorf (Urteil vom 20.10.1997; Aktenzeichen 19 K 2505/96)

 

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. November 1999 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. Oktober 1997 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung sowie die Revision zurückgewiesen.

Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Übernahme der Kosten für ein mit Automatikgetriebe ausgestattetes Kraftfahrzeug.

Der im Jahre 1954 geborene Kläger leidet seit mindestens 1983 an multipler Sklerose. Seit Ende 1984 bezieht er eine Erwerbsunfähigkeitsrente der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz. Das Versorgungsamt Düsseldorf stellte mit Bescheid vom 10. August 1992 den Grad der Behinderung seit dem 1. April 1992 mit 100 fest und erkannte dem Kläger die Merkmale „G” (erheblich beeinträchtigt in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), „aG” (außergewöhnlich gehbehindert) und „B” (auf ständige Begleitung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen) zu. Die ärztliche Stellungnahme eines Neurologen für das Versorgungsamt Düsseldorf vom 20. September 1994 kommt zu dem Schluss: „Zusammengefasst ist es im Rahmen der bekannten multiplen Sklerose zu einer weiteren Befundverschlechterung insbesondere des Gehens und der motorischen Funktionen der linken Hand gekommen. Die maximale Gehstrecke beträgt etwa 200 m, …”.

Der Kläger lebte nach der Trennung von seiner Ehefrau Ende 1992 zunächst gemeinsam mit der im Januar 1985 geborenen Tochter in einem Haushalt. Im Dezember 1995 zog die ebenfalls an multipler Sklerose erkrankte Frau D. zu ihm. Seine Tochter verließ den Haushalt Anfang 1996 und wohnt seitdem bei ihrer Mutter.

Der Kläger bestreitet seinen Lebensunterhalt im Wesentlich aus der Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von etwa 1 500 DM. Außerdem war er seit Oktober 1988 bei einer Firma für Großküchentechnik beschäftigt und erzielte dort ein Entgelt von 10 DM pro Stunde. Nach dem Konkurs dieser Firma wurde der Kläger zum 1. Juli 1998 von der Nachfolgefirma übernommen. Er erzielte im Jahre 1994 ein Einkommen von 4 700 DM, im Jahre 1995 von 4 495 DM, im Jahre 1996, in dem er nur insgesamt sechs Monate arbeitete, ein Einkommen von 985 DM, im Jahre 1997, in dem er nur drei Monate arbeitete, ein Einkommen von 355 DM, im Jahre 1998, in dem er zwei Monate arbeitete, ein Einkommen von 240 DM und in den Monaten Januar bis Juli 1999 von 1 335 DM.

Mit Schreiben vom 27. April 1994 beantragte der Kläger beim Beklagten über den örtlichen Sozialhilfeträger einen Zuschuss zum Erwerb eines Pkw mit Automatikschaltung. Am 29. November 1994 schloss der Kläger einen Leasingvertrag über einen Pkw Opel Astra Caravan ab. Der Fahrzeuggesamtpreis belief sich auf 32 748 DM. Neben einer Leasingsonderzahlung von 7 500 DM wurden Leasingraten über einen Zeitraum von insgesamt 38 Monaten zu 299 DM vereinbart. Zur Finanzierung insbesondere der Leasingsonderzahlung hatte die Mutter des Klägers ein Darlehn aufgenommen und diesem zur Verfügung gestellt.

Mit Bescheid vom 6. November 1995 lehnte der Beklagte den Antrag auf Übernahme der Anschaffungskosten für einen Pkw ab und führte aus, der Pkw diene nicht der Eingliederung des Klägers in das Arbeitsleben, weil ihm eine Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt werde. Auch sei der Kläger nicht wegen seiner Haushaltsführung auf einen Pkw angewiesen; er habe die Möglichkeit, in seiner näheren Umgebung alle notwendigen Einkäufe zu tätigen, und könne ambulante Hilfsdienste in Anspruch nehmen.

