Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbeanzeige. Gewerbeuntersagung. Strohmannverhältnis. Strohfrauverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Gewerbeuntersagung setzt grundsätzlich voraus, dass das untersagte Gewerbe tatsächlich ausgeübt worden ist; die Anzeige nach § 14 Abs. 1 GewO steht der tatsächlichen Ausübung des Gewerbes nicht gleich.

Die Anzeige nach § 14 Abs. 1 GewO allein rechtfertigt nicht die Annahme eines Strohmann-/ Strohfrauverhältnisses, wenn der “Hintermann” nicht unter dem Namen des Anmeldenden, sondern allein unter seinem Namen nach außen am Wirtschaftsleben teilgenommen hat.

 

Normenkette

GewO § 14 Abs. 1, § 35 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessischer VGH (Urteil vom 30.01.2003; Aktenzeichen 8 UE 4048/00)

VG Darmstadt (Gerichtsbescheid vom 07.02.2000; Aktenzeichen 3 E 1688/99)

 

Tenor

Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Januar 2003 wird aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 7. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wendet sich gegen eine Gewerbeuntersagungsverfügung. Mit Verfügung vom 16. März 1995 untersagte der Beklagte ihrem Ehemann das Gewerbe “TV-Systeme für Krankenhäuser, Planung und Vertrieb” sowie jede selbständige gewerbliche Tätigkeit, soweit diese unter § 35 Abs. 1 der Gewerbeordnung – GewO – fällt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 1995 zurück. Die Gewerbeuntersagungsverfügung gegen den Ehemann wurde Anfang Juli 1995 bestandskräftig. Nachdem der Ehemann sein Gewerbe nicht abgemeldet hatte, vermerkte die Gemeinde B.… in ihren Akten eine Gewerbe-Abmeldung, in der als Datum der Betriebsaufgabe der 1. Mai 1995 und als künftige Betriebsinhaberin die Klägerin genannt sind.

Am 15. Mai 1995 meldete die Klägerin ihr Gewerbe “TV-Vermietung, Vertrieb und Planung” bei der Gemeinde B.… an und gab als Datum des Beginns der angemeldeten Tätigkeit ebenfalls den 1. Mai 1995 an. Als früheren Betriebsinhaber nannte sie ihren Ehemann.

Am 10. Oktober 1995 wurde das Einfamilienhaus der Klägerin und ihres Ehemannes von dem Gewerbeprüfdienst des Landrats des Kreises G.… aufgesucht, der neben der Haustür zwei Klingeln mit der Aufschrift “H.… J.… Sch…” sowie “Techn. Büro” und an der Hauswand zwei ca. 40 × 40 cm große Schilder mit der Beschriftung “TVS Technik Vertriebs Service” sowie “PVS Patienten Unterhaltungs Service” vorfand. Der Ehemann der Klägerin wurde nicht angetroffen.

Mit Schreiben vom 30. Oktober 1995, eingegangen bei dem Gemeindevorstand der Gemeinde B.… am 22. November 1995, meldete der Ehemann sein Gewerbe “TV-Systeme für Krankenhäuser” und “Planung und Vertrieb” zum 1. November 1995 ab.

Nach einem Vermerk der Finanzverwaltung der Gemeinde vom 8. Dezember 1997 erklärte der Ehemann anlässlich einer Vorsprache, er habe in den vergangenen Jahren das Gewerbe zusammen mit seiner Ehefrau ausgeübt. Er sei davon ausgegangen, dass die Untersagung nur für ein Jahr gelte. Zudem beabsichtige er, demnächst eine GmbH zu gründen. Zwei an die Gemeinde gerichtete Schecks über Gewerbesteuerzahlungen waren von dem Ehemann unterschrieben. Nach einem Aktenvermerk des Beklagten vom 10. Februar 1998 hat das Finanzamt G.… dem Beklagten mitgeteilt, dass der Ehemann “ganz offiziell Lohn- und Umsatzsteuer unter seinem Namen anmelde und auch (teilweise) abführe”. Im anschließenden Bußgeldverfahren des Regierungspräsidiums räumte der Ehemann die Zuwiderhandlung gegen den Gewerbeuntersagungsbescheid vom 16. März 1995 im Zeitraum 1996/97 ein. Ihm sei zur Erhaltung seiner Existenzgrundlage keine andere Wahl geblieben. Seine Frau arbeite in seinem Betrieb mit. Mit einer Geldbuße in Höhe von 6 500,00 DM sei er einverstanden. Den entsprechenden Bußgeldbescheid vom 4. März 1998 ließ der Ehemann bestandskräftig werden.

