Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung von Lastenausgleichsleistungen. Hauptentschädigungen. Zinszuschlag. Vereinbarkeit der Rückforderung des Zinszuschlages mit höherrangigem Recht

 

Leitsatz (amtlich)

Die gesetzlich vorgeschriebene Rückforderung des als Lastenausgleichsleistung gewährten Zinszuschlages (§ 349 LAG) im Falle des Schadenswegfalls durch Rückgabe des Vermögensobjektes verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (Art. 3, 14, 20 GG).

 

Normenkette

LAG § 349 Abs. 1 S. 1, § 342 Abs. 3, § 243 Abs. 3, § 349 Abs. 4 Sätze 1, 3, Abs. 5 S. 1 (i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993); GG Art. 3, 14, 20

 

Verfahrensgang

VG Augsburg (Urteil vom 31.07.1996; Aktenzeichen 4 K 95.1200)

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 31. Juli 1996 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens zu je einem Drittel.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung, Lastenausgleichsleistungen zurückzuverlangen.

Die Kläger sind Erben ihrer verstorbenen Mutter. Diese war Eigentümerin eines Hausgrundstücks in A./Saalkreis. Sie erhielt wegen dessen Wegnahme durch die DDR als Lastenausgleichsleistung 1978 eine Hauptentschädigung von 4 290 DM und einen Zinszuschlag von 4 461,60 DM.

Nachdem den Erben das Grundstück im Dezember 1993 zurückgegeben worden war, forderte das Landratsamt U. des Beklagten von den Klägern einen Betrag von je 2 917,20 DM zurück.

Nach erfolglosem Vorverfahren haben die Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, die Rückforderungsbescheide aufzuheben.

Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Der Lastenausgleich sei für einen im wirtschaftlichen Sinn endgültigen Verlust gewährt worden und habe nicht nur den vorübergehenden Verlust der Nutzungsmöglichkeit ausgleichen sollen. Eine Wertminderung des Grundstücks sei nach dem Gesetz nicht zu berücksichtigen.

Auch der als Zinszuschlag gewährte Teil der Hauptentschädigung sei gemäß § 349 Abs. 4 Satz 1 LAG zurückzufordern. Diese Bestimmung sei verfassungsrechtlich nicht bedenklich.

Mit Beschluß vom 3. Februar 1997 hat der Senat die Revision zugelassen, soweit sie sich gegen die Klagabweisung wegen der zurückverlangten Zinszuschläge wendet.

Die Kläger begründen ihre Revision damit, daß die Rückforderung des Zinszuschlages auf einer gesetzlichen Norm (§ 349 Abs. 4 Satz 1 LAG) beruhe, die wegen Verstoßes gegen den sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden allgemeinen Gleichheitssatz nichtig sei. Die Vorschrift verletze die Kläger in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung, weil sie sie gegenüber anderen Personen in vergleichbarer Lage ohne sachlichen Grund benachteilige. Der mit dem Zinszuschlag ausgeglichene Nachteil, daß die Entschädigungszahlung erst spät erfolgt sei, würde wieder entstehen, wenn dieser Betrag zurückgezahlt werden müßte, weil die Frühempfänger der Leistung entsprechend länger das Kapital zur Verfügung gehabt hätten. Eine solche Ungleichbehandlung ließe sich allenfalls dadurch vermeiden, daß der Gesetzgeber von allen Lastenausgleichsempfängern eine Verzinsung des erhaltenen Lastenausgleichsbetrages verlange, von den einen eben in der Form der Rückerstattung des bezogenen Zinsausgleichs, von den anderen in der Form einer nachträglich festzulegenden fiktiven Verzinsung. Da letzteres jedoch schon aus Gründen des Vertrauensschutzes ausscheide, verbleibe dem Gesetzgeber nur die Möglichkeit, auf die Rückforderung des Zinszuschlages zu verzichten. Außerdem verstoße die Rückforderung gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Das ergebe sich daraus, daß die zurückfließenden Gelder zweckwidrig nicht dazu verwandt würden, Kriegsfolgelasten auszugleichen. Die beabsichtigte grundrechtswidrige Mittelverwendung führe dazu, daß die Rückforderung gegen Art. 14 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG verstoße.

Der Beklagte stellt in der Revisionsinstanz keinen Antrag.

