Entscheidungsstichwort (Thema)

eheähnliche Lebensgemeinschaft, kein Anspruch auf Sonderurlaub mit Besoldung bei Niederkunft der Lebensgefährtin. Lebensgefährtin, kein Anspruch auf Sonderurlaub mit Besoldung bei Niederkunft der –. Sonderurlaub, kein Anspruch auf – mit Besoldung bei Niederkunft der Lebensgefährtin. Urlaub, kein Anspruch auf Sonder- mit Besoldung bei Niederkunft der Lebensgefährtin

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Beamter hat nach § 12 Abs. 2 der Sonderurlaubsverordnung in der bis April 1997 geltenden Fassung keinen Anspruch auf Gewährung bezahlten Sonderurlaubs bei Niederkunft seiner Lebensgefährtin.

 

Normenkette

BBG §§ 79, 89 Abs. 2; SUrlV F. 1992 § 12 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches OVG (Urteil vom 05.06.1996; Aktenzeichen 2 L 3170/95)

VG Lüneburg (Urteil vom 16.03.1995; Aktenzeichen 1 A 171/93)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 01.04.1998; Aktenzeichen 2 BvR 1478/97)

 

Tenor

Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Juni 1996 wird aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 16. März 1995 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

I.

Der klagende Zolloberinspektor beantragte 1993 an einem Freitag für diesen Tag Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung wegen der Niederkunft seiner mit ihm seit neun Jahren in nichtehelicher Gemeinschaft lebenden Partnerin. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da Sonderurlaub nach § 12 Abs. 2 der Sonderurlaubsverordnung – SUrlV – in Verbindung mit der entsprechend anwendbaren Regelung des § 52 Abs. 2 Satz 1 Buchst. e BAT nur bei der Niederkunft der Ehefrau eines Beamten in Betracht komme. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück.

Die Klage mit dem Antrag,

festzustellen, daß der Bescheid des Vorstehers des Hauptzollamtes vom 21. Mai 1993 und der Widerspruchsbescheid des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. September 1993 rechtswidrig waren,

hat das Verwaltungsgericht abgewiesen mit der Begründung, die Niederkunft der mit dem Kläger in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partnerin sei zwar ein “anderer wichtiger persönlicher Grund” im Sinne des § 12 Abs. 2 SUrlV, die Beklagte habe aber das ihr zustehende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt:

Die Feststellungsklage des Klägers sei analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nach Erledigung des geltend gemachten Leistungsanspruchs durch Zeitablauf als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Das berechtigte Interesse ergebe sich aus der – noch – hinreichend konkreten Wiederholungsgefahr, daß die Beklagte im Falle der Geburt eines weiteren Kindes einen erneuten Antrag des Klägers auf Sonderurlaub ebenfalls ablehne.

Die Niederkunft der Lebensgefährtin des Klägers sei ein anderer wichtiger persönlicher Grund i.S. des § 12 Abs. 2 Satz 1 SUrlV gewesen. Bei den “anderen wichtigen persönlichen Gründen” handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die ausdrücklich nur beispielhafte Erwähnung der Niederkunft der Ehefrau schließe nicht aus, die Niederkunft der Lebensgefährtin als sonstigen wichtigen persönlichen Grund anzusehen. Dies sei vielmehr geboten. Das Ereignis der Niederkunft der Lebensgefährtin habe das für einen wichtigen persönlichen Grund erforderliche Gewicht. Es betreffe nicht allein das Verhältnis des Klägers zu seiner Lebensgefährtin, sondern auch zu dem Kind. Die Geburt eines Kindes, das wie hier aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft stamme und in den gemeinsamen Haushalt aufgenommen werde, habe jedenfalls wegen der in einem solchen Fall vorhandenen engen Beziehung zwischen dem Vater und dem Kind den Rang eines wichtigen persönlichen Grundes.