Unter dem 14. Dezember 1998 teilte der Beklagte der Klägerin seine Absicht mit, gegen sie ein Gewerbeuntersagungsverfahren durchzuführen und gab ihr Gelegenheit zur Äußerung. Die Klägerin ließ erklären, sie habe sich zu keinem Zeitpunkt als Strohfrau im Zusammenhang mit dem Gewerbe “TV-Vermietung, Vertrieb und Planung” zur Verfügung gestellt. Es reiche nicht aus, dass sie den Gewerbebeginn angemeldet habe. Die Anzeige habe keine konstitutive Bedeutung für die Ausübung eines Gewerbes.

Mit Verfügung vom 1. Juli 1999 untersagte der Beklagte der Klägerin die “TV-Vermietung, Vertrieb und Planung und jede selbständige gewerbliche Tätigkeit, soweit diese unter § 35 Abs. 1 GewO fällt” und fügte hinzu: “Die Untersagung bezieht sich auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigte eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person, sofern der Gewerbetreibende oder der Gewerbebetrieb ein Ihnen untersagtes Gewerbe ausübt”. Zur Begründung führte er aus, nach der den Ehemann der Klägerin betreffenden Untersagungsverfügung sei der Gewerbebetrieb pro forma auf den Namen der Klägerin angemeldet worden. Der Gewerbegegenstand sei identisch mit demjenigen des Ehemannes gewesen. Im Jahre 1997/98 habe sich herausgestellt, dass die Klägerin lediglich als sog. Strohfrau vorgeschoben gewesen sei. Tatsächlicher Gewerbetreibender sei jedoch ihr Ehemann gewesen.

Die Klägerin legte unter dem 3. August 1999 Widerspruch gegen die Untersagungsverfügung ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 1999 zurückwies.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter anderem geltend gemacht, sie habe kein Gewerbe ausgeübt und sich nicht als Strohfrau für einen unzuverlässigen Gewerbetreibenden zur Verfügung gestellt.

