Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung und Rückforderung von Kriegsschadenrente (Unterhaltshilfe). Vertrauensschutz. Zumutbarkeit der Rückgewähr. Erbe. Haftung für Nachlaßverbindlichkeit. Vermögensübernehmer. Umfang der Haftung. Anfechtungsklage. Rechtschutzinteresse bei nachträglicher Änderung des angefochtenen Bescheides. Prozeßurteil und hilfsweise Sachentscheidung

 

Normenkette

LAG § 267 Abs. 1, 2 Nr. 6, § 270 Abs. 1 S. 1, § 288 Abs. 1, §§ 289, 290 Abs. 1; BGB §§ 419, 1967; VwGO § 144 Abs. 4

 

Verfahrensgang

VG Ansbach (Urteil vom 19.04.1989; Aktenzeichen AN 15 K 86.00167)

 

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. April 1989 wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Rechtmäßigkeit eines Änderungs-, Rückforderungs- und Leistungsbescheides zur Kriegsschadenrente (Unterhaltshilfe) nach dem Lastenausgleichsgesetz – LAG –.

Der Kläger ist der Sohn und Alleinerbe der Frau Luise K. geb. R., die am 24. November 1984 verstorben ist. Die Erblasserin des Klägers war mit dem am 23. Juni 1977 verstorbenen Emil K. verheiratet.

Seit dem Jahre 1965 bis zu seinem Tode bezog Emil K. Kriegsschadenrente in Form von Unterhaltshilfe und Entschädigungsrente nach dem Lastenausgleichsgesetz. Ferner erhielt er eine Invalidenrente von der Landesversicherungsanstalt der Rheinprovinz. Nach dem Tode des Rentenberechtigten gewährte diese seiner Witwe Luise K. Witwenrente in Höhe von seinerzeit monatlich 253,40 DM. Luise K. wurde mit Bescheid vom 22. März 1977 von der Landesversicherungsanstalt rückwirkend ab 1. Februar 1977 ein eigenes Altersruhegeld bewilligt; dieses betrug monatlich 692,90 DM. Die Eheleute bezogen außerdem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem gemeinsam erworbenen Einfamilienhaus. Das Grundstück wurde nach dem Tode des Ehemannes von Luise K. im September 1977 veräußert. Der Kaufpreis betrug 63.000 DM.

Das Ausgleichsamt des Rhein-Berg. Kreises gewährte Luise K. als Rentennachfolgerin des bisherigen Rentenberechtigten nach dessen Tode Entschädigungsrente und Unterhaltshilfe. Der Bescheid des Ausgleichsamts vom 20. September 1977 über die Gewährung von Unterhaltshilfe berücksichtigte im Rahmen der Einkommensberechnung der Rentennachfolgerin den zwischenzeitlichen Wegfall der Versichertenrente ihres verstorbenen Ehemannes, den Bezug nunmehr der Witwenrente nach Emil K. (253 DM mtl.) sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Nachdem die Erblasserin des Klägers im Oktober 1977 der Ausgleichsbehörde ihren Umzug nach Nürnberg, den Verkauf des Hausgrundstücks sowie dadurch den Wegfall von Mieteinkünften angezeigt hatte, erließ das bisher zuständig gewesene Ausgleichsamt einen Änderungsbescheid zur Kriegsschadenrente, der den Wegfall der Mieteinkünfte berücksichtigte.

Erstmals in einer Erklärung über ihre Einkommensverhältnisse vom 14. Mai 1978 gegenüber dem nunmehr zuständigen Ausgleichsamt des Beklagten gab Luise K. an, im Vorjahr (1977) 7.621,90 DM und im laufenden Jahr (1978) 8.314,80 DM eigene Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen zu haben. Außerdem gab sie ein Kapitalvermögen von 4.000 DM an.

Dazu erklärte sie, von dem Erlös aus dem Grundstücksverkauf habe sie 60.000 DM ihrem Sohn (Kläger) geschenkt, der das Geld, da er einen 100 % geistig behinderten Sohn habe, zum Hauskauf verwende.

Das Ausgleichsamt der Beklagten erließ in der Folgezeit mehrere Änderungsbescheide zur Unterhaltshilfe, in denen an Einkünften der Luise K. gleichwohl lediglich deren Witwenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann sowie nunmehr (fiktive) Zinseinkünfte nach § 261 Abs. 1 Nr. 2 LAG aus dem – verschenkten – Kauferlös von 60.000 DM berücksichtigt sind.

