Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsbegründungsfrist. Fristverlängerung. Grundstücksverkehrsgenehmigung. Widerspruch. Verwirkung. Auslegung eines Widerspruchsschreibens. Auslegungsgrundsätze. „Verbot der erfolgsorientierten Auslegung”

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Verbot, Willenserklärungen zu Gunsten eines Verfahrensbeteiligten erfolgsorientiert auszulegen, kennt das Bundesrecht nicht.

Eine Behörde, bei der der Widerruf bzw. die Rücknahme eines belastenden Verwaltungsaktes beantragt wird, muss zunächst prüfen, ob der Verwaltungsakt gegenüber dem Antragsteller bestandskräftig geworden ist, und andernfalls den Antrag auch als Widerspruch gegen den Verwaltungsakt auslegen.

Zu den Förmlichkeiten bei einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.

 

Normenkette

GVO §§ 1-2; VwGO §§ 68, 70, 58 Abs. 2, § 124a Abs. 3; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

OVG Mecklenburg-Vorpommern (Entscheidung vom 05.10.2000; Aktenzeichen 3 L 284/99)

VG Schwerin (Entscheidung vom 07.10.1999; Aktenzeichen 3 A 982/96)

 

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 5. Oktober 2000 wird aufgehoben.

Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 und 2 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 7. Oktober 1999 werden zurückgewiesen.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1 und 2 tragen die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens jeweils zur Hälfte mit Ausnahme ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3 sind nicht erstattungsfähig.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer vom Beklagten zugunsten der Beigeladenen erteilten Grundstücksverkehrsgenehmigung.

Die 1995 verstorbene Rechtsvorgängerin der Klägerin meldete am 8. September 1990 vermögensrechtliche Ansprüche u.a. an dem Grundstück G. Straße 1 in R. an, dessen frühere Eigentümerin sie war. Das im ehemaligen Grundbuch von R., Blatt 7159, Liegenschafts-Bestandsblatt 3379, eingetragene Grundstück bestand aus den Flurstücken 187/1 und 187/2 der Flur 1 der Gemarkung G. Verfügungsberechtigte über das Grundstück, das zuletzt im Eigentum des Volkes stand, war seit 1990 die Beigeladene zu 3. Diese verkaufte das mit einem Mietwohnhaus bebaute Flurstück 187/1 mit notariellem Kaufvertrag vom 13. November 1991 an die Beigeladenen zu 1 und 2. Am 7. Februar 1992 erteilte der Beklagte die entsprechende Grundstücksverkehrsgenehmigung, nachdem zuvor vom Amt zur Regelung offener Vermögensfragen, das bei dem Beklagten angesiedelt ist, mitgeteilt worden war, dass das Grundstück nicht anmeldebelastet sei. Am 19. April 1993 wurden die Beigeladenen zu 1 und 2 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Das unbebaute Flurstück 187/2 wurde später durch Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen auf die Klägerin rückübertragen, weil eine Schädigung nach § 1 Abs. 2 VermG vorgelegen habe.

Anlässlich einer Akteneinsichtnahme am 15. Dezember 1994 erhielt die Rechtsvorgängerin der Klägerin Kenntnis von der Grundstücksverkehrsgenehmigung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Januar 1995 bezeichnete sie die Genehmigung als „fehlerhaft und sachlich unrichtig” und machte einen „Berichtigungsanspruch dahingehend geltend”, dass „die Genehmigung mit einem rechtsmittelfähigen Bescheid zu widerrufen resp. aufzuheben” sei.

Der Beklagte lehnte den „Antrag vom 2. Januar 1995 auf Rücknahme der Grundstücksverkehrsgenehmigung” mit Bescheid vom 22. Mai 1995 ab und führte zur Begründung aus, der „Antrag auf Widerruf der Grundstücksverkehrsgenehmigung” sei „als Antrag auf Rücknahme auszulegen” gewesen. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme lägen aber nicht vor. Die Genehmigung sei zwar rechtswidrig; die Funktionsfähigkeit und Sicherheit des Grundstücksverkehrs genieße jedoch mit Rücksicht auf die von den Beigeladenen zu 1 und 2 durchgeführten Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen vorrangigen Schutz.