Der Beklagte hat ausgeführt, die Annahme, nur ein ausgeübtes Gewerbe könne untersagt werden, sei bei einem Strohfrauverhältnis fehlerhaft. Maßgeblich sei, dass der Ehemann unter Verstoß gegen die Gewerbeuntersagung habe tätig werden können und die Klägerin ihm dies durch ihre Gewerbeanmeldung ermöglicht habe.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2000 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, ein “Strohmann-Verhältnis” setze voraus, dass der unzuverlässige Gewerbetreibende sich nach außen im Geschäftsverkehr des guten Namens des Strohmannes bediene, um sich so dem Vorwurf ordnungswidrigen bzw. strafbaren Verhaltens wegen Zuwiderhandelns gegen ein Gewerbeverbot zu entziehen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Dass die Klägerin das von ihr angemeldete Gewerbe jahrelang nicht abgemeldet habe, verletze möglicherweise Anzeigepflichten, stelle jedoch keine Gewerbeausübung dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung des Beklagten mit Urteil vom 30. Januar 2003 (GewArch 2003, 197) im Wesentlichen aus folgenden Gründen stattgegeben: Die Gewerbeuntersagung sei zu Recht erfolgt. Die Klägerin habe sich als “Strohfrau” ihres Ehemannes, dem wegen gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit bestandskräftig das Gewerbe “TV-Systeme für Krankenhäuser, Planung und Vertrieb” untersagt worden sei, betätigt und sich somit ebenfalls als unzuverlässig i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO erwiesen, so dass der Beklagte der Klägerin das von ihr angemeldete Gewerbe “TV-Vermietung, Vertrieb und Planung” und gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO auch jede sonstige selbständige gewerbliche Tätigkeit, die unter § 35 Abs. 1 GewO falle, sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigte eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO zu Recht untersagt habe. Ein Strohfrau- bzw. Strohmannverhältnis liege nicht nur dann vor, wenn im Wirtschaftsverkehr unter dem Namen der Strohfrau oder des Strohmannes Tätigkeiten entfaltet worden seien, wenn also im Namen der Strohfrau oder des Strohmannes beispielsweise Werbung betrieben, Geschäfte getätigt, Verbindlichkeiten eingegangen oder solche getilgt worden seien, was alles hier nicht der Fall gewesen sei. Vielmehr genüge es, dass der Strohmann oder die Strohfrau ein Gewerbe lediglich anmelde, dieses aber nicht ausübe, er/sie die Anmeldung aufrechterhalte und der hinter der Strohfrau oder dem Strohmann stehende unzuverlässige Gewerbetreibende trotz bestandskräftiger Gewerbeuntersagung weiter im eigenen Namen gewerblich tätig sei. Die Unzuverlässigkeit des Strohmannes folge aus der Tatsache, dass er einem unzuverlässigen Hintermann die gewerbliche Betätigung ermögliche. Dies sei aber auch dann der Fall, wenn die Gemeinde durch die Anzeige eines Gewerbes und deren Aufrechterhaltung getäuscht werde und aufgrund dieser Täuschung der unzuverlässige Ehemann, dessen Gewerbeausübung bestandskräftig untersagt sei, sein Gewerbe weiter betreiben und damit weitere Schäden verursachen könne. Die Klägerin habe das Gewerbe überhaupt nicht betrieben, sondern dem unzuverlässigen Ehemann die Geschäftsführung vollständig überlassen. Nach dem Gesagten genüge es für das Strohfrauverhältnis, dass die Klägerin am 15. Mai 1995 ihr eigenes Gewerbe bei der Gemeinde angemeldet habe, das ein dem Gewerbe des Ehemannes im Wesentlichen gleichartiges Gewerbe sei, dass sie dabei als “früheren Betriebsinhaber” ihren Ehemann angegeben und diese Gewerbeanmeldung bis zu ihrem Schreiben vom 22. Juni 1999 aufrechterhalten habe. In Verbindung mit dem Umstand, dass sie ihr Gewerbe niemals ausgeübt habe, habe sie bei der Gemeinde den Irrtum erregt und aufrechterhalten, sie habe das Gewerbe ihres Ehemannes bzw. ein im Wesentlichen gleichartiges Gewerbe übernommen und führe dies anstelle des Ehemannes fort. Trotz dieser Gewerbeanmeldung habe sie nicht dafür gesorgt, dass ihr Ehemann entsprechend seiner Anfang Juli 1995 bestandskräftigen Gewerbeuntersagung seine Gewerbeausübung auch tatsächlich eingestellt habe. Vielmehr habe sie es geduldet, dass ihr Ehemann über einen Zeitraum von ca. drei Jahren gegen die bestandskräftige Gewerbeuntersagung habe verstoßen können. Durch die Anmeldung ihres Gewerbes und die Aufrechterhaltung dieser unrichtigen Anmeldung habe die Klägerin ihren Namen hergegeben für die unzulässige gewerbliche Betätigung ihres Ehemannes.