Der Vertreter der Interessen des Ausgleichsfonds beim Bundesverwaltungsgericht beantragt Zurückweisung der Revision.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Kläger, über die mit dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, der Beklagte habe zu Recht den der Mutter der Kläger gewährten Zinszuschlag in Höhe eines Teilbetrages von jeweils 1 487,20 DM von den Klägern zurückgefordert, verletzt kein Bundesrecht.

1. Rechtsgrundlage für die Rückforderung des Zinszuschlages in den von den Klägern angegriffenen Bescheiden ist § 349 Abs. 4 Sätze 1 und 3 sowie Abs. 5 Satz 1 Lastenausgleichsgesetz (LAG) in Verbindung mit § 342 Abs. 3, § 349 Abs. 1 Satz 1 LAG in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBl I S. 1389; geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 1993, BGBl I S. 2118, 2121). Gemäß § 349 Abs. 1 Satz 1 LAG sind in dem hier vorliegenden Fall des Schadensausgleichs nach dem 31. Dezember 1989 (§ 342 Abs. 3 LAG) die zuviel gezahlten Ausgleichsleistungen nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 zurückzufordern. Zu den hiernach zurückzufordernden Leistungen gehört nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 349 Abs. 4 Sätze 1 und 3 LAG auch ein gewährter Zinszuschlag. Außer Streit steht, daß der Beklagte den Rückforderungsbetrag insoweit zutreffend berechnet hat und die Kläger nach § 349 Abs. 5 Satz 1 LAG rückzahlungspflichtig sind.

2. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß die Verpflichtung zur Rückzahlung des Zinszuschlages nach erfolgtem Schadensausgleich gemäß § 349 Abs. 4 Sätze 1 und 3 LAG mit Verfassungsrecht vereinbar ist.

2.1 Die Regelung in § 349 Abs. 4 Sätze 1 und 3 LAG verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbietet der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln (vgl. z.B. BVerfGE 1, 14 ≪52≫; 4, 144 ≪155≫; 23, 98 ≪106 f.≫; 42, 64 ≪72≫; 49, 148 ≪165≫). Der Gesetzgeber hat hierbei eine weitgehende Gestaltungsfreiheit; insbesondere muß es ihm grundsätzlich überlassen bleiben, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich oder ungleich anzusehen sind (vgl. BVerfGE 13, 225 ≪228≫; 34, 252 ≪256≫; 49, 148 ≪165≫).

Nach diesen Grundsätzen ist die Verpflichtung zur Rückzahlung des Zinszuschlages neben dem Endgrundbetrag der Hauptentschädigung nicht zu beanstanden. Die Regelung beinhaltet, daß jeder Empfänger von Lastenausgleich nach einem Schadensausgleich das zurückzahlen muß, was er als Leistung aus dem Ausgleichsfonds erhalten hat. Sie macht mithin die Höhe des Rückforderungsbetrages abhängig von der Höhe des dem Verpflichteten zuvor zugeflossenen Auszahlungsbetrages. Der Gesetzgeber hat damit einen Maßstab gewählt, der in jeder Hinsicht sachgerecht erscheint und keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Leistungsempfängern erkennen läßt.

Die Rückforderungsregelung beruht insgesamt auf der Erwägung, daß durch den nachträglichen Schadensausgleich – etwa in Form der Rückgabe der entzogenen Vermögensgegenstände – der Rechtsgrund für die Gewährung des Lastenausgleichs entfallen ist. Es besteht kein Anlaß, jemandem Leistungen zu belassen, die vom Staat als Ausgleich für einen inzwischen anderweitig ausgeglichenen und damit letztlich nicht mehr existenten Vermögensverlust erbracht worden sind. Es handelt sich um die Rückabwicklung einer Vermögensverschiebung, die sich im nachhinein als nicht mehr gerechtfertigt erweist. Dieser Grundgedanke trägt prinzipiell die Forderung, daß der gesamte als Lastenausgleich gewährte Entschädigungsbetrag zurückzuzahlen ist.