Erst mit dem Änderungs-, Rückforderungs- und Leistungsbescheid zur Unterhaltshilfe vom 20. April 1982 rechnete das Ausgleichsamt neben Einkünften aus Kapitalvermögen (76 DM, davon 40 DM anrechnungsfrei) und der Witwenrente (253 DM) rückwirkend auch die eigene Versichertenrente der Erblasserin in Höhe von monatlich 692 DM an. Wegen Überschreitung des Einkommenshöchstbetrages der Unterhaltshilfe nach § 267 Abs. 1 LAG wurde die ab 1. Februar 1977 zu zahlende Unterhaltshilfe auf 0 DM festgesetzt und das Ruhen der laufenden Zahlung der Unterhaltshilfe angeordnet. Gleichzeitig wurde eine Zuvielzahlung an Unterhaltshilfe ab 1. Februar 1977 in Höhe von 31.350 DM errechnet und zurückgefordert. Zur Verrechnung mit der Überzahlung wurde die von Luise K. ebenfalls bezogene Entschädigungsrente in Höhe des Auszahlungsbetrages von monatlich 69,80 DM einbehalten.

Die Anrufung des Ausgleichsausschusses und die Beschwerde der Erblasserin des Klägers blieben erfolglos (Beschluß des Ausgleichsausschusses vom 18. August 1983 und des Beschwerdeausschusses vom 27. Dezember 1985).

Mit der Klage ist beantragt worden,

die angefochtenen Behördenentscheidungen aufzuheben sowie

festzustellen, daß der Stadt Nürnberg Ansprüche gegen Frau K. bzw. deren Erben nicht zustehen.

Die Beklagte und der Beteiligte haben Klageabweisung beantragt.

Während des Verwaltungsstreitverfahrens hat das Ausgleichsamt der Beklagten mit Bescheid vom 24. Februar 1987 seinen Änderungsbescheid zur Unterhaltshilfe vom 20. April 1982 abgeändert. Dieser sei wegen unvollständiger Datenspeicherung teilweise unrichtig. Die Berechnung der Unterhaltshilfe für den Monat Juli 1977 und die Abrechnung für die zurückliegende Zeit bis zum 28. Februar 1978 werde daher berichtigt. Hinsichtlich der Rückforderung bleibe der Bescheid vom 20. April 1982 unverändert. Anstelle der errechneten Zuvielzahlung von 31.350 DM betrage die um 1.898 DM geminderte Zuvielzahlung nunmehr insgesamt 29.452 DM. Nach bisheriger Erstattung bzw. Einbehaltungen von insgesamt 2.733,60 DM verbleibe eine restliche Überzahlung von derzeit 26.718,40 DM. Dieser Bescheid ist von dem Kläger nicht angefochten worden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 19. April 1989 abgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt:

Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage sei mit Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 24. Februar 1987 nachträglich entfallen. Dies ergebe sich daraus, daß der neue Bescheid den angefochtenen Bescheid vom 20. April 1982 abändere, der neue Bescheid nunmehr an den jetzigen Kläger gerichtet sei und sowohl der Betrag der Zuvielzahlung wie auch der nach Abzug von Verrechnungsbeträgen verbleibende restliche Überzahlungsbetrag sich gegenüber dem ursprünglichen Bescheid geändert hätten. Deshalb sei davon auszugehen, daß der Bescheid vom 24. Februar 1987 den Bescheid vom 20. April 1982 vollständig in seinen Regelungsgehalt aufgenommen habe. Sei aber anstelle des ursprünglichen, gegen die Unterhaltshilfeberechtigte gerichteten Bescheides vom 20. April 1982 der nunmehr gegen den Kläger gerichtete Bescheid vom 24. Februar 1987 unanfechtbar geworden, bestehe für die Klage gegen den ersten Bescheid kein Rechtsschutzbedürfnis. Dessen Aufhebung hätte für den Kläger keine praktische Bedeutung mehr.