Die Ermessensausübung der Beklagten dahingehend, in entsprechender Anwendung des § 52 Abs. 2, 3 BAT Sonderurlaub für den Tag der Niederkunft der Lebensgefährtin zu verweigern, sei dem Gewicht, das der Verordnungsgeber dem hier zu beurteilenden persönlichen Grund beimesse, nicht gerecht geworden. Allerdings dürfe der Dienstherr das ihm durch die Vorschrift eingeräumte Ermessen grundsätzlich durch Richtlinien konkretisieren. Der generelle Ausschluß von bezahltem Sonderurlaub im Falle der Niederkunft der Lebensgefährtin eines Beamten überschreite aber den Rahmen der Ermessensermächtigung. Bei den hohen Anforderungen des Verordnungsgebers an das Vorliegen eines wichtigen persönlichen Grundes bleibe nur wenig Spielraum für eine ablehnende Entscheidung. Dem werde die generelle Ablehnung bezahlten Sonderurlaubs im Falle der Niederkunft der Lebensgefährtin nicht gerecht.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Juni 1996 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 16. März 1995 zurückzuweisen.

Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger tritt der Revision entgegen.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden Urteils erster Instanz.

Die Feststellungsklage ist, nachdem das Begehren des Klägers auf Sonderurlaub sich durch Zeitablauf bereits vor Klageerhebung erledigt hatte, in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig (vgl. dazu etwa BVerwGE 81, 226 f.; stRspr). Die Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Berufungsgericht dahingehend, daß ein berechtigtes Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung bestehe, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet.

Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 der Sonderurlaubsverordnung in der hier noch anzuwendenden Fassung Bekanntmachung vom 29. April 1992 (BGBl I S. 977, mit späteren Änderungen) – SUrlV a.F. – kann aus wichtigen persönlichen Gründen Urlaub unter Fortzahlung der Besoldung gewährt werden, wenn dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Die Vorschrift konkretisiert auf der Grundlage des § 89 Abs. 2 BBG die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 79 BBG) im Verhältnis zur Dienstleistungspflicht des Beamten (§ 54 Satz 1, § 72 BBG). Die Fürsorgepflicht gebietet dem Dienstherrn nicht, allen besonderen zeitlichen Anforderungen, die dem Beamten aus seiner persönlichen Lebenssphäre erwachsen, durch Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung Rechnung zu tragen. Vielmehr ist vom Grundsatz der vollen Dienstleistungspflicht des Beamten auszugehen, der die Alimentationspflicht des Dienstherrn als Korrelat gegenübersteht (vgl. BVerfGE 40, 296 ≪321 f.≫; BVerwGE 72, 289 f.). Demgemäß ist es regelmäßig Sache des Beamten, zeitlichen Anforderungen aus seiner persönlichen Lebenssphäre im Rahmen seiner Freizeit gerecht zu werden, ggf. auch unter vertretbarer Inanspruchnahme von Erholungsurlaub (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 19. April 1996 – 4 S 3384/95 – ≪IÖD 1997, 14, 16) oder von Sonderurlaub unter Wegfall der Besoldung (§ 13 Abs. 1 Satz 1 SUrlV).

Es bedarf keiner abschließenden Erörterung und Entscheidung, ob die Niederkunft der Lebensgefährtin eines Beamten – allgemein oder unter näheren Voraussetzungen – wie die Niederkunft der Ehefrau (vgl. den Klammerzusatz in § 12 Abs. 2 Satz 1 SUrlV a.F.) zu den wichtigen persönlichen Gründen zählt, die nach § 12 Abs. 2 Satz 1 SUrlV a.F. die Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung erlauben. Auch wenn man dies annimmt, rechtfertigt es nicht den Schluß, daß der Dienstherr sein Ermessen regelmäßig durch Gewährung des Sonderurlaubs ausüben müsse und nur in besonderen – hier nicht gegebenen – Fällen zu einer Ablehnung gelangen dürfe.