Das Verwaltungsgericht hat der vom Kläger nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage mit Urteil vom 20. Oktober 1997 stattgegeben, da der Kläger für die Ausübung der Teilzeitbeschäftigung und für die Führung seines Haushaltes auf einen Pkw angewiesen sei.

Das Oberverwaltungsgericht dagegen hat die Klage durch Urteil vom 15. November 1999 mit folgender Begründung abgewiesen:

Hinreichender Grund für die Versorgung mit einem Kraftfahrzeug sei es nicht, dem Kläger die Fortführung seiner Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Es könne offen bleiben, ob hiermit der Zweck „Eingliederung in das Arbeitsleben” gefördert werden könne, obwohl der Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehe. Denn auch wenn die Versorgung eines Behinderten mit einem Kraftfahrzeug der Eingliederung in das Arbeitsleben diene, könne sie nicht in jedem Fall erfolgen, sondern nur, wenn sie angemessen sei. Dies sei dann nicht der Fall, wenn auf Dauer nur eine so geringfügige Beschäftigung ausgeübt werden könne, dass der Verdienst nicht einmal die durch Erwerb und Unterhalt eines Pkw anfallenden Kosten decke. Der Kläger habe durch seine Erwerbstätigkeit in den Jahren 1994 und 1995 ein monatliches Durchschnittseinkommen von 390 DM bzw. 375 DM erzielt. In den Folgejahren sei sein Einkommen weitaus geringer gewesen. Berücksichtige man die monatlichen Leasingraten von 299 DM, die Beträge zur Abzahlung des für die Leasingsonderzahlung von der Mutter des Klägers aufgenommenen Darlehens von monatlich 280 DM, die Kosten für Steuern und Versicherung und zusätzlich die Benzinkosten, so sei selbst das Einkommen in den Jahren 1994 und 1995 bei weitem nicht so hoch gewesen, dass die Erwerbs- und Unterhaltskosten für den Pkw abgedeckt würden. Bei dieser Sachlage wäre es unangemessen, dem Kläger zur Eingliederung in das Arbeitsleben ein Kraftfahrzeug zur Verfügung zu stellen. Auch wenn es dem Kläger um eine Beschäftigung in erster Linie aus heilpädagogischen Gründen gehe, um eine sinnvolle Aufgabe und Kontakte zu Dritten zu haben, sei er nicht notwendigerweise auf die ständige und nicht nur gelegentliche Benutzung eines (eigenen) Pkw angewiesen. Eine Berufstätigkeit sei für ihn nicht die einzige Möglichkeit, am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen. Für den Zeitraum ab 1996 sei er dieser Beschäftigung nicht einmal mehr regelmäßig nachgegangen, sondern nur noch gelegentlich allenfalls an einigen wenigen Tagen im Monat. Der Kläger könne seine Wohnung ohne fremde Hilfe verlassen und Ziele in der näheren Umgebung mit einem Gehroller oder einem Straßenrollstuhl erreichen. Außerdem könne er für weitere Fahrten den Behindertenfahrdienst und gelegentlich ein Taxi oder einen Mietwagen benutzen. Ebenso wenig sei die Versorgung des Klägers mit einem Kraftfahrzeug erforderlich, damit er selbstständig seinen Haushalt fortführen könne. Denn jedenfalls sei es dem Kläger möglich, die kleineren Einkäufe für den täglichen Bedarf mit Hilfe eines Gehrollers oder eines elektrischen Straßenrollstuhls zu erledigen. Nach seinen Angaben befänden sich in einer Entfernung von etwa 200 m zu seiner früheren Wohnung und von 300 m zu seiner jetzigen Wohnung alle Geschäfte, um den normalen hauswirtschaftlichen Bedarf zu decken. Bei größeren Einkäufen oder bei Einkäufen in weiter entfernt gelegenen Geschäften, die nur gelegentlich anfielen, sei die Inanspruchnahme eines Taxis oder eines Behindertenfahrdienstes zumutbar. Schließlich bestehe auch die Möglichkeit, ambulante Dienste in Anspruch zu nehmen, um bei Einkäufen Unterstützung zu finden.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend: Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts könne von einer Eingliederung in das Arbeitsleben auch dann gesprochen werden, wenn der Hilfesuchende eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhalte und auf Grund seiner Behinderung nur eine geringfügige Beschäftigung ausüben könne. In einem solchen Fall sei die Versorgung eines Behinderten mit einem Kraftfahrzeug im Wege der Eingliederungshilfe möglich, obwohl das Entgelt für die Tätigkeit nicht die Anschaffungskosten und die laufenden Unterhaltskosten des Kraftfahrzeuges decke. Die Tatsache, dass der Kläger im rentenrechtlichen Sinne erwerbsunfähig sei, bedeute nicht, dass auch sozialhilferechtlich eine Eingliederung in das Arbeitsleben ausscheide. Der Kläger werde auf diese Art und Weise durch seine Beschäftigung in die Lage versetzt, trotz seiner Behinderung am ganz normalen Arbeits- und Erwerbsleben teilzunehmen und so wenigstens zu einem Teil noch das Gefühl zu behalten, in seinem relativ jungen Alter trotz der Behinderung noch im Berufsleben von Nutzen zu sein, auch wenn es sich hier nur um eine Teilzeittätigkeit handele. Der Kläger könne sich, wenn auch nur zu einem kleinen Teil, noch als beruflich tätige Person sehen. Das einzige Mittel hierzu sei das von ihm selbst gesteuerte Kraftfahrzeug, da er ohne dieses Kraftfahrzeug seine Arbeitsstätte nicht erreichen könne. Auch der Tatsache, dass das Entgelt für die Tätigkeit nicht die Anschaffungskosten und laufenden Unterhaltskosten für das Kraftfahrzeug decke, stehe einer Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglH-VO nicht entgegen, denn maßgeblich sei auf das subjektive Empfinden des Behinderten für seine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben abzustellen. § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglH-VO setze nicht voraus, dass ein Mindestentgelt erzielt werden müsse.