Die Klage könne aber auch dann keinen Erfolg haben, wenn davon ausgegangen werde, daß die Unanfechtbarkeit des Bescheides vom 24. Februar 1987 der Zulässigkeit der Klage gegen den Bescheid vom 20. April 1982 nicht entgegenstehe. Die nachträgliche Anrechnung der von Luise K. bezogenen eigenen Altersrente beruhe auf den §§ 288 Abs. 1, 270 Abs. 3 LAG. Dem sich daraus ergebenden Rückforderungsanspruch der Ausgleichsbehörde könne weder Vertrauensschutz noch Entreicherung entgegengesetzt werden. Die Rentenempfängerin treffe zwar an der eingetretenen Überzahlung für die Zeit vom 1. Juni 1978 bis zum 31. März 1982 kein Verschulden. Vertrauensschutz scheitere jedoch daran, daß die Erstattung der Zuvielzahlungen unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse zumutbar sei. Abzustellen sei dabei auf die Verhältnisse des Klägers als Erben und Vermögensübernehmers (§§ 1967, 419 BGB). Auf beschränkte Erbenhaftung wegen Dürftigkeit des Nachlasses könne sich der Kläger nicht berufen. Der Kläger habe noch zu Lebzeiten der Unterhaltshilfeempfängerin von dieser 60.000 DM und damit nahezu deren gesamtes Vermögen erhalten; davon habe er nach eigenen Angaben jedenfalls 50.000 DM für eigene Zwecke verwenden können. Dafür, daß ihm selbst die Erstattung der überzahlten Unterhaltshilfe nach seinen eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht zumutbar sei, habe der Kläger nichts vorgetragen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der er sich gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts wendet, daß aufgrund des Änderungsbescheides vom 24. Februar 1987 für die Klage kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Der Beteiligte beantragt ebenfalls, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte ist im Revisionsverfahren nicht gemäß § 67 Abs. 1 VwGO vertreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

1. Die Anfechtungsklage ist entgegen der im Urteil des Verwaltungsgerichts vertretenen Auffassung zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Aufhebung des Änderungsbescheides zur Unterhaltshilfe vom 20. April 1982 besteht fort, ungeachtet dessen, daß dieser Bescheid nachträglich geändert worden ist.

Das bei Anfechtungsklagen in jedem Abschnitt des gerichtlichen Verfahrens erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse kann nicht mit der Begründung verneint werden, Änderungsbescheide nähmen generell den Regelungsgehalt des geänderten Bescheides in sich auf und müßten daher vorrangig im Rechtswege angegriffen werden. Soweit sich das Verwaltungsgericht für seine Auffassung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Änderungsbescheiden in Steuersachen sowie auf steuerrechtliche Literatur beruft, verkennt es, daß sich die vom Bundesfinanzhof getroffene Entscheidung (Beschluß des Großen Senats vom 25. Oktober 1972 – GrS. 1/72 – BStBl. 1973 II, 231) nicht ohne weiteres auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt übertragen läßt. Maßgebend ist, welchen Regelungsinhalt der mit der Klage angefochtene Bescheid und der ihn ändernde Bescheid haben. Ein konkretes Rechtsschutzbedürfnis an einer gerichtlichen Entscheidung über die Aufhebung des Verwaltungsakts besteht insbesondere dann nicht mehr, wenn der mit der Klage angefochtene Bescheid durch den Änderungsbescheid zurückgenommen oder widerrufen oder in allen seinen Regelungsteilen ersetzt wird, so daß der angefochtene Bescheid keine Rechtswirkungen mehr zeitigt. Davon kann im vorliegenden Fall nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Inhalt der beiden Bescheide vom 20. April 1982 und vom 24. Februar 1987 keine Rede sein.