Zur Begründung des mit Schriftsatz vom 2. Juni 1995 gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruchs führten die damaligen Bevollmächtigten der Rechtsvorgängerin der Klägerin einleitend aus, der angefochtene Bescheid werte den gestellten Antrag zutreffend als einen solchen auf Rücknahme der Grundstücksverkehrsgenehmigung.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 18. März 1996 zurück, weil eine im Rahmen der Ermessensausübung vorzunehmende Interessenabwägung ergebe, dass das Interesse der Widerspruchsführerin an der Verschaffung von Eigentum hinter dem Interesse der Erwerber an der Erhaltung ihrer Eigentümerposition zurücktreten müsse.

Gegen den Bescheid vom 22. Mai 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen eine fehlerhafte Anwendung des § 48 VwVfG gerügt. Auf einen gerichtlichen Hinweis vom 19. April 1996, dass der Antrag vom 2. Januar 1995 auch als Widerspruch gegen die Grundstücksverkehrsgenehmigung anzusehen sein könnte, hat die Klägerin ihren Klageantrag umgestellt und nunmehr beantragt, die Grundstücksverkehrsgenehmigung aufzuheben, hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, diese zurückzunehmen. Außerdem hat sie mit Schreiben vom 20. Dezember 1996 vorsorglich ausdrücklich Widerspruch gegen die erteilte Grundstücksverkehrsgenehmigung beim Beklagten eingelegt, über den bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens nicht entschieden war. Zwischenzeitlich hat der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2001 wegen Verwirkung als unzulässig zurückgewiesen. Die dagegen von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage ist beim Verwaltungsgericht anhängig (VG 3 A 1569/01).

Im vorliegenden Verfahren hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Oktober 1999 der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Anfechtungsklage sei nach § 75 VwGO zulässig. Das Schreiben der Klägerin vom 2. Januar 1995 sei als Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Februar 1992 auszulegen. Nach anerkannter Auslegungsregel sei zugunsten des Bürgers davon auszugehen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen wolle, der nach Lage der Sache seinen Belangen am effektivsten gerecht werde und eingelegt werden müsse, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen. Dies gelte grundsätzlich auch bei einem anwaltlich vertretenen Widerspruchsführer, jedenfalls, wenn in den an die Behörde gerichteten Schreiben ein entsprechender Wille hinreichend deutlich zum Ausdruck komme, auch wenn das Schreiben nicht ausdrücklich als Widerspruch bezeichnet sei. Die vom Beklagten vorgenommene Auslegung der Erklärungen als Rücknahmeverlangen hinsichtlich der erteilten Grundstücksverkehrsgenehmigung werde dem klägerischen Begehren demgegenüber nicht vollauf gerecht. Mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe und einer entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung habe die Frist nicht zu laufen begonnen. Eine Verwirkung des Anfechtungsrechts sei nicht erfolgt.

Die Klage sei auch im Hauptantrag begründet. Die Grundstücksverkehrsgenehmigung sei rechtswidrig. Der Grundstückskaufvertrag habe der staatlichen Genehmigung bedurft. Diese sei zu versagen gewesen, da der vermögensrechtliche Anspruch der Klägerin bereits seit dem 8. September 1990 angemeldet gewesen sei. Er erscheine auch nicht offensichtlich unbegründet. Vielmehr sei die begehrte Restitution des Flurstücks 187/1, das mit dem bereits rückübertragenen Flurstück 187/2 im Zeitpunkt der Schädigung ein Buchgrundstück gebildet habe, wegen des Vorliegens des Schädigungstatbestandes des § 1 Abs. 2 VermG sogar wahrscheinlich.

Auf die vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 und 2, mit denen diese die Auslegung des Schreibens vom 2. Januar 1995 als Widerspruch beanstandet haben, hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 5. Oktober 2000 das verwaltungsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufungen seien zulässig. Dies gelte auch für die Berufung des Beklagten, weil die Berufungsbegründung innerhalb der zuletzt am 15. Juni 2000 in einem Telefongespräch zwischen dem Berichterstatter und der Vertreterin des Beklagten bis zum 16. Juni 2000 verlängerten Begründungsfrist bei Gericht eingegangen sei.