Der Beklagte und der beteiligte Oberbundesanwalt stützen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers, über die das Bundesverwaltungsgericht im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 141 Satz 1 VwGO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist teilweise begründet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs als Maßnahme der Eingliederungshilfe zusteht.

Der Kläger gehört, wie das Berufungsgericht – das Revisionsgericht bindend – festgestellt hat, als körperlich wesentlich Behinderter gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG zum Personenkreis der Eingliederungshilfebedürftigen. Ebenso trifft es zu, dass die begehrte Hilfe ihrer Art nach zu den in § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung nach § 47 BSHG (EinglH-VO) i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. Februar 1975 (BGBl I S. 433) beispielhaft aufgeführten Maßnahmen gehört, für deren Gewährung der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 2 BSHG zuständig ist. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz erfüllt der Kläger aber auch die besonderen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglH-VO.

Die Vorschrift macht auf der Grundlage der Ermächtigungsnorm des § 47 BSHG die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges davon abhängig, dass der Behinderte wegen der Art und Schwere seiner Behinderung zum Zwecke der Eingliederung auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 39 Abs. 3 Satz 1 BSHG, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört nach § 39 Abs. 3 Satz 2 BSHG vor allem, dem Behinderten die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Der Sinn und Zweck der Regelung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darin, den Behinderten durch die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und durch Eingliederung in das Arbeitsleben nach Möglichkeit einem Nichtbehinderten gleichzustellen. Der Bedürftige soll die Hilfen finden, die es ihm ermöglichen, in der Umgebung von Nicht-Hilfeempfängern ähnlich wie diese zu leben (Urteil vom 11. November 1970 – BVerwG 5 C 32.70 – BVerwGE 36, 256, ≪258≫ = Buchholz 436.0 § 40 BSHG Nr. 3 S. 3).