Die Kann-Vorschrift läßt mangels näherer in ihr enthaltener Vorgaben Raum sowohl für positive als auch für negative Entscheidungen. Das gilt insbesondere für Fallgestaltungen außerhalb der in der Vorschrift selbst beispielhaft aufgeführten. Es liegt im Ermessen des Dienstherrn, unterschiedliche Fallgestaltungen, auch wenn sie sämtlich als wichtige persönliche Gründe angesehen werden, unterschiedlich zu gewichten und für bestimmte Fallgestaltungen von der rechtlich möglichen Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung regelmäßig abzusehen. Dabei darf der Dienstherr, wie allgemein, sein Ermessen zum Zwecke möglichst einheitlicher Handhabung auch durch den Erlaß von Richtlinien, hier unter Verweisung auf entsprechende Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages, generell binden. Hierbei ist der Dienstherr zwar angesichts der unterschiedlichen Rechtsverhältnisse und rechtlichen Vorschriften nicht aufgrund des Gleichheitssatzes verpflichtet, auf die ins einzelne gehenden Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages zurückzugreifen (vgl. dazu etwa BVerwGE 59, 176 ≪183≫; Urteil des Senats vom 9. Mai 1985 – BVerwG 2 C 20.82 – ≪Buchholz 235 § 48 Nr. 6 = ZBR 1985, 342≫; Beschluß vom 18. Februar 1992 – BVerwG 2 B 147.91 – ≪Buchholz 239.1 § 86 Nr. 2 = ZBR 1992, 155≫). Er ist daran aber auch nicht gehindert, soweit die durch die Bezugnahme getroffene Regelung jeweils inhaltlich der beamtenrechtlichen Überprüfung standhält.

Dies ist hier der Fall. Unter den dargelegten Gesichtspunkten war die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger den streitigen Sonderurlaub zuzubilligen. Soweit sie bei Niederkunft der Ehefrau allgemein zwei Tage oder je nach zeitlicher Lage einen Tag Sonderurlaub mit Besoldung gewährte – wie nunmehr in § 12 Abs. 3 SUrlV n.F. für einen Tag ausdrücklich vorgeschrieben –, war sie nicht gehalten, diese Vergünstigung generell auf weitere Fallgruppen wie die Niederkunft einer Lebensgefährtin auszudehnen. Die beiden letzten Fälle unterscheiden sich durch die nur in der Ehe bestehende rechtliche Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB) und durch die in aller Regel zweifelsfreie Feststellbarkeit und rechtliche Abgrenzung des Vorliegens einer Ehe. Bei einer Erweiterung der Vergünstigung sähe sich der Dienstherr vor der Notwendigkeit, Abgrenzungskriterien zu entwickeln und zu deren Feststellung zumindest Angaben des Beamten über die Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs sowie ggf. Belege für die Richtigkeit dieser Angaben zu verlangen. Eine solche Ausdehnung und Verfeinerung der bisherigen Praxis ist durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht geboten.

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Er gebietet nicht, Beamte als Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in jeder dienstrechtlichen Hinsicht verheirateten Beamten gleichzustellen (vgl. zum Besoldungsrecht BVerwGE 94, 253 ≪256≫ m.w.N.; zum Umzugskostenrecht BVerwGE 97, 255). Vielmehr rechtfertigen die genannten Unterschiede der Fallgestaltungen im Lichte des Art. 33 Abs. 5 GG zugleich ihre unterschiedliche Behandlung unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. insoweit auch BAG vom 25. Februar 1987 – 8 AZR 430/84 – ≪BAGE 54, 210 = NJW 1987, 2458≫ zu § 52 BAT). Soweit der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG auch die Lebensgemeinschaft der in nichtehelicher Gemeinschaft lebenden Eltern mit ihrem Kind umfaßt, wird er jedenfalls durch die auf sachlichen Gründen beruhende Nichtgewährung der hier streitigen Vergünstigung nicht wesentlich berührt, ebensowenig der Schutz der Mutter nach Art. 6 Abs. 4 und der unehelichen Kinder nach Art. 6 Abs. 5 GG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Franke, Dr. Lemhöfer, Dr. Müller, Dr. Bayer, Dr. Schmutzler

 

Fundstellen

BVerwGE, 94

ZBR 1998, 25

ZBR 1998, 98

DÖV 1997, 919

JA 1998, 191

DVBl. 1998, 203

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