Die Klägerin macht zur Begründung der Revision, mit der sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung anstrebt, geltend: Eine Gewerbeuntersagung setze voraus, dass das Gewerbe tatsächlich betrieben werde. Sie sei nicht Gewerbetreibende des ihr untersagten Gewerbes gewesen. Die Gewerbeanmeldung, die nicht konstitutiv sei, reiche nicht aus, um die tatsächliche Gewerbeaufnahme zu begründen. Sie sei auch nicht “Strohfrau” ihres Ehemannes gewesen. Da sie das Gewerbe niemals betrieben habe und nicht nach außen in Erscheinung getreten sei, könne sie auch nicht “Strohfrau” sein. Von einem kollusiven Zusammenwirken mit ihrem Ehemann könne keine Rede sein, da dieser nie einen Zweifel daran gelassen habe, das Gewerbe unter seinem Namen auszuüben.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Parteien sich damit einverstanden erklärt haben (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO).

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hätte der Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts nicht stattgeben dürfen. Die Feststellungen des Berufungsgerichts gestatten eine Entscheidung in der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

1. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl I S. 202) ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Für die Beurteilung einer Gewerbeuntersagungsverfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen (Urteil vom 2. Februar 1982 – BVerwG 1 C 146.80 – Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 37 = GewArch 1982, 294).

2. Aus der Rechtsfolge dieser Vorschrift ist abzuleiten, dass Voraussetzung für eine Gewerbeuntersagung grundsätzlich ist, dass zu ihrem Zeitpunkt ein Gewerbe tatsächlich ausgeübt wird (Urteil vom 2. Februar 1982 – BVerwG 1 C 1.78 – GewArch 1982, 302; vgl. auch Beschluss vom 19. Februar 1993 – BVerwG 1 B 20.93 – GewArch 1995, 117). Das war hier nicht der Fall.

a) Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerspruchsbescheides das ihr untersagte Gewerbe im Sinne einer werbenden, auf Erwerb gerichteten Tätigkeit nicht ausgeübt und dazu auch keine konkreten Vorbereitungsmaßnahmen wie etwa Beschaffung von Betriebsräumen oder Einstellung von Personal getroffen, was ausreichen kann (Beschluss vom 16. Dezember 1992 – BVerwG 1 B 162.92 – Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 53 = GewArch 1993, 156).

b) Dass die Klägerin das Gewerbe gemäß § 14 GewO angemeldet hatte, besagt nicht, dass sie es tatsächlich ausgeübt hat. Nach § 14 Abs. 1 GewO muss derjenige, der den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes anfängt, dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anmelden. Die Anzeige ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie begründet als solche weder Rechte noch Pflichten und ersetzt nicht die tatsächliche Aufnahme des Gewerbes. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht den Fortbestand einer Gewerbeanzeige nur als Indiz für eine Gewerbeausübung, nicht aber als Beweis für die Fortführung eines Gewerbes seiner Beurteilung zugrunde gelegt (Urteil vom 2. Februar 1982 – BVerwG 1 C 1.78 – GewArch 1982, 302). Da hier festgestellt ist, dass die Klägerin das angemeldete Gewerbe niemals ausgeübt hat, kommt es auf die Indiz-Wirkung der Gewerbeanmeldung nicht an.

3. Von der Voraussetzung, dass das untersagte Gewerbe tatsächlich ausgeübt sein muss, bestehen allerdings Ausnahmen.

a) Nach § 35 Abs. 1 Satz 3 GewO kann ein Untersagungsverfahren fortgesetzt werden, auch wenn der Betrieb des Gewerbes während des Verfahrens aufgegeben wird. In diesem Fall wird voraussetzungsgemäß im Zeitpunkt der Untersagung das Gewerbe nicht mehr ausgeübt. Es muss allerdings bei Einleitung des Untersagungsverfahrens ausgeübt worden sein (vgl. dazu Urteil vom 16. März 1982 – BVerwG 1 C 124.80 – GewArch 1982, 303; s. auch OVG NRW, Beschluss vom 7. Dezember 1999 – 4 A 4559/99 – GewArch 2000, 387 = NVwZ-RR 2000, 779). Ein derartiger Sachverhalt liegt nicht vor.