Die Berufungen seien auch begründet. Der Beklagte habe das Schreiben der Klägerin vom 2. Januar 1995 als Antrag auf Rücknahme der Grundstücksverkehrsgenehmigung auslegen dürfen und habe über die Rücknahme rechtsfehlerfrei nach Ermessen entschieden. Der Antrag in dem anwaltlichen Schreiben vom 2. Januar 1995 sei für sich genommen zwar mehrdeutig und hätte auch die Auslegung erlaubt, dass ein Widerspruch gegen die Grundstücksverkehrsgenehmigung habe erhoben werden sollen. Die Klägerin habe aber mit anwaltlichen Schriftsatz vom 2. Juni 1995 die Auslegung des Beklagten als Rücknahmeantrag ausdrücklich gebilligt. Zur Begründung des Widerspruchs habe sie sich dann auch ausschließlich mit der Vorschrift des § 48 VwVfG auseinander gesetzt. Damit habe sich die Klägerin die Auslegung ihres Schreibens durch den Beklagten zu Eigen gemacht und sei daran gebunden. Angesichts des klaren Wortlauts dieses anwaltlichen Schriftsatzes sei kein Raum für eine Auslegung, dass über den Rücknahmeantrag hinaus auch ein Widerspruch eingelegt sein solle. Jede Auslegung in diese Richtung durch ein Gericht verstieße gegen das Verbot, zugunsten eines Verfahrensbevollmächtigten erfolgsorientiert auszulegen.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Aufhebung der Grundstücksverkehrsgenehmigung.

Sie beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 5. Oktober 2000 aufzuheben und die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 und 2 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 7. Oktober 1999 zurückzuweisen.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1 und 2 beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigen das Berufungsurteil.

Die Beigeladene zu 3 stellt keinen Antrag.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich nicht am Verfahren.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verstößt gegen Bundesrecht (1.). Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 und 2 gegen das erstinstanzliche Urteil sind unbegründet und hätten deswegen zurückgewiesen werden müssen (2.). Da es insoweit keiner weitergehenden Sachverhaltsfeststellungen bedarf, kann der Senat selbst in der Sache entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

1. Das Oberverwaltungsgericht hat gegen Bundesrecht verstoßen, indem es das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen hat. Dabei kann offen bleiben, ob das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Beklagten wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig hätte verwerfen müssen (a). Jedenfalls verstößt die der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts unausgesprochen zugrunde liegende Ansicht, das von der Klägerin mit dem Hauptantrag verfolgte Anfechtungsbegehren sei unzulässig, gegen Bundesrecht (b).

a) Nach § 124 a Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (Satz 3). Ob diese Voraussetzungen hinsichtlich der Berufung des Beklagten vorliegen, ist zumindest zweifelhaft. Die Frage kann aber letztlich offen bleiben, weil die Berufung jedenfalls unbegründet ist.

Ausweislich der Prozessakten ist der Beschluss des Berufungsgerichts vom 11. April 2000, mit dem die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 und 2 zugelassen wurden, dem Beklagten am 3. Mai 2000 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Die Frist für die Berufungsbegründung endete daher am Montag, dem 5. Juni 2000. Eingegangen ist die Berufungsbegründung vom 16. Juni 2000 am selben Tage per Telefax. Ein schriftlicher Antrag des Beklagten auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist befindet sich nicht bei den Akten. Es findet sich lediglich ein handschriftlicher Vermerk vom 24. Mai 2000 (BA I Bl. 210R) mit einer für Außenstehende nicht zu identifizierenden Paraphe, der aber, wie ein Vergleich mit dem Vermerk vom 17. Mai 2000 (BA I Bl. 209R) ergibt, mit dem der Vorsitzende auf Antrag des Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1 und 2 die Berufungsbegründungsfrist verlängert hatte, eindeutig nicht von dem Vorsitzenden stammt. Der Vermerk lautet:

„Zulassungsantragsteller zu 1) erhielt telefonisch Fristverlängerung bis 13. (unleserlich, möglicherweise auch 15.) 6.”.

Nach dem sonstigen Akteninhalt spricht viel dafür, dass der handschriftliche Vermerk von dem Berichterstatter stammt. Bei der Vorbereitung des Termins zur mündlichen Verhandlung ist der Berichterstatter offenbar davon ausgegangen, dass die Berufung des Beklagten als unzulässig zu verwerfen ist. Dafür spricht jedenfalls der bei den Akten befindliche (BA I Bl. 258) und wohl aus dem Votum stammende Tenorierungsvorschlag, der handschriftlich geändert und von den bei der Entscheidung mitwirkenden Richtern unterschrieben worden ist.

