Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus bei erstmaligem Nichtbestehen der Abschlußprüfung nur bei Ursächlichkeit des Prüfungsmißerfolgs für das überschreiten der Förderungshöchstdauer. Beweislast des Auszubildenden für die Ursächlichkeit. Nichtbestehen der Abschlußprüfung auch bei prüfungsentscheidendem Versagen in einem Prüfungsteil. Leistung von Aus dungsförderung auch bei Förderungsende für volle Monate

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Leistung von Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus setzt voraus, daß der Auszubildende innerhalb der Zeit, die nach § 15 Abs. 3 BAföG als angemessene Verlängerung der Förderungsdauer zu bestimmen ist, seine Ausbildung berufsqualifizierend abschließen kann, nicht aber, daß er den berufsqualifizierenden Abschluß tatsächlich erreicht. Wird der berufsqualifizierende Abschluß durch eine Prüfung vermittelt, muß die Prüfung innerhalb der verlängerten Förderungsdauer abgelegt, nicht aber bestanden werden (Klarstellung zu BVerwGE 57, 75; 68, 20 und Urteil vom 5. November 1985 – BVerwG 5 C 115 und 116.83 – ≪Buchholz 436.36 § 15 Nr. 21 = NVwZ 1986, 298≫).

2. Ausbildungsförderung kann nach § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG nur beansprucht werden, wenn der Auszubildende – sein Versagen bereits im ersten Teil der Abschlußprüfung hinweggedacht – alle Teile seiner (ersten) Abschlußprüfung innerhalb der Förderungshöchstdauer hätte ablegen können oder aber sich für das Überschreiten der Förderungshöchstdauer bis zum Ende des erstmaligen Prüfungsversuchs mit Erfolg auf einen der in den Nrn. 1 bis 3 des § 15 Abs. 3 BAföG genannten Gründe hätte berufen können (Bestätigung von BVerwGE 70, 13).

 

Normenkette

BAföG Fassung 1981 § 15 Abs. 1; BAföG Fassung 1981 § 15 Abs. 3 Nr. 4; BAföG Fassung 1981 § 15 Abs. 3 Nr. 1; BAföG Fassung 1981 § 15a Abs. 1

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 20.03.1985; Aktenzeichen 7 S 688/84)

VG Freiburg i. Br. (Urteil vom 10.02.1984; Aktenzeichen 7 K 191/83)

 

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. März 1985 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger begehrt für die Monate Oktober und November 1982 Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus.

Zum Wintersemester 1974/75 nahm der Kläger ein Hochschulstudium im Diplom-Studiengang Mathematik auf, wechselte zum Wintersemester 1975/76 die Fachrichtung zum Studiengang Lehramt an Gymnasien mit den Hauptfächern Mathematik und Sport und vollzog zum Wintersemester 1977/78 erneut einen Fachrichtungswechsel, indem er nunmehr anstelle des Hauptfaches Mathematik das Hauptfach Biologie studierte. Mit Bescheid vom 9. November 1978 erkannte der Beklagte einen wichtigen Grund im Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG an; den Beginn der anderen Ausbildung setzte er auf das Wintersemester 1977/78 fest, die Zahl der von der bisherigen Ausbildung auf die jetzige anzurechnenden Semester auf Null. In den nachfolgenden Bewilligungsbescheiden wurde als Ende der (zehnsemestrigen) Förderungshöchstdauer jeweils der September 1982 genannt. Im Oktober 1981 meldete sich der Kläger zur wissenschaftlichen Prüfung für das Lehramt an Gymnasien im Frühjahr 1982, bestand diese aber im Fach Biologie nicht (Bescheid des Prüfungsamts vom 26. Mai 1982).

Im September 1982 suchte der Kläger für das Wintersemester 1982/83 um Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus nach, damit er die Wiederholungsprüfung im Fach Biologie im Herbst 1982 ablegen und im Anschluß hieran die wissenschaftliche Arbeit anfertigen könne.