Der angefochtene Änderungsbescheid vom 20. April 1982 enthält danach mehrere jeweils selbständige Regelungen. Mit ihm wird die Unterhaltshilfe rückwirkend zum 1. Februar 1977 – als Folge der nachträglichen anderweitigen Anrechnung von Einkünften der Rentenempfängerin – mit 0 DM festgesetzt und die laufende Unterhaltshilfe bis auf weiteres ruhend gestellt. Ferner wird die sich daraus ergebende Zuvielzahlung an Unterhaltshilfe mit 31.280,20 DM berechnet. Schließlich enthält der Bescheid ausdrücklich einen Rückforderungs- und Leistungsausspruch wegen der errechneten Zuvielzahlung an Unterhaltshilfe sowie die An ordnung der Verrechnung der Entschädigungsrente mit der Zuvielzahlung. Demgegenüber ist im angefochtenen Urteil festgestellt, daß der Änderungsbescheid vom 24. Februar 1987 lediglich eine Berichtigung der für die Zeit vom 1. Februar 1977 bis zum 28. Februar 1978 errechneten Zuvielzahlung an Unterhaltshilfe zugunsten des Rechtsnachfolgers der Rentenempfängerin enthält. Die rückwirkende Neuberechnung der Unterhaltshilfe, die Ruhensanordnung hinsichtlich der laufenden Rentenzahlungen, die Rückforderung der – nunmehr berichtigten – Zuvielzahlung sowie die Einbehaltung der Entschädigungsrente zur Verrechnung werden hierdurch ersichtlich nicht berührt. Unter diesen Umständen erweist sich die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts als fehlerhaft, daß eine Aufhebung des Bescheides vom 20. April 1982 für den Kläger „keine praktische Bedeutung” mehr habe; dieser Bescheid entfaltet nach wie vor Rechtswirkungen gegenüber dem Kläger, weil er weiterhin die Rechtsgrundlage insbesondere für den Rückforderungsanspruch der Ausgleichsbehörde gegenüber dem Kläger bildet. Daran ändert der nachträglich ergangene Bescheid vom 24. Februar 1987 nichts, wie dort auch ausdrücklich festgehalten ist.

Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß Adressat des Bescheides vom 20. April 1982 die Erblasserin des Klägers war, während der Änderungsbescheid vom 24. Februar 1987 an den Kläger selbst gerichtet ist. Der Änderungs-, Rückforderungs- und Leistungsbescheid vom 20. April 1982 ist noch zu Lebzeiten der Unterhaltsempfängerin ergangen und war deshalb an diese zu richten. Der Kläger als Erbe ist Gesamtrechtsnachfolger der Rentenempfängerin und tritt damit in die Rechtsstellung ein, die die Rentenempfängerin im Zeitpunkt ihres Todes hatte. Dies gilt auch für die Nachfolge des Erben in verfahrensrechtlicher Hinsicht (vgl. Urteil vom 20. Januar 1977 – BVerwG 5 C 18.76 – in BVerwGE 52, 16/19). Der Änderungsbescheid vom 24. Februar 1987 – zutreffender: Berichtigungsbescheid – war deshalb an den Kläger zu richten, der das noch von der Erblasserin eingeleitete Rechtsmittelverfahren gegen den Bescheid vom 20. April 1902 fortführt. Da der Bescheid vom 24. Februar 1987 den Bescheid vom 20. April 1982 nicht ersetzt hat, ist der Kläger als Rechtsnachfolger der Rentenempfängerin durch den angefochtenen Bescheid nach wie vor beschwert.

2. Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben, weil es die Zulässigkeit der Anfechtungsklage zu Unrecht verneint hat, und die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Zwar hat das Verwaltungsgericht die Abweisung der Klage hilfsweise darauf gestützt, daß diese auch aus materiellrechtlichen Gründen keinen Erfolg haben könne. Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil aber gleichfalls nicht aufrechterhalten werden, weil es sich damit nicht im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO).

Bei einer fehlerhaften Prozeßabweisung der Klage könnte das Revisionsgericht abschließend allenfalls dann in der Sache entscheiden, wenn im angefochtenen Urteil unanfechtbar getroffene tatsächliche Feststellungen dem Revisionsgericht eine hinreichende tatsächliche Grundlage für eine Sachentscheidung bieten und auch im Falle einer Zurückverweisung der Sache kein anderes Ergebnis möglich erscheint (vgl. Beschlüsse vom 13. Juni 1977 – BVerwG 4 B 13.77 – BVerwGE 54, 99 = Buchholz 310 § 132 Nr. 153 und vom 29. Oktober 1979 – BVerwG 4 CB 73.79 – Buchholz 310 § 144 Nr. 34; Urteil vom 12. Februar 1981 – BVerwG 2 C 42.78 – NVwZ 82, 103 = DVBl. 81, 495 = Buchholz 232 § 26 Nr. 21; BGH, Urteil vom 14. März 1978 – VI ZR 68/76 – NJW 78, 2031). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt; denn die Feststellungen im Zusammenhang mit der Hilfsbegründung ergeben nicht, daß der Kläger in vollem Umfange für die eingetretene Überzahlung der Unterhaltshilfe an seine Erblasserin einzustehen hätte.