b) Nach § 35 Abs. 7a GewO kann die Untersagung auch gegen Vertretungsberechtigte oder mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragte Personen ausgesprochen werden. Diese Vorschrift gestattet es, einer Person, die nicht Gewerbetreibender ist, die künftige Ausübung eines Gewerbes zu untersagen (vgl. dazu Urteil vom 19. Dezember 1995 – BVerwG 1 C 3.93 – BVerwGE 100, 187 = Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 61 = GewArch 1996, 241). Auch eine solche Fallgestaltung ist nicht gegeben.

c) § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist unter Berücksichtigung der Schutzzwecke der Vorschrift ferner dahin zu verstehen, dass in den sog. Strohmann-Fällen sowohl gegen den Strohmann als auch gegen den hinter diesem Stehenden eine Gewerbeuntersagung ausgesprochen werden kann.

aa) Von einem “Strohmann” spricht man im Gewerberecht, wenn jemand (der Strohmann) zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse als Gewerbetreibender vorgeschoben wird, das in Frage stehende Gewerbe in Wirklichkeit aber von einem anderen betrieben wird. Die eine Person gibt nur ihren Namen für den Gewerbebetrieb her und dient dem wahren Gewerbetreibenden als “Aushängeschild” (Urteil vom 30. September 1976 – BVerwG 1 C 32.74 – Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 32, S. 5 = GewArch 1977, 14 ≪15≫). In der Rechtsprechung ist der Strohmann auch als jederzeit steuerbare Marionette bezeichnet worden, die von dem “Hintermann” vorgeschoben wird, um zwecks Täuschung des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs die wahren faktisch-wirtschaftlichen Machtverhältnisse zu verschleiern (Urteil vom 2. Februar 1982 – BVerwG 1 C 3.81 – BVerwGE 65, 12 ≪13≫ = Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 39, S. 23 = GewArch 1982, 334). Ein Strohmannverhältnis ist nur dann anzunehmen, wenn eine genaue Analyse der Innenbeziehungen erweist, dass ein Gewerbetreibender zur Verschleierung der wirklichen Machtverhältnisse eine natürliche oder juristische Person vorschiebt, die ohne eigene unternehmerische Tätigkeit nur als Marionette des Gewerbetreibenden am Wirtschaftsleben teilnimmt (Urteil vom 2. Februar 1982 – BVerwG 1 C 20.78 – Buchholz 451.20 § 30 GewO Nr. 2, S. 5 = GewArch 1982, 200 ≪201 f.≫). Dabei liegt der eigentliche Sinn der rechtlichen Erfassung des Strohmannverhältnisses darin, den Hintermann in den gewerblichen Ordnungsrahmen einzubeziehen, nicht darin, den Strohmann daraus zu entlassen (Urteile vom 2. Februar 1982 – BVerwG 1 C 20.78 – und – BVerwG 1 C 3.81 – jeweils a.a.O.). Kennzeichnend ist danach die Teilnahme des Strohmannes/der Strohfrau am Wirtschaftsleben, die von dem Hintermann gesteuert wird. Das Gewerberecht muss im Interesse der Wirksamkeit des ordnungsrechtlichen Instrumentariums an das äußere Bild der gewerblichen Betätigung anknüpfen (Beschluss vom 16. Dezember 1992 – BVerwG 1 B 162.92 – GewArch 1993, 156 ≪157≫). Deshalb ist nicht das Betreiben des Geschäfts durch den Strohmann/die Strohfrau auf eigene Rechnung kennzeichnend. Wesentlich ist die nach außen gerichtete Betätigung des Strohmannes, namentlich dadurch, dass die Geschäfte in seinem Namen abgewickelt werden und ihn rechtlich binden sollen.