In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin des Beklagten zur Frage der Berufungsbegründungsfrist ausweislich der Sitzungsniederschrift Folgendes erklärt:

„Ich habe am Nachmittag des 15.06.2000 gegen 17.00 Uhr, nachdem ich aus einer Beratung zurückgekehrt war und festgestellt hatte, dass die bereits diktierte Berufung von meiner Sekretärin nicht geschrieben worden war und mir an diesem Nachmittag auch keine Sekretärin mehr zur Verfügung stand, beim Oberverwaltungsgericht angerufen und mit einem Richter R. gesprochen, der mir eine weitere Fristverlängerung um einen Tag gewährte. Ich bin in diesem Moment davon ausgegangen, dass es sich um den richtigen Richter R. handelte, der mir die Fristverlängerung gewährte. Da ich selbst nicht Schreibmaschine schreiben kann und mehrere Stunden für das Erstellen des Schriftsatzes benötigt hätte, war ich hocherfreut über die Fristverlängerung und habe auch mehrere Personen, die ich im Amt traf, darüber informiert.

Daher bin ich der Auffassung, dass die Begründungsfrist gewahrt worden ist. Vorsorglich beantrage ich unter Bezugnahme für das oben Gesagte Wiedereinsetzung in vorigen Stand.”

Weiter heißt es in dem Protokoll:

„Es wird festgestellt, dass über dieses Gespräch kein Vermerk in der Gerichtsakte enthalten ist. Weiterhin wird festgestellt, dass sich Herr R. nicht an dieses Gespräch erinnern kann. Nach Erinnerung von Frau L. fand dieses Telefongespräch in der Pforte des Gerichts statt.”

In dem Berufungsurteil wird zur Frage der Berufungsbegründungsfrist ausgeführt:

„Der Senat ist aufgrund der Darstellung der Vorgänge um die zweifache Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch die Vertreterin des Beklagten zu der Überzeugung gekommen, dass der Berichterstatter in Vertretung des Vorsitzenden die Frist am 15.06.2000 telefonisch gemäß § 124 a Abs. 3 Satz 3 VwGO bis zum 16.06.2000 verlängert hat.”

Bei der Frage, ob die Berufung fristgerecht begründet worden ist, handelt es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung, die vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist. Nach dem Akteninhalt spricht viel dafür, dass die Frist versäumt wurde (aa). Jedenfalls ließe sich die Zulässigkeit der Berufung nicht ohne eine Beweisaufnahme feststellen (bb).

aa) Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs bedarf der Antrag auf Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist der Schriftform (BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 14. März 1994 – 1 BvR 1510/93 – NVwZ 1994, 781; BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 1990 – BVerwG 3 C 20.88 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 170 S. 33 ≪35≫; BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 1985 – VIII ZB 18/84 – BGHZ 93, 300 ≪303 f.≫ und vom 22. Oktober 1997 – VIII ZB 32/97 – MDR 1998, 365; BFH, Beschluss vom 16. November 1990 – IV R 5-6/89BFH/NV 1991, 828). Schon daran fehlt es hier für beide Verlängerungsanträge des Beklagten. Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine von dem zuständigen Vorsitzenden des Spruchkörpers verfügte Fristverlängerung auch dann wirksam ist, wenn dieser Verfügung ein fehlerhafter Antrag zugrunde liegt (BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 1985, a.a.O., S. 304, vom 22. Oktober 1997, a.a.O. und vom 8. Oktober 1998 – VII ZB 21/98 – MDR 1999, 313; offen gelassen von BVerfG, a.a.O.). Dies setzt aber jedenfalls voraus, dass der Vorsitzende die Fristverlängerung tatsächlich verfügt und nicht etwa nur in Aussicht gestellt hatte und dass dies, sofern – wie hier hinsichtlich der zweiten Fristverlängerung – die Verfügung nicht aktenkundig ist, ggf. durch Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts festgestellt wird (BGH, a.a.O.).

bb) Dabei muss die Überzeugungsbildung so dargelegt werden, dass sie ggf. von dem Rechtsmittelgericht nachvollzogen werden kann. Auch daran fehlt es hier. Wie das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall ohne förmliche Vernehmung der beteiligten Personen zu seiner Überzeugung gelangt ist, obwohl der Berichterstatter noch in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls erklärt hatte, sich an die Fristverlängerung nicht erinnern zu können (vgl. auch seinen Tenorierungsvorschlag im Votum), ist nicht nachvollziehbar, zumal es weiterer Aufklärung der Frage bedurft hätte, warum der Berichterstatter zu der nach dem Gesetz dem Vorsitzenden vorbehaltenen Entscheidung befugt gewesen sein sollte; denn ein Vertretungsfall ist hinsichtlich beider Verlängerungsverfügungen nicht dargelegt.