Die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 20. September 1977 und von Folgebescheiden über die Gewährung von Unterhaltshilfe an Luise K. steht außer Frage. Der Bezug ihrer eigenen Altersrente mit Wirkung vom 1. Februar 1977 ist entgegen den gesetzlichen Vorschriften (§§ 267 Abs. 2 Nr. 6, 270 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 LAG) unberücksichtigt geblieben. Die tatsächlich bezogenen Einkünfte überschreiten den Einkommenshöchstbetrag des § 267 Abs. 1 LAG, so daß die Gewährung von Unterhaltshilfe für den hier in Rede stehenden Zeitraum nicht in Betracht gekommen wäre.

Zur Erstattung zuviel erhaltener Beträge an Kriegsschadenrente ist der Berechtigte gemäß § 290 Abs. 1 Satz 1 LAG verpflichtet, soweit nach diesem Gesetz oder nach allgemeinem Verwaltungsrecht ein Rückforderungsanspruch besteht. Ein Rückforderungsanspruch der Ausgleichsbehörde besteht nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts über die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte, wenn sich der Begünstigte wegen der rechtsgrundlos gewährten Leistungen nicht auf Vertrauensschutz berufen kann.

Vertrauensschutz setzt voraus, daß die Gründe für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht in den Verantwortungsbereich des Begünstigten fallen, dieser auf die vermeintliche Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts vertraut hat und unter den gegebenen Umständen auch vertrauen durfte sowie, daß der Begünstigte eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er andernfalls nicht getroffen haben würde. Liegen diese Umstände vor, setzt der Vertrauensschutz weiter voraus, daß dem Begünstigten die Rückgängigmachung der Vermögensdisposition bzw. die Rückgewähr der empfangenen Leistungen unter Berücksichtigung seiner Einkommens-, Vermögens- und sonstigen Lebensverhältnisse nicht zuzumuten ist (ständige Rechtsprechung, vgl., u.a. Urteile vom 9. Mai 1985 – BVerwG 3 C 21.84 – Buchholz 427.3 § 335 a Nr. 75 m.w.N. und vom 12. März 1987 – BVerwG 3 C 16.86 – Buchholz 427.3 § 288 Nr. 8 = Mtbl. BAA 87, 38 = ZLA 88, 25). Bei objektiver – selbst schuldloser – Verletzung der Meldepflicht gemäß § 289 LAG, eine Änderung der Einkommensverhältnisse anzuzeigen, entfällt ohne Einschränkung Vertrauensschutz (vgl. BVerwG 3 C 16.86, a.a.O.). Ein Recht auf Vertrauensschutz kann dem Rückforderungsanspruch der Ausgleichsbehörde danach nur entgegenstehen, wenn – u.a. – der Berechtigte seiner Anzeige- und Meldepflicht gemäß § 289 LAG genügt hat und die Gründe für die Rechtswidrigkeit eines Rentenbescheides damit nicht in seinen Verantwortungsbereich fallen.

Soweit der angefochtene Bescheid vom 20. April 1982 die Unterhaltshilfe für den Zeitraum vom 1. Februar 1977 bis zum 31. Mai 1978 betrifft, hat das Verwaltungsgericht zwar ohne Rechtsverstoß dem Grunde nach die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides festgestellt, weil kein Vertrauensschutz besteht. Die Rentenempfängerin hat den Bezug der eigenen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erst mit dem Schreiben vom 14. Mai 1978 mitgeteilt. Gleichwohl kann der Senat für diesen Zeitraum keine abschließende Entscheidung treffen. Das angefochtene Urteil enthält keine tatsächlichen Feststellungen dazu, in welcher Höhe sich für diesen Zeitraum eine Überzahlung ergibt und deshalb ein Rückforderungsanspruch der Ausgleichsbehörde besteht. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils, der den Erfordernissen des § 117 Abs. 3 VwGO ohnehin schwerlich genügt, ist eine von der Ausgleichsbehörde errechnete Überzahlung in Höhe von 9.799 DM erwähnt. Zur rechnerischen Richtigkeit dieser Berechnung verhält sich das angefochtene Urteil aber nicht. Zudem bleibt offen, wie sich der Berichtigungsbescheid vom 24. Februar 1987 auf die Höhe der Überzahlung gerade für diesen Zeitraum auswirkt.