bb) Nach diesen Maßstäben kann hier ein Strohmann-/Strohfrauverhältnis nicht angenommen werden. Es fehlt an einer nach außen wirkenden Teilnahme der Klägerin am Wirtschaftsleben. Allein der Ehemann hat das ihm untersagte Gewerbe betrieben. Er ist ausschließlich unter seinem Namen, nicht unter dem der Klägerin, tätig gewesen. Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass allein die Anmeldung nach § 14 GewO die Annahme eines Strohmann-/Strohfrauverhältnisses rechtfertigt. Diese Anmeldung mag nach der Interessenlage und der Motivation der Klägerin und ihres Ehemannes auf die Begründung eines Strohmannverhältnisses gerichtet gewesen sein. Sie hat aber dazu nicht geführt. Das wird deutlich, wenn die Anmeldung des Gewerbes der Klägerin hinweggedacht wird. Dann hätte der Ehemann in derselben Weise im Geschäftsleben auftreten können, wie es tatsächlich geschehen ist. Denn er ist ausschließlich in seinem Namen nach außen gewerblich tätig geworden. Die Gewerbeanmeldung der Klägerin kann daher ohne weiteres hinweggedacht werden, ohne dass sich an der Tätigkeit des Ehemannes irgendetwas geändert hätte. Die Klägerin hat es somit durch die Gewerbeanmeldung nicht ermöglicht, dass der Ehemann das ihm untersagte Gewerbe fortführte. Vielmehr hat der Ehemann sein Gewerbe trotz der Gewerbeuntersagung unter seiner bisherigen Firma rechtswidrig fortgeführt. Kennzeichnend für das Strohmannverhältnis ist demgegenüber, dass der Hintermann unter dem Namen des Strohmannes das von dem Strohmann pro forma angemeldete Gewerbe betreibt. Solche Tatsachen sind jedoch hier nicht festgestellt.

Der bloße Umstand, dass sich die Behörde (möglicherweise) aufgrund der Gewerbeanmeldung der Klägerin vorübergehend in einem Irrtum über die Person des tatsächlich Gewerbebetreibenden befand, reicht für die Anwendung des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO nicht aus. Denn das Institut der Gewerbeuntersagung hat nicht den Zweck, Irrtümer oder Fehlvorstellungen zu verhindern, die nicht unmittelbar den ordnungsgemäßen Ablauf des Rechts- oder Wirtschaftsverkehrs betreffen, sondern nur für die behördliche Überwachungstätigkeit von Bedeutung sind. Im Falle einer unterbliebenen oder unrichtigen Anzeige nach § 14 Abs. 1 GewO liegt eine Ordnungswidrigkeit nach § 146 Abs. 2 Nr. 1 GewO vor, die gemäß § 146 Abs. 3 GewO mit einer Geldbuße bis zu 1 000 € geahndet werden kann. Diese Regelung genügt, um einer Irreführung oder Täuschung der Behörde bei der Gewerbeanmeldung entgegenzuwirken. Auch sonst bestand für die Behörde kein Anlass, der Klägerin die gewerbliche Betätigung zu untersagen, obwohl diese selbst kein Gewerbe betrieben hatte. Die dem Ehemann gegenüber bestandskräftig gewordene Gewerbeuntersagung war gemäß § 149 Abs. 2 Nr. 1 b) GewO in das Gewerbezentralregister einzutragen. Der vorsätzliche oder fahrlässige Verstoß des Ehemanns gegen die vollziehbare Untersagungsverfügung war gemäß § 146 Abs. 1 Nr. 1 a), Abs. 3 GewO mit einer Geldbuße von bis zu 5 000 € sanktioniert; bei beharrlicher Wiederholung drohte ihm gemäß § 148 GewO eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Es bedurfte mithin keiner weiteren Verfügung gegen die Klägerin, um der Verfügung gegen den Ehemann Beachtung zu verschaffen und ihn an der Fortsetzung seiner Tätigkeit zu hindern.

4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

 

Unterschriften

Bardenhewer, Hahn, Büge, Vormeier

Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben.

Bardenhewer

 

Fundstellen

DÖV 2004, 398

GewArch 2003, 482

JZ 2020, 141

JuS 2004, 450

BayVBl. 2004, 152

DVBl. 2004, 129

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