Diesen Antrag wies der Beklagte mit Bescheid vom 8. November 1982 mit der Begründung zurück: Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus könne nach § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG nur geleistet werden, wenn alle Prüfungsteile des ersten – erfolglosen – Prüfungsversuchs innerhalb der Förderungshöchstdauer abgelegt worden seien oder aber – bei Scheitern bereits in einem frühen Stadium der Prüfung – innerhalb der Förderungshöchstdauer hätten abgelegt werden können. Daran fehle es, da der Kläger, auch wenn er die Prüfung Mitte Mai 1982 bestanden hätte, mit der sechs Monate in Anspruch nehmenden Anfertigung der wissenschaftlichen Arbeit seinen letzten Prüfungsteil erst nach Ablauf der Förderungshöchstdauer hätte abschließen können.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 11. November 1982 Widerspruch und beschränkte ihn unter Hinweis darauf, daß er die Wiederholungsprüfung am 9. November 1982 nicht bestanden habe, auf die Versagung der Ausbildungsförderung für die Monate Oktober und November 1982. Der Widerspruch blieb ebenso erfolglos wie die nachfolgende Klage. Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof durch Urteil vom 20. März 1985 (Leitsatz abgedruckt in ESVGH 36, 76) den angefochtenen Gerichtsbescheid geändert und den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, dem Kläger für die Monate Oktober und November 1982 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch des Klägers ergebe sich aus § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG. Zugunsten des Klägers müsse davon ausgegangen werden, daß er seinen ersten Prüfungsversuch innerhalb der Förderungshöchstdauer hätte abschließen können. Denn nach Auskunft des Ministeriums für Kultus und Sport Baden-Württemberg werde die wissenschaftliche Arbeit zwar in aller Regel nach etwa sechs Monaten abgegeben, in Ausnahmefällen aber auch bereits nach vier Monaten. Der Kläger hätte also, wenn er nach seiner mündlichen Prüfung sofort mit der schriftlichen Arbeit begonnen und sie nach vier Monaten abgegeben hätte, die Förderungshöchstdauer einhalten können. Dies wäre zwar wenig wahrscheinlich, aber doch nach der Auskunft des Ministeriums möglich gewesen. Ob der Kläger die Förderungshöchstdauer überschritten hätte, sei nachträglich unaufklärbar; die Nichterweislichkeit gehe, da das überschreiten der Förderungshöchstdauer einen anspruchsvernichtenden Umstand darstelle, zu Lasten des Beklagten. Dem Anspruch des Klägers stehe ferner nicht entgegen, daß er auch die Wiederholungsprüfung nicht bestanden habe und damit, weil das Prüfungsrecht eine weitere Wiederholungsprüfung nicht zulasse, für ihn ein berufsqualifizierender Abschluß seines Studiums nicht mehr möglich sei. Zwar stehe dies der Verlängerung der Förderungsdauer nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich entgegen, gelte aber nur für die Nrn. 1 bis 3 des § 15 Abs. 3 BAföG. Während in diesen Fällen eine Zukunftsprognose, deren Richtigkeit retrospektiv überprüfbar sei, stattzufinden habe, liege der darlehensweisen Weiterförderung nach § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG der Gedanke zugrunde, daß aufgewandte Förderungsmittel nicht durch das erstmalige Scheitern in der Abschlußprüfung sinnlos investiert sein sollten, sondern einen zweiten Prüfungsversuch rechtfertigten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er die Wiederherstellung des verwaltungsgerichtlichen Gerichtsbescheids erreichen will. Er rügt eine Verletzung des § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG sowie ein Abweichen von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; für die vom Berufungsgericht vorgenommene Differenzierung zwischen den einzelnen Tatbeständen des § 15 Abs. 3 BAföG sei eine innere Rechtfertigung nicht ersichtlich. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei vielmehr eine Verlängerung der Förderungsdauer nach § 15 Abs. 3 BAföG generell an die Erwartung geknüpft, der Auszubildende werde den berufsqualifizierenden Abschluß innerhalb der verlängerten Frist auch erreichen. Dies sei beim Kläger durch das wiederholte Scheitern im mündlichen Teil ausgeschlossen. Unabhängig hiervon scheitere der Anspruch des Klägers auch daran, daß dieser eine individuelle Studienplanung, die ihm den Abschluß der ersten Prüfung innerhalb der Förderungshöchstdauer ermöglicht hätte, nicht dargelegt habe. Im übrigen treffe auch die Beweislast dafür, daß das Überschreiten der Förderungshöchstdauer allein durch das erstmalige Nichtbestehen der Abschlußprüfung und nicht auch durch eine verfehlte Studienplanung in Gestalt einer zu späten Anmeldung zur Prüfung verursacht sei, den Auszubildenden, da die Ursächlichkeit des Prüfungsversagens anspruchsbegründende Tatsache für die Gewährung von Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus sei.