Soweit das Verwaltungsgericht Vertrauensschutz auch für den Zeitraum ab Juni 1978 mit der Begründung ausschließt, dem Kläger sei jedenfalls die Erstattung der überzahlten Unterhaltshilfe zuzumuten, kann das angefochtene Urteil ebenfalls nicht bestätigt werden. Die rechtlichen Erwägungen, mit denen das Verwaltungsgericht die Zumutbarkeit einer Rückgewähr der überzahlten Unterhaltshilfe durch den Kläger begründet hat, verletzen Bundesrecht.

Der Rückforderungsanspruch der Ausgleichsbehörde wegen rechtsgrundlos gewährter Leistungen richtet sich grundsätzlich gegen den Rentenberechtigten als Empfänger der Rentenleistungen (§ 290 Abs. 1 LAG). Das Fehlen eines schutzwürdigen Vertrauenstatbestandes in der Person des Rentenberechtigten ist konstitutives Element eines Rückforderungsanspruchs der Ausgleichsbehörde. Ein Rückforderungsanspruch besteht nicht, wenn der Rentenempfänger zur Erstattung einer eingetretenen Überzahlung nicht verpflichtet ist, weil er berechtigterweise sein Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Rentenbescheide betätigt hat und ihm nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen die Rückgewähr der empfangenen Leistungen nicht zuzumuten ist. Ob dies zutrifft, richtet sich daher nach den Einkommens-, Vermögens- und sonstigen Lebensverhältnissen des Rentenempfängers selbst. Dabei ist für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Rückgewähr grundsätzlich die Sachlage maßgebend, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Rechtmäßigkeit der Rücknahmeverfügung oder der Rückforderung gegeben ist (vgl. Urteile vom 15. Juni 1972 – BVerwG 3 C 32.70 – BVerwGE 40, 147 = Buchholz 427.3 § 335 a Nr. 44 = ZLA 72, 159 und vom 8. Oktober 1981 – BVerwG 3 C 36.81 – Buchholz 427. 3 § 335 a Nr. 70 = ZLA 82, 71). Stirbt der Rentenempfänger und war eine Erstattungspflicht – jedenfalls „im Keime” – bereits in der Person des Rentenberechtigten entstanden, wird diese als Erblasserschuld in der zum Zeitpunkt des Erbfalles bestehenden Art und Höhe Nachlaßverbindlichkeit, für die der Erbe lediglich haftet (§ 1967 BGB).

Hiervon weicht das Verwaltungsgericht ab, wenn es maßgebend auf die Verhältnisse des Klägers im Zeitpunkt seiner Entscheidung abstellt. Dabei verkennt es zum einen, daß die Inanspruchnahme des Klägers als Gesamtrechtsnachfolger eine Verbindlichkeit seiner Erblasserin im Zeitpunkt des Erbfalles voraussetzt. Zum anderen übersieht es, daß der Erbe eines Empfängers von Ausgleichsleistungen in der Regel keinen in eigener Person begründeten Anspruch auf Vertrauensschutz hat (vgl. u.a. Urteile vom 8. Oktober 1965 – BVerwG 5 C 60.64 – BVerwGE 22, 190/193 und vom 28. Oktober 1975 – BVerwG 3 C 16.75 – Buchholz 427.3 § 335 a Nr. 56 = Mtbl. BAA 76, 294 = ZLA 76, 78). Bei Erlaß des angefochtenen Bescheides vom 20. April 1982 hat die Rentenempfängerin noch gelebt; sie war Adressatin dieses Bescheides. Der gegen sie geltend gemachte Rückforderungsanspruch hat inhaltlich keine Veränderung dadurch erfahren, daß die Begünstigte später verstorben ist. Zu Unrecht stützt das Verwaltungsgericht seine gegenteilige Auffassung auf die vorstehend angeführten Urteile des Senats zu dem für die Frage der Zumutbarkeit einer Rückgewähr maßgebenden Zeitpunkt (BVerwG 3 C 32.70 und BVerwG 3 C 36.81, a.a.O.). Beide Entscheidungen betrafen keinen der vorliegenden Streitsache vergleichbaren Sachverhalt, nämlich die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs der Ausgleichsbehörde gegen den Erben des Rentenberechtigten.