2.1.1 Zu Unrecht meint das Verwaltungsgericht Osnabrück (Beschluß vom 26. Juni 1996 – 6 A 173/95 – VIZ 1996, 529 ≪531≫), die Einbeziehung des Zinszuschlages in diese Rückzahlungspflicht stelle eine die Verletzung des Gleichheitssatzes indizierende Systemwidrigkeit dar, weil der Zinszuschlag einen spezifischen eigenständigen Ausgleichszweck verfolgt habe und nicht auf den Ausgleich des Substanzschadens gerichtet gewesen sei, der durch die Rückgabe des Vermögensgegenstandes ausgeglichen werde. Daran ist zwar richtig, daß der Zinszuschlag, der gemäß § 250 Abs. 3 LAG zu dem zuerkannten Endgrundbetrag hinzutrat und der sich grundsätzlich auf 4 v.H. pro Jahr vom 1. Januar 1953 bis zur Auszahlung der Hauptentschädigung belief, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls nicht primär den Ausgleich des eigentlichen Substanzschadens bezweckte, der als Vertreibungsschaden, Ostschaden oder Zonenschaden anerkannt worden war; der Zuschlag ist vielmehr vom Gesetzgeber als billiger Ausgleich dafür geschaffen worden, daß die Geschädigten die zu beanspruchenden Leistungen nicht alsbald nach Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes, sondern regelmäßig erst wesentlich später und darüber hinaus auch bei gleichartigen Schäden zu oft sehr unterschiedlichen Zeitpunkten erhielten (vgl. Urteil vom 14. März 1968 – BVerwG III C 53.67 – BVerwGE 29, 183 ≪184≫; Urteil vom 11. Dezember 1975 – BVerwG III C 70.74 – Buchholz 427.2 § 21 a FG Nr. 7). Der Zinszuschlag stellte einen gewissen Ausgleich für die Wartezeit derjenigen Geschädigten dar, deren Hauptentschädigung aus verwaltungsmäßigen oder finanziellen Gründen nicht alsbald erfüllt werden konnte.

Diese spezifische Zielsetzung des Zinszuschlages hat jedoch im System des Lastenausgleichsgesetzes nicht zu seiner Verselbständigung geführt. Er stellt als Teil der Hauptentschädigung (vgl. § 251 Abs. 1 Satz 1 LAG) einen Annex zum Anspruch auf den Endgrundbetrag dar, dessen Existenz er zwingend voraussetzt. Diese Akzessorietät findet ihren Ausdruck darin, daß das Entstehen des Zinsanspruchs nach § 250 Abs. 3 LAG den Bestand eines zuerkannten Anspruchs auf den Endgrundbetrag voraussetzt. Der Zinszuschlag wird demgemäß auch nur für den Zeitraum gewährt, bis der Anspruch auf den Endgrundbetrag durch Erfüllung gemäß § 251 Abs. 1 LAG erlischt. Nach Erfüllung des Anspruchs kann ein weiterer Zinszuschlag nicht mehr entstehen. Diese Konsequenz, die aus dem Wortlaut des § 250 Abs. 3 LAG, seiner systematischen Stellung im Gesetz sowie seinem Sinn und Zweck folgt (vgl. Urteil vom 14. März 1968 – BVerwG III C 53.67 – a.a.O.), zeigt, daß der Gesetzgeber die Zahlung des Zinszuschlages nur für berechtigt hält, wenn und soweit ein lastenausgleichsrechtlich feststellbarer Schaden und daher ein Anspruch auf Hauptentschädigung besteht; daran fehlt es, soweit ein Schadensausgleich stattgefunden hat. Entfällt nach Erfüllung der Hauptentschädigung infolge des Ausgleichs des festgestellten Schadens die Voraussetzung für den Empfang des Endgrundbetrages, so gilt darum nicht nur dieser, sondern auch der akzessorische Zinszuschlag als rechtsgrundlos empfangen.

Im Hinblick auf die Akzessorietät des Zinszuschlages ist es nicht systemwidrig, wenn der Gesetzgeber in § 349 Abs. 4 Satz 1 LAG den Lastenausgleichsempfänger nach erfolgtem Schadensausgleich nicht nur zur Rückzahlung des Endgrundbetrages verpflichtet, sondern ihm auch die Rückzahlung des Zinszuschlages auferlegt.