Hinsichtlich des Eingliederungszweckes wird in § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglH-VO durch die Verwendung des Tatbestandsmerkmals „vor allem in das Arbeitsleben” deutlich gemacht, dass hierin der vom Gesetz vorgesehene Schwerpunkt der Versorgung mit einem Kraftfahrzeug liegt. Sind damit andere Gründe zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, so müssen sie jedoch mindestens vergleichbar gewichtig sein. Dazu gehört – wie der Senat aus der Bezeichnung des Hauptzwecks geschlossen hat – auch, dass die Notwendigkeit der Benutzung ständig, nicht nur vereinzelt und gelegentlich besteht (Urteil vom 27. Oktober 1977 – BVerwG 5 C 15.77 – BVerwGE 55, 31, ≪33≫ = Buchholz 436.0 § 40 BSHG Nr. 8 S. 15). In § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglH-VO F. 1964 hieß es nämlich: „wenn er (der Behinderte) wegen seiner Behinderung auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist”. In der jetzt geltenden Fassung des § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglH-VO, die er durch die Zweite Änderungsverordnung vom 28. Mai 1971 (BGBl I S. 728) erhalten hat, fehlt zwar das Wort „regelmäßi-ge”. Auch wenn es in der Begründung der Bundesregierung heißt, die Neufassung bedeute insgesamt eine gewisse Besserstellung des Behinderten, sollte mit dem Weglassen des Tatbestandsmerkmals „regelmäßige” nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass eine nur vereinzelt und gelegentlich bestehende Notwendigkeit der Benutzung ausreichen sollte. Denn zu § 10 Abs. 6 EinglH-VO in seiner Fassung durch die Zweite Änderungsverordnung 1971, die dort das Tatbestandsmerkmal „regelmäßige” eingeführt hat, heißt es in der Begründung der Bundesregierung (BRDrucks 127/71 Begründung zu Nr. 11 S. 11): „… wird die Anpassung der Bestimmung insoweit an die für die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges geltende Regelung in § 8 Abs. 1 vorgeschlagen.” Was der Senat in BVerwGE 55, 31, 33 dahin formuliert hat, dass die Notwendigkeit der Benutzung ständig, nicht nur vereinzelt und gelegentlich, bestehen muss, hat der Verordnungsgeber in § 10 Abs. 6 EinglH-VO dahin ausgedrückt, dass der Behinderte wegen seiner Behinderung auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist.

Zu Recht stellt das Berufungsgericht für die Beurteilung der Notwendigkeit, ständig ein Kraftfahrzeug zu benutzen, auf die gesamten Lebensverhältnisse des Behinderten ab und verneint diese Notwendigkeit, wenn die erforderliche Mobilität des Behinderten auf andere Weise sichergestellt ist. Sofern die Eingliederung durch andere Hilfen, zum Beispiel durch Benutzung eines Krankenfahrzeuges oder von öffentlichen Verkehrsmitteln oder durch die Übernahme der Kosten eines Taxis oder Mietautos erreicht werden kann, ist der Behinderte nicht auf die Benutzung eines (eigenen) Kraftfahrzeuges ständig angewiesen. Für lediglich gelegentliche Fahrten kann die Notwendigkeit der Beschaffung eines (eigenen) Kraftfahrzeuges nicht bejaht werden (vgl. Urteile vom 11. November 1970 a.a.O. S. 257 f. bzw. S. 2 f. und vom 9. Juni 1971 – BVerwG 5 C 84.70 – Buchholz 436.01 § 8 Eingliederungshilfe-VO Nr. 2 S. 2).

Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der Zweck „Eingliederung in das Arbeitsleben” gefördert werden könnte, obwohl der Kläger als erwerbsunfähig eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht und behinderungsbedingt allenfalls eine geringfügige Beschäftigung ausüben kann. Es meint aber zu Unrecht, die Versorgung mit einem der Eingliederung in das Arbeitsleben dienenden Kraftfahrzeug müsse „angemessen” sein. Zum einen ist der Begriff „angemessen” zu weit, denn angewiesen auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges, wie es § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglH-VO verlangt, ist der Behinderte nur dann, wenn die Benutzung eines Kraftfahrzeuges „notwendig” ist. Zum anderen bezieht das Berufungsgericht in seine Prüfung der Angemessenheit die konkrete Beschäftigung ein. Das lässt sich nicht damit begründen, dass auch ein Nichtbehinderter keiner Erwerbstätigkeit nachgehen werde, bei der die Fahrtkosten und der auf Dauer zu erzielende Verdienst in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Zwar ist der Gesichtspunkt der Angemessenheit bereits bei der Umschreibung der Aufgabe der Eingliederungshilfe in § 39 Abs. 3 BSHG gerade in Bezug auf Beschäftigungen angesprochen („… ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen”), diese Angemessenheit bei der Eingliederung in das Arbeitsleben bezieht sich aber nicht auf eine irgendgeartete Relation zwischen einerseits den Kosten und andererseits dem Entgelt für eine Beschäftigung im Arbeitsleben, sondern allein auf das Leistungsvermögen des Behinderten. Hilfe zur Eingliederung in das Arbeitsleben (s. dazu § 40 Abs. 1 Nr. 6 und 7 BSHG) ist einmal die Hilfe zur Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 BSHG), aber auch, und zwar behinderungsbedingt in beachtlichem Umfang, die Hilfe für eine (kostenintensive) Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte (§ 41 Abs. 1 Satz 1 BSHG) oder in einer sonstigen Beschäftigungsstätte (§ 41 Abs. 1 Satz 2 BSHG).

Die Angemessenheit einer Beschäftigung im Arbeitsleben im Rahmen der Eingliederungshilfe (s. auch § 17 EinglH-VO, der in Absatz 1 Satz 1 für die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges auf § 8 EinglH-VO verweist) nach Rentabilitätsgesichtspunkten einer Erwerbstätigkeit zu beurteilen, geht fehl. Vielmehr ist mit Rücksicht darauf, dass der Behinderte auf die regelmäßige Benutzung angewiesen sein muss bzw. die Notwendigkeit der Nutzung ständig bestehen muss, eine (zeitlich) nachhaltige Beschäftigung zu verlangen.

Nach den Feststellungen des Berufungsgericht hat der Kläger 1994 4 700 DM und 1995 4 495 DM verdient. Das entspricht bei dem vom Berufungsgericht festgestellten Stundenlohn von 10 DM 470 bzw. 449,5 Arbeitsstunden im Jahr und, verteilt auf ein Jahr abzüglich sechs Wochen Urlaub, einer Arbeitszeit von ungefähr 10,3 Wochenstunden für 1994 und 9,9 Wochenstunden für 1995. Hierzu hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass er pro Arbeitstag in der Regel drei Stunden arbeitete und jedenfalls zweimal, bei Bedarf auch öfter in der Woche zur Arbeit fuhr. Damit ging der Kläger jedenfalls in den Jahren 1994 und 1995 einer seiner Behinderung entsprechenden nachhaltigen Beschäftigung im Arbeitsleben nach. Seinen Arbeitsplatz in L. konnte der Kläger nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Für diese Fahrten stand ihm der Behindertenfahrdienst nicht zur Verfügung. Die ständige Nutzung eines Mietwagens oder Taxis wäre, berücksichtigt man, dass der Kläger auch für andere Fahrten auf eine Beförderung mit einem Kraftfahrzeug angewiesen war, noch teurer gewesen.

Jedenfalls im November 1994, als der Kläger sich das Kraftfahrzeug mit einem Leasingvertrag beschaffte, hatte er einen Anspruch auf Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges. Diesem Anspruch steht nicht entgegen, dass sich der Kläger am 29. November 1994 ein Kraftfahrzeug beschafft hat, bevor der Beklagte über den Antrag des Klägers vom 27. April 1994 entschieden hatte. Denn dem Kläger war ein weiteres Zuwarten nach einer Wartezeit von 7 Monaten nicht zumutbar.