Der Kläger tritt dem entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil. Darüber hinaus führt er aus: Um nach den Vorstellungen des Beklagten auf jeden Fall innerhalb der Förderungshöchstdauer die Prüfung abschließen zu können, hätte er sich bereits zur Herbstprüfung 1981 meiden müssen mit der Folge, daß er dann selbst bei Ausnutzung der vollen sechs Monate für die schriftliche Arbeit ein halbes Jahr der rechtlich möglichen Förderungszeit, mithin ein ganzes Semester mit der damit verbundenen Möglichkeit der Weiterbildung und der Inanspruchnahme des Vorlesungsangebots nicht hätte nutzen können. Dies sei nicht zumutbar.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO). Denn auf der Grundlage der noch darzulegenden rechtlichen Erwägungen sind für die abschließende Entscheidung des Rechtsstreits weitere tatsächliche Feststellungen notwendig, die zu treffen dem Revisionsgericht verwehrt ist.

Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend erkannt, daß ein „Nichtbestehen der Abschlußprüfung” im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 4 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in der hier anzuwendenden Fassung des Siebenten BAföG-Änderungsgesetzes vom 13. Juli 1981 (BGBl. I S. 625) – BAföG – auch dann vorliegt, wenn die Prüfung schon wegen des Mißerfolgs in einem Prüfungsteil nach der Prüfungsordnung als nicht bestanden gilt, ohne daß der Prüfling alle von der Prüfungsordnung geforderten Prüfungsleistungen, wie hier der Kläger die wissenschaftliche Arbeit nach § 9 der Verordnung des Kultusministeriums über die Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien vom 2. Dezember 1977 (GBl. 1978 S. 1), erbracht hat. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 70, 13 ≪17 f.≫ und Urteil vom 26. Juli 1984 – BVerwG 5 C 31.82 – ≪FamRZ 1985, 213/214; insoweit in BVerwGE 70, 21 ff. nicht abgedruckt≫).

Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht auch entschieden, dem Anspruch des Klägers, für die ersten zwei Monate seines 11. Fachsemesters im Studiengang Lehramt an Gymnasien, also über das Ende der mit 10 Semestern veranschlagten Förderungshöchstdauer (§ 5 Abs. 3 Nr. 19 FörderungshöchstdauerV vom 9. November 1972 ≪BGBl. I S. 2076≫, seit der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1981 ≪BGBl. I S. 577≫ § 5 Abs. 2 Nr. 25) hinaus, gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG gefördert zu werden, stehe nicht bereits die Tatsache des Nichtbestehens der Wiederholungsprüfung entgegen. Daß die Wiederholungsprüfung bestanden, der berufsqualifizierende Abschluß also tatsächlich erreicht wird, ist in § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG ebensowenig Förderungsvoraussetzung wie in den anderen Privilegierungstatbeständen des § 15 Abs. 3 BAföG. Hier wie dort ist allein entscheidend, daß der berufsqualifizierende Abschluß in der als angemessen erachteten zusätzlichen Förderungszeit erreicht werden kann, nicht aber, daß er tatsächlich erreicht wird. Denn Sinn des § 15 Abs. 3 BAföG ist es nicht, eine Prämie für den erfolgreichen Abschluß der Ausbildung in Aussicht zu stellen oder zu gewähren, sondern dem Auszubildenden durch die förderungsrechtliche Eliminierung der nachteiligen Auswirkungen der benannten Verzögerungsgründe die Chance zu eröffnen, trotz Ablaufs der Förderungshöchstdauer seine Ausbildung berufsqualifizierend abzuschließen. Die Leistung von Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus kommt deshalb nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann in Betracht, wenn der Auszubildende innerhalb der als angemessen erachteten zusätzlichen Förderungszeit seine Ausbildung berufsqualifizierend abschließen kann (so ausdrücklich die Leitentscheidung BVerwGE 57, 75 ≪78≫, auf die das Bundesverwaltungsgericht als Grundlage seiner ständigen Rechtsprechung stets Bezug genommen hat), die zeitliche Zugabe mithin ausreicht, um alle nach der jeweiligen Prüfungsordnung geforderten Prüfungsteile abzulegen. Daß der Auszubildende hierbei Erfolg haben muß, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts für die Gewährung von Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht gefordert worden. Auch die Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum Bundesausbildungsförderungsgesetz haben die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stets im oben dargelegten Sinne verstanden (vgl. Tz. 15.3.2 BAföGVwV 1980 vom 31. Juli 1980 ≪GMBl. S. 358≫, 1982 vom 7. Juli 1982 ≪GMBl. S. 311≫ und 1986 vom 30. Juli 1986 ≪GMBl. S. 397≫).