Schließlich erweist sich auch der vom Verwaltungsgericht angeführte Gesichtspunkt der Übernahme des Vermögens der Rentenempfängerin durch den Kläger nicht als tragend. Eine Haftung des Vermögensübernehmers für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche in entsprechender Anwendung des § 419 BGB ist in der Rechtsprechung zwar mehrfach bejaht worden (vgl. u.a. Urteil vom 29. März 1984 – BVerwG 3 C 18.83 – Buchholz 427.7 § 40 Nr. 2 = ZLA 85, 52 = IFLA 85, 151). Die Heranziehung des dieser Vorschrift zugrundeliegenden Rechtsgedankens führt im vorliegenden Fall jedoch nicht weiter. Das Verwaltungsgericht hat verkannt, daß die Haftung des Vermögensübernehmers nach § 419 BGB nur besteht, soweit es sich um im Zeitpunkt der Vermögensübernahme bereits vorhandene Verbindlichkeiten des Vermögensveräußerers handelt (vgl. dazu Urteil vom 28. Oktober 1975 – BVerwG 3 C 12.73 – Buchholz 427.3 § 350 a Nr. 38 = ZLA 76, 75). Nach dem im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Vorbringen des Klägers soll der Veräußerungserlös für das Grundstück der Rentenberechtigten dem Kläger bereits im Februar 1978 zugeflossen sein; tatsächliche Feststellungen dazu enthält das angefochtene Urteil nicht. Würde von dem vom Kläger behaupteten Zeitpunkt der Vermögensübernahme auszugehen sein, entfiele eine Haftung des Klägers aus § 419 BGB wegen etwaiger Rückforderungsansprüche gegen seine Erblasserin für nachfolgende Zeiträume. Abgesehen hiervon fehlt es an einem gegen den Kläger selbst als Vermögensübernehmer gerichteten Leistungsbescheid; im vorliegenden Verfahren wird der Kläger allein als Gesamtrechtsnachfolger der Rentenempfängerin in Anspruch genommen.

Ebensowenig kann dem Verwaltungsgericht darin gefolgt werden, daß dem Kläger die Einrede der beschränkten Erbenhaftung versagt sei, weil er zu Lebzeiten seiner Erblasserin deren Vermögen unentgeltlich übernommen habe und daraus die überzahlten Ausgleichsleistungen erstatten könne. Haftet der Erbe für die Verbindlichkeiten seines Erblassers, so verbleibt ihm grundsätzlich auch die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses (vgl. Urteile vom 28. Oktober 1975 – BVerwG 3 C 16.75 – a.a.O., vom 28. Oktober 1975 – BVerwG 3 C 12.73 – a.a.O. und vom 20. Januar 1977 – BVerwG 5 C 18.76 – BVerwGE 52, 16 = MDR 77, 782 = Buchholz 436.0 § 29 Nr. 4). Die hiervon abweichende Auffassung des Verwaltungsgerichts würde im Ergebnis zu einer erweiterten Haftung des Vermögensübernehmers führen, nämlich zur Haftung auch für nach der Vermögensübernahme begründete Verbindlichkeiten des Vermögensveräußerers, die in § 419 BGB keine Rechtsgrundlage hat.

Für eine abschließende Entscheidung durch den erkennenden Senat bietet der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt nach alledem keine hinreichende tatsächliche Grundlage, da das Verwaltungsgericht ein dem Rückforderungsanspruch der Ausgleichsbehörde möglicherweise entgegenstehendes Recht auf Vertrauensschutz rechtsfehlerhaft allein aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers beurteilt hat. Die nach Auffassung des Senats erforderlichen tatsächlichen Feststellungen wird das Verwaltungsgericht nunmehr nachzuholen haben. Wegen der für den Zeitraum ab Juni 1978 gewährten Unterhaltshilfe wird zu berücksichtigen sein, daß die weitere Überzahlung von der Rentenernpfängerin nicht verursacht worden ist. Jedoch wird zu prüfen sein, ob die Rentenempfängerin oder der seinerzeit von ihr bevollmächtigte Kläger die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide hätten erkennen können, so daß möglicherweise aus diesem Grunde ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Bewilligungsbescheide zu verneinen gewesen wäre; das Verwaltungsgericht hat diese Frage offengelassen. Soweit es sich um die Frage einer Zumutbarkeit der Rückgewähr handelt, ist auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Erblasserin des Klägers abzustellen.

 

Unterschriften

Dr. Dickersbach, Schmidt, van Schewick, Dr. Pagenkopf, Dr. Borgs-Maciejewski

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1210903

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