2.1.2 Die Verpflichtung zur Rückzahlung des Zinszuschlages bei Rückgabe des entzogenen Vermögensgegenstandes steht auch nicht im Widerspruch zu dem die Rückzahlungsregeln des Lastenausgleichsrechts ansonsten beherrschenden Grundsatz der Objektidentität. Sie besagt, daß die Anrechnung einer von dritter Seite gewährten Entschädigung auf den lastenausgleichsrechtlich festgestellten Schaden nur erfolgen kann, wenn die Entschädigung für den Verlust desselben Schadensobjektes gewährt worden ist, das Gegenstand der Feststellung war (vgl. Urteil vom 13. Dezember 1973 – BVerwG III C 28.73 – Mitt. BAA 1976 S. 202). Die Akzessorietät des Zinszuschlages verknüpft diesen, wie dargelegt, mit dem Anspruch auf den Endgrundbetrag der Hauptentschädigung. Der Anspruch auf diesen Endgrundbetrag und auf den Ausgleich für die späte Erfüllung dieses Anspruchs bilden im Rahmen der Hauptentschädigung eine Einheit. Die Hauptentschädigung hat somit insgesamt den Ausgleich der durch den Verlust des Vermögensobjektes entstandenen Schäden zum Gegenstand. Eine gesetzliche Regelung, die die Rückgabe des Vermögensgegenstandes als Ausgleich dieser Gesamtschäden ansieht, hält sich daher innerhalb des Systems des Lastenausgleichsrechts. Die Kappungsgrenze des § 349 Abs. 4 Satz 4 LAG verhindert dabei, daß der Betroffene mehr an Lastenausgleichsleistungen zurückzahlen muß, als er durch den Schadensausgleich wertmäßig erhalten hat.

2.1.3 Die Verpflichtung zur Rückzahlung des Zinszuschlages stellt keine ungerechtfertigte Benachteiligung der Empfänger dieser Leistung gegenüber denjenigen Lastenausgleichsempfängern dar, die wegen früher Erfüllung ihres Entschädigungsanspruchs keinen Zinszuschlag erhalten haben und folglich diesen jetzt auch nicht zurückzahlen müssen. Zwar ist der Zinszuschlag seinerzeit gewährt worden, um eine gewisse Gleichstellung der Lastenausgleichsempfänger unabhängig vom Zeitpunkt der Erfüllung ihrer Ansprüche zu erreichen. Den frühen Empfängern der Hauptentschädigung verbleiben die Nutzungen, die sie dadurch haben ziehen können, während die späten Empfänger den zum Ausgleich ihrer Benachteiligung gewährten Zinszuschlag abführen müssen. Die darin liegende materielle Benachteiligung beruht jedoch auf sachgerechten Erwägungen des Gesetzgebers.

Zum einen stellt der Zinszuschlag eine staatliche Leistung dar, d.h. eine Leistung, die der Staat dem Lastenausgleichsempfänger gewährt hat. Eine solche Leistung stellt qualitativ etwas anderes dar als Nutzungen, die ein Leistungsempfänger selbst gezogen hat. Zwar erstreckt § 818 Abs. 1 BGB die Verpflichtung zur Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung auf die gezogenen Nutzungen. Während diese Erstreckung jedoch Ergebnis einer gesetzgeberischen Entscheidung ist, liegt die Notwendigkeit der Rückgabe der empfangenen Leistung im Rahmen der gebotenen Rückabwicklung offen zutage.

Es kommt hinzu, daß ein Zugriff auf die von frühen Empfängern des Lastenausgleichs gezogenen tatsächlichen Nutzungen aus zwei Gründen von vornherein ausschied. Zum einen gab es keinen zeitlichen Rahmen, der die herauszugebenden Nutzungen in Parallele zum Zinszuschlag hätte eingrenzen können. Während der Zinszuschlag auf das Datum der Erfüllung des Entschädigungsanspruchs abstellt, fehlt bei den frühen Empfängern von Lastenausgleich ein vergleichbarer Fixpunkt, der die Bemessung des von ihnen herauszugebenden Vorteils ermöglichen würde. Zum anderen wäre es unmöglich, heute auf die teilweise vor mehreren Jahrzehnten gezogenen tatsächlichen Nutzungen zurückgreifen zu wollen. Die Ermittlung dieser Nutzungen wäre wegen des Zeitablaufs praktisch ausgeschlossen.

Da der Rückforderung des Zinszuschlages entsprechende Gründe nicht entgegenstehen, gab es für den Gesetzgeber keinen Grund, auf dessen Rückforderung zu verzichten. Die Tatsache, daß bei bestimmten Leistungsempfängern nicht alle von diesen genossenen Vorteile abgeschöpft werden können, zwingt nicht zum Rückforderungsverzicht in Fällen, in denen solche Hindernisse nicht bestehen.