Nach alledem spricht viel dafür, dass das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Beklagten hätte als unzulässig verwerfen müssen. Der Senat sieht aber von der insoweit erforderlichen Beweisaufnahme ab, weil einerseits die Berufung jedenfalls unbegründet ist und weil der Senat andererseits wegen der zulässigen Berufung der Beigeladenen zu 1 und 2 die Frage der Begründetheit der Berufung ohnehin prüfen muss.

b) Das Berufungsgericht konnte den Berufungen nur stattgeben und die Klage abweisen, wenn es den von der Klägerin in der ersten Instanz gestellten Haupt- und den Hilfsantrag für unzulässig oder unbegründet hielt. Auch wenn dies dem Urteil nicht ausdrücklich zu entnehmen ist, war das Oberverwaltungsgericht offenbar der Ansicht, die mit dem Hauptantrag von der Klägerin verfolgte Anfechtungsklage sei unzulässig, weil die Klägerin gegen die Grundstücksverkehrsgenehmigung keinen Widerspruch eingelegt habe. Mit dieser entscheidungstragenden Annahme verstößt das Berufungsurteil gegen Bundesrecht.

Zu Unrecht meint das Oberverwaltungsgericht, das anwaltliche Schreiben vom 2. Januar 1995 könne nicht als Widerspruch ausgelegt werden. Damit verstößt es gegen revisible bundesrechtliche Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) (aa). Außerdem hätte das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus den von der Klägerin im Dezember 1996 ausdrücklich eingelegten Widerspruch gegen die Grundstücksverkehrsgenehmigung in seine Betrachtungen einbeziehen müssen. Sofern man nämlich mit dem Berufungsgericht der Ansicht wäre, dass bis dahin noch kein Widerspruch eingelegt worden sei, wäre jedenfalls dieser Widerspruch zulässig gewesen (bb).

aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das anwaltliche Schreiben vom 2. Januar 1995 (auch) als Widerspruch gegen die Grundstücksverkehrsgenehmigung auszulegen.

Da es sich bei der Einlegung des Widerspruchs nicht um eine Prozesshandlung, sondern um einen vorprozessualen Rechtsbehelf handelt, ist diese empfangsbedürftige Willenserklärung grundsätzlich nicht vom Revisionsgericht selbst auszulegen. Jedoch ist die Auslegung durch die Tatsacheninstanz vom Revisionsgericht daraufhin zu überprüfen, ob allgemeine Auslegungsregeln verletzt sind (BGH, Urteil vom 3. April 2000 – II ZR 194/98 – NJW 2000, 2099 m.w.N.). Auch die Frage, ob eine Willenserklärung eindeutig oder auslegungsfähig ist, unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (Urteil vom 18. Oktober 2000 – BVerwG 8 C 13.99 – Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 24 S. 24 ≪28≫ m.w.N. aus der Rechtsprechung des BGH). Bei der Auslegung von Anträgen und von bei einer Behörde einzulegenden Rechtsbehelfen sind ebenso wie bei der Auslegung von Prozesshandlungen die für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen der erklärenden Partei, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger erkennbar wird (vgl. Urteil vom 27. April 1990 – BVerwG 8 C 70.88 – Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 1 ≪5≫). Maßgeblich für den Inhalt eines Antrages oder Rechtsbehelfs ist daher, wie die Behörde ihn unter Berücksichtigung aller ihr erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben zu verstehen hat (Urteil vom 15. November 2000 – BVerwG 8 C 28.99 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 40 S. 31 ≪32≫). Dabei muss sich die Auslegung auf den Schriftsatz in seiner Gesamtheit und das mit ihm erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel beziehen (Beschluss vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 1 B 110.98 – Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 6 S. 12 ≪14≫). Bei der Ermittlung des wirklichen Willens ist nach anerkannter Auslegungsregel zugunsten des Bürgers davon auszugehen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und eingelegt werden muss, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen (Urteil vom 27. April 1990, a.a.O. S. 6