Zuzugeben ist dem Berufungsgericht allerdings, daß sich in späteren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts die Formulierung findet, die Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus setze – neben dem Vorliegen eines der in § 15 Abs. 3 Nrn. 1 bis 4 BAföG genannten Gründe – stets zusätzlich voraus, daß der Auszubildende innerhalb des Zeitraumes, der im Hinblick auf den jeweils gegebenen Grund für eine Förderung als angemessen im Sinne des § 15 Abs. 3 BAföG anzusehen ist, die Ausbildung berufsqualifizierend abschließt (vgl. Urteile vom 1. Februar 1980 – BVerwG 5 C 38.78 – ≪Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 7 = FamRZ 1980, 730≫; vom 22. Oktober 1981 – BVerwG 5 C 111.79 – ≪Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 11 = FamRZ 1982, 544≫; vom 8. September 1983 – BVerwG 5 C 26.81 – ≪BVerwGE 68, 20/27≫; vom 5. November 1985 – BVerwG 5 C 115 und 116.83 – ≪Buchholz § 15 Nr. 21 = NVwZ 1986, 298≫). Diese Formulierung könnte insofern mißverstanden werden, als der Begriff des berufsqualifizierenden Abschlusses – wie er in § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BAföG verwendet wird – jedenfalls dann, wenn der berufsqualifizierende Abschluß durch eine Abschlußprüfung vermittelt wird, auch das Bestehen der Abschlußprüfung einschließt (vgl. BVerwG. Urteil vom 14. Januar 1982 – BVerwG 5 C 49.80 – ≪Buchholz 436.3.6 § 7 BAföG Nr. 25 = FamRZ 1982, 739/740≫). Gemeint war damit aber nur das Ablegen der Prüfung, die Teilnahme an einem Prüfungsverfahren, nicht das Bestehen der Abschlußprüfung, wie es in anderen Entscheidungen auch deutlich zum Ausdruck kommt (vgl. BVerwGE 70, 21 ≪23≫; BVerwGE 71, 199 ≪202≫). So ist auch bisher in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 15 Abs. 3 BAföG Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus in keinem Fall etwa deshalb versagt worden, weil der Auszubildende seine Abschlußprüfung nicht bestanden hat. Versagungsgrund war vielmehr in allen Fällen entweder, daß aufgrund des zum Ende der Förderungshöchstdauer zutage getretenen Ausbildungsrückstandes prognostizierend ausgeschlossen werden konnte, daß sich der Auszubildende innerhalb des als angemessen anzusehenden Verlängerungszeitraums der Abschlußprüfung werde unterziehen können (so BVerwGE 57; 75 ff.), oder aber, daß bei einer nachträglichen Entscheidung über das Leistungsbegehren aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen tatsächlichen Entwicklung feststand, daß der Auszubildende die Abschlußprüfung innerhalb der in Betracht zu ziehenden Verlängerungszeit nicht abgelegt hatte, sei es, daß er sich zu ihr noch gar nicht gemeldet (so in den genannten Urteilen vom 7. Februar 1980 und vom 22. Oktober 1981 ≪Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nrn. 7 und 11≫) oder sie erst nach Ablauf der Verlängerungszeit bestanden hatte (so in den genannten Urteilen vom 8. September 1983 und vom 5. November 1985 ≪BVerwGE 68, 20 ff. und NVwZ 1986, 298≫), Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Anspruch des Klägers auf Weiterförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus bis zum Nichtbestehen der Abschlußprüfung scheitere nicht bereits am Prüfungsmißerfolg, erweist sich demnach im Ergebnis als richtig, allerdings nicht aus einem Auslegungsgesichtspunkt der wie das Berufungsgericht meint, allein für die Nr. 4 des § 15 Abs. 3 BAföG Geltung beanspruchen könnte. Der Erfolg in der Abschlußprüfung ist vielmehr hier wie in allen anderen Nummern des § 15 Abs. 3 BAföG nicht von auslegungsbestimmender Bedeutung. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht auch betont, daß die für eine Förderung nach § 15 Abs. 3 BAföG über die Förderungshöchstdauer hinaus entwickelten Grundsätze neben einem der in § 15 Abs. 3 Nrn. 1 bis 4 BAföG genannten Gründe stets gelten (Urteil vom 5. November 1985 ≪NVwZ 1986, 298≫), und ihre Anwendung auch in einem Fall des § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG gefordert (BVerwGE 70, 21 ≪23≫).

Dem Anspruch des Klägers auf Ausbildungsförderung für den gesamten Monat November 1982 steht ferner nicht entgegen, daß er bereits am 9. November 1982 in der Wiederholungsprüfung gescheitert ist. Zwar endet mit dem endgültigen Nichtbestehen der Abschlußprüfung die Ausbildung auch förderungsrechtlich (BVerwGE 54, 191 ≪194≫; 67, 104 ≪106≫ sowie Urteile vom 13. Dezember 1979 – BVerwG 5 C 70.77 – ≪Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 14 = FamRZ 1980, 505≫ und vom 12. Januar 1984 – BVerwG 5 C 1.82 – ≪Buchholz § 15 a BAföG Nr. 1 = FamRZ 1984, 1155≫). Gleichwohl hat dieses ausbildungsbeendende Ereignis ebensowenig wie die gesetzlich ausdrücklich benannten Beendigungsgründe (vgl. § 15 a Abs. 3 und Abs. 4 BAföG) unmittelbar anspruchsvernichtende Wirkung, sondern führt erst mit Ablauf des Monats, in den das Ereignis fällt, zum Verlust des Förderungsanspruchs (vgl. Müller-Schöll in Rothe/Blanke, BAföG, 3. Aufl. ≪8. Lfg. 1978≫, Rdnr. 8 zu § 15 a; Kreutz in Rothe/Blanke, BAföG, 4. Aufl. ≪6. Lfg. 1987≫, Rdnr. 12 zu § 15 a; Tz. 15.2.2 BAföGVwV 1986 in der Fassung der BAföGÄndVwV 1988 vom 20. Juli 1988 ≪GMBl. S. 347≫). Diese in Tz. 15.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz seit der Entwurfsfassung vom 5. Januar 1972 (GMBl. S. 54) enthaltene und die Verwaltungspraxis prägende Auslegung entspricht den Bedürfnissen einer auf maschinelle Durchführung angelegten Massenverwaltung (vgl. Müller-Schöll und Kreutz in Rothe/Blanke ≪a.a.O.≫) und ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des in den §§ 15 Abs. 1, 15 a Abs. 1 BAföG für den Förderungsbeginn ausdrücklich niedergelegten Rechtsgedankens, Ausbildungsförderung im Interesse der Verwaltungsvereinfachung für eine maschinengestützte Massenverwaltung grundsätzlich für volle Monate zu leisten.

Die Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus setzt allerdings Ursächlichkeit des vom Auszubildenden in Anspruch genommenen Privilegierungsgrundes voraus. Der Auszubildende kann Förderung nach § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG nur beanspruchen, wenn er „infolge” des erstmaligen Nichtbestehens der Abschlußprüfung die Förderungshöchstdauer überschritten hat. Dies erfordert den Nachweis, daß der Auszubildende – sein Versagen bereits im ersten Teil der Abschlußprüfung hinweggedacht – alle Teile seiner Abschlußprüfung innerhalb der Förderungshöchstdauer hätte ablegen können (vgl. BVerwGE 70, 13 ≪15, 19 f.≫). Anderenfalls wäre das Überschreiten der Förderungshöchstdauer nicht durch das Prüfungsversagen, sondern durch eine verfehlte, den erforderlichen Zeitbedarf für die Abschlußprüfung nicht einkalkulierende Studienplanung bedingt, die das Gesetz als privilegierenden Verzögerungsgrund nicht anerkennt.

Hiervon ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Es ist dabei in Würdigung der Auskunft des Prüfungsamts beim Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg vom 25. Januar 1985 zu dem Ergebnis gelangt, es sei nicht erweislich, weil nachträglich unaufklärbar, ob der Kläger die wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien noch innerhalb der Förderungshöchstdauer durch Abgabe der wissenschaftlichen Arbeit abgeschlossen hätte. An dieses Ergebnis der tatrichterlichen Beweiswürdigung ist das Revisionsgericht gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Eine Verletzung allgemeinverbindlicher Beweiswürdigungsgrundsätze, zu denen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133; 157 BGB), die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze gehören (vgl. BVerwGE 47, 330 ≪361≫; 61, 176 ≪188≫; Urteil vom 8. Mai 1984 – BVerwG 9 C 141.83 – ≪Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 147≫) ist vom Beklagten weder gerügt worden noch sonst ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Beklagten leidet das angefochtene Urteil wegen dieser Feststellung auch nicht am Mangel unzureichender Sachaufklärung. Eine weitere Aufklärung des tatsächlichen Studierverhaltens des Klägers und gegebenenfalls die Feststellung, dieses unterscheide sich nicht von demjenigen aller anderen Studenten, hätte das Berufungsgericht zu keiner weitergehenden Folgerung für die in § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG geforderte Ursächlichkeit geführt. Denn auch dann, wenn die Studienplanung des Klägers dem Durchschnitt entsprochen hätte, wäre dies nur ein Indiz, nicht aber ein Beweis dafür gewesen, daß er die Bearbeitungszeit von insgesamt sechs Monaten für die wissenschaftliche Arbeit voll ausgeschöpft und damit die Ausbildung nicht innerhalb der Förderungshöchstdauer abgeschlossen hätte. Daß ein Indiz – auch ein gewichtiges – nicht ausgereicht hätte, um das Berufungsgericht zu überzeugen, ergibt sich daraus, daß es selbst festgestellt hat, daß eine Bearbeitung der wissenschaftlichen Arbeit innerhalb von vier Monaten im Falle des Klägers wenig wahrscheinlich sei, aber eben nicht ausgeschlossen.

Bundesrecht verletzt das Urteil des Berufungsgerichts jedoch mit seiner Ansicht, das Risiko der festgestellten Unerweislichkeit treffe die Förderungsverwaltung und nicht den Auszubildenden. Wer die (materielle) Beweislast trägt, bestimmt sich nach materiellem Recht und ist in Auslegung der im Einzelfall einschlägigen Norm zu ermitteln; enthält diese keine besonderen Regelungen, so greift der allgemeine Rechtsgrundsatz ein, daß die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, zu ihren Lasten geht (vgl. BVerwGE 18, 168 ≪171≫; 44, 265 ≪270 f.≫; 45, 131 ≪132≫; 47, 330 ≪339≫; 55, 288 ≪297≫; 61, 176 ≪189≫). Die hiernach geforderte Auslegung des § 15 Abs. 3 BAföG ergibt, daß die Beweislast für das Vorliegen der Ursächlichkeit des hier in Anspruch genommenen Privilegierungsgrundes den Auszubildenden trifft. Der Förderungsanspruch erlischt grundsätzlich mit Ablauf der Förderungshöchstdauer (§ 15 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BAföG); nur ausnahmsweise – enumerativ – prolongiert ihn das Gesetz für eine dem jeweiligen Verzögerungsgrund angemessene Zeit, aber auch nur dann, wenn infolge des Verzögerungsgrundes die Förderungshöchstdauer überschritten worden ist, der Verzögerungsgrund mithin ursächlich war. Diese im Wortlaut und Aufbau des § 15 BAföG deutlich zum Ausdruck kommende Systematik weist das Vorliegen des Verzögerungsgrundes und seiner Ursächlichkeit als anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmale des – ausnahmsweise gewährten – Förderungsanspruchs über die Förderungshöchstdauer hinaus aus. Von dieser gesetzesimmanenten Systematik wie auch vom Zweck der Vorschrift her ist es gerechtfertigt. Ungewißheiten und Unklarheiten bei der Beweislastentscheidung zum Nachteil des Auszubildenden dann ausgehen zu lassen, wenn sie in dessen Verantwortungs- und Verfügungssphäre fallen (vgl. BVerwGE 55, 288 ≪297≫). Dies ist jedenfalls beim Nichtbestehen der Abschlußprüfung und seiner Ursächlichkeit für das Überschreiten der Förderungshöchstdauer der Fall.

Hat demnach das Berufungsgericht unter Verkennung der materiellen Beweislast dem Kläger zu Unrecht einen Förderungsanspruch aus § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG zugesprochen, so könnte sich gleichwohl das Urteil aus einem anderen Grunde als im Ergebnis zutreffend erweisen. Denn in den tatrichterlichen Rechtszügen bisher nicht gewürdigt worden ist das Vorbringen des Klägers, er hätte, um sicher die Förderungshöchstdauer einhalten zu können, bereits an der Herbstprüfung 1981 teilnehmen und dadurch fast ein volles Semester förderungsfähiger Ausbildung opfern müssen; dies hätte ihm nicht zugemutet werden können.

Dieser bereits im Widerspruchsverfahren eingeführte Vortrag des Klägers gibt Anlaß zu prüfen, ob der Anspruch des Klägers auf Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus aus § 15 Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG gerechtfertigt ist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird auch dann, wenn der Zeitpunkt der Ablegung des letzten Prüfungsteils der erstmalig nichtbestandenen Abschlußprüfung nach dem Ende der Förderungshöchstdauer liegt, für einen späteren Zeitraum nach § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG Ausbildungsförderung geleistet, wenn der Auszubildende sich für das überschreiten der Förderungshöchstdauer bis zum Ende der gesamten regulären Prüfungszeit des erstmaligen erfolglosen Prüfungsversuchs mit Erfolg auf einen der in Nrn. 1 bis 3 des § 15 Abs. 3 BAföG genannten Gründe berufen kann (BVerwGE 70, 13 ≪15 f., 19 f.≫). Nach dem Vortrag des Klägers käme als ergänzender Rechtsgrund für seinen Förderungsanspruch nach § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG ein schwerwiegender Grund im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG in Betracht. Hätte der Kläger nämlich nicht schon in einem ersten Teil seiner Abschlußprüfung keine ausreichenden Leistungen erzielt, wodurch die Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien insgesamt als nicht bestanden galt, hätte er das Examen möglicherweise erst nach dem Ablauf der Förderungshöchstdauer beenden können, ohne daß es ihm zumutbar war, diese Verzögerung zu verhindern. Zwar ist, wie der Senat in seinem Urteil vom 11. August 1983 – BVerwG 5 C 95.81 – (Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 15 = FamRZ 1984, 105 = DÖV 1984, 212) ausgeführt hat, mit der Festsetzung der Förderungshöchstdauer nicht die Garantie verbunden, daß sie dem Auszubildenden in jedem Fall voll zur Verfügung stehen muß. Schon aus organisatorischen Gründen wird es den Prüfungsämtern nicht möglich sein, die Prüfungstermine in der Weise festzusetzen, daß die Auszubildenden die Förderungshöchstdauer regelmäßig in vollem Umfang ausnutzen können. Werden jedoch Prüfungen in jedem Semester nur einmal durchgeführt und führt die Wahrnehmung eines früheren Prüfungstermins dazu, daß die dem Auszubildenden mit der Festsetzung der Förderungshöchstdauer eingeräumte Studienzeit nahezu vollständig um die Zeit der Lehrveranstaltungen eines Semesters verkürzt wird, dann liegt darin eine mit dem Zweck der Förderungshöchstdauer unvereinbare und den Auszubildenden so schwerwiegend treffende Beeinträchtigung seiner Studiengestaltung, daß es ihm nicht zumutbar ist, sie in Kauf zu nehmen.

Ob diese Voraussetzung gegeben ist, muß, da tatsächliche Feststellungen insoweit bisher fehlen, der Aufklärung im fortzusetzenden Berufungsverfahren vorbehalten bleiben. Dort wird auch zu klären sein, ob sich der Kläger innerhalb der Förderungshöchstdauer auch der Fachprüfung in seinem zweiten Hauptfach Sport unterzogen hat. Tatsächliche Feststellungen dazu fehlen bisher ebenfalls. Der in den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Akten des Beklagten befindliche Prüfungsbescheid vom 26. Mai 1982 gibt hierüber keinen sicheren Aufschluß. Die Prüfungsordnung verlangt nämlich nicht, daß die Abschlußprüfung in beiden Hauptfächern des Lehramtsstudiums stets gleichzeitig in einem Termin abzulegen ist. Nach § 5 Abs. 8 der Prüfungsordnung kann die Prüfung in den beiden Fächern innerhalb der sich aus den Absätzen 1 bis 5 dieser Vorschrift ergebenden Frist an zwei Terminen abgelegt werden. Der Zeitraum zwischen den beiden Terminen darf jedoch nicht größer sein als ein Jahr. Dies gilt auch dann, wenn der Bewerber die Prüfung im vorgezogenen Fach wiederholt. Unter diesen Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger bis zum Ablauf der Förderungshöchstdauer einen Prüfungsversuch im Fach Sport nicht unternommen hat und er sich insoweit auf einen Privilegierungstatbestand des § 15 Abs. 3 BAföG nicht mit Erfolg berufen kann. Trifft dies zu, dann wäre die Klage schon deshalb unbegründet.

 

Unterschriften

Dr. Zehner, Dr. Fink, Rochlitz, Dr. Hömig, Dr. Pietzner

 

Fundstellen

Haufe-Index 839038

BVerwGE, 290

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