2.2 Die Regelung in § 349 Abs. 4 Sätze 1 und 3 LAG verstößt auch nicht gegen Art. 14 GG. Zwar mag die lastenausgleichsrechtliche Entschädigung jedenfalls nach ihrer Bewilligung und Auszahlung eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition darstellen. Auch für sie gilt aber, daß nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt werden. Die der Rechtsvorgängerin der Kläger gewährte Rechtsstellung enthielt von vornherein die Einschränkung, daß die Entschädigung bei Rückgabe des entzogenen Wirtschaftsgutes zurückgefordert werden könne. Diese Regelung war ihrerseits eigentumsrechtlich schon deshalb unbedenklich, weil sie letztlich das Vermögen des Betroffenen nicht beeinträchtigt. Die Rückforderung greift hiernach nicht in den durch die Eigentumsgarantie geschützten Bereich ein.

Die Argumentation der Kläger, Art. 14 GG sei schon deshalb verletzt, weil der Gesetzgeber die Zweckbindung der Mittel des Lastenausgleichssystems verletze, wenn die zurückverlangten Gelder nicht zum Ausgleich von Kriegsfolgelasten verwendet würden, ist nicht stichhaltig. Sie beruht auf der irrigen Annahme, die Abführung der vereinnahmten Rückflüsse nach § 349 LAG sei nicht gesetzlich geregelt. Bis Ende 1993 ergab sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 5 LAG der Ausgleichsfonds als Empfänger. Seit 1. Januar 1994 sind diese Mittel gemäß Art. 1 § 10 Abs. 1 Nr. 10 Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) an den dort gebildeten Entschädigungsfonds abzuführen. Die Zweckbindung der Mittelverwendung für die Kriegsfolgenabwicklung ist damit nicht in Frage gestellt. Die Frage, ob die Verwendung der rückgeführten Mittel Einfluß auf die Rechtmäßigkeit der gesetzlichen Rückforderung gegenüber den Klägern haben kann, stellt sich damit nicht.

Ferner können die Kläger sich nicht darauf berufen, ein berechtigtes Vertrauen auf das endgültige Behaltendürfen der Lastenausgleichsleistung, insbesondere des Zinszuschlages, sei verletzt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet das Rechtsstaatsprinzip den Schutz des Vertrauens, das der einzelne in gesicherte Rechtspositionen setzen darf, die ihm der Staat vorbehaltlos verliehen hat (vgl. BVerfGE 13, 215 ≪224≫; 14, 288 ≪297≫; 18, 429 ≪439≫; 23, 12 ≪32≫; 27, 231 ≪238≫; 30, 367 ≪386≫; 32, 111 ≪123≫; 45, 142 ≪168≫; 51, 356 ≪362≫). Das Vertrauen darauf, die Hauptentschädigung auch bei späterer Rückgabe des weggenommenen Wirtschaftsgutes behalten zu dürfen, war aber zu keiner Zeit geschützt. Dies ergibt sich daraus, daß die Zuerkennung und Erfüllung der Hauptentschädigung nach § 342 Abs. 2 LAG stets unter dem Vorbehalt ihrer Rückforderung im Falle nachträglichen Schadensausgleichs stand. Dies hat der Gesetzgeber auch den Geschädigten gegenüber zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, indem er ihnen ausdrücklich die Rechtspflicht auferlegt hat, die entsprechenden Wiederaufnahmegründe anzuzeigen (§ 342 Abs. 2 Satz 2 LAG).

2.3 Die Regelung in § 349 Abs. 4 Sätze 2 und 3 LAG verletzt schließlich nicht das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG).

Aus dem Sozialstaatsprinzip erwächst der staatlichen Gemeinschaft die Pflicht, Lasten mitzutragen, die ihre Ursache in schicksalhaften Umständen haben, von denen einzelne Teile der Bevölkerung betroffen wurden (vgl. BVerfGE 41, 126 ≪152 f.≫). Dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber mit der Schaffung des Lastenausgleichsgesetzes nachgekommen. Im Falle der Rückforderung von Lastenausgleichsleistungen geht es jedoch nicht um eine Entlastung schicksalhaft betroffener Bevölkerungsteile durch die Gemeinschaft. Infolge der Wiedervereinigung Deutschlands haben die Lastenausgleichsempfänger vielmehr überwiegend mit der Rückgabe der Vermögensgegenstände einen Schadensausgleich erlangt, der ihr Vermögen vermehrt hat. Angesichts dieses Vermögenszuwachses gebietet es das Sozialstaatsprinzip nicht, den aus Mitteln der Gemeinschaft geleisteten Zinszuschlag bei den Lastenausgleichsempfängern zu belassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

 

Unterschriften

Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Pagenkopf, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel

 

Fundstellen

Haufe-Index 1422479

BVerwGE

BVerwGE, 110

ZAP-Ost 1998, 36

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