Damit steht aber noch nicht fest, in welcher Art und in welchem Umfang die Hilfe zu gewähren ist. Grundsätzlich kommen viele Hilfemöglichkeiten in Betracht. So kann der Sozialhilfeträger dem Behinderten ein Kraftfahrzeug, auch ein gebrauchtes, zur Nutzung überlassen, er kann einen Zuschuss geben oder die Hilfe als Darlehen gewähren (§ 8 Abs. 2 EinglH-VO). Allerdings engen sich die Entscheidungsmöglichkeiten ein, wenn der Sozialhilfeträger eine Hilfe ablehnt oder wie hier über eine an sich zustehende Hilfe nicht entscheidet. Denn wenn der Hilfebedürftige nach Ablehnung oder unzumutbar langer Nichtentscheidung sich selbst Hilfe sucht, muss seine Hilfewahl, vorausgesetzt sie hält sich im Rahmen des Anspruchs nach § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglH-VO, der Hilfeentscheidung der Behörde zugrunde gelegt werden. Bezogen auf den streitgegenständlichen Fall bedeutet das, dass der Beklagte die Hilfe nun nicht mehr dadurch erbringen kann, dass er dem Kläger ein Kraftfahrzeug zur Nutzung überlässt. Vielmehr muss der Beklagte berücksichtigen, dass der Kläger sich bereits Ende November 1994 selbst ein Kraftfahrzeug beschafft hat. So ist der Beklagte bei seiner Entscheidung auf die Form Geldleistung festgelegt.

Nach alledem ist die ablehnende Entscheidung des Beklagten aufzuheben und der Beklagte zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu bescheiden. Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger in den Jahren 1994 und 1995 ungefähr 10 Stunden je Woche gearbeitet. Mit Rücksicht auf seine Behinderung ist das eine (zeitlich) nachhaltige Beschäftigung, für die der Kläger auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen war. Die für die Kraftfahrzeugbeschaffung in dieser Zeit aufgebrachten Kosten stehen fest (Sonderzahlung) in Höhe von 7 500 DM und monatliche Ratenzahlungen in Höhe von je 299 DM). Ob dem Kläger eine Kraftfahrzeugbeihilfe auch für die Jahre 1996, 1997 und 1998 zusteht – erst ab 1999 nahm die Beschäftigung des Klägers wieder kräftig zu –, kann nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden, weil ein Grund für den Beschäftigungsrückgang nicht festgestellt ist. Der Beklagte kann grundsätzlich zwischen Zuschuss und Darlehen entscheiden. Zwar erscheint die Leistung als Darlehen gerade bei der Beschaffung eines Kraftfahrzeuges wegen des in der Regel bedeutenden Umfanges der Hilfe gerechtfertigt; dadurch werde das Verantwortungsgefühl des Behinderten gestärkt (so BRDrucks 118/64 Begründung zu § 8 S. 5). Aber ein sozialhilferechtliches Darlehen ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Möglichkeit der Rückzahlung besteht. Diese ist aber im Entscheidungszeitpunkt nicht erkennbar. Der Kläger hat nur ein geringes Einkommen, kein nennenswertes Vermögen und hatte das Kraftfahrzeug nur geleast, war also nicht sein Eigentümer. Auch die Entscheidung über die Höhe eines Zuschusses bemisst sich nach dem sozialhilferechtlich Notwendigen und steht im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Säcker, Prof. Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke

 

Fundstellen

Haufe-Index 544099

NJW 2001, 1367

BVerwGE, 328

NVwZ 2001, 326

DÖV 2001, 385

FEVS 2001, 205

NDV-RD 2001, 27

br 2001, 128

DVBl. 2001, 562

VA 2001, 80

info-also 2001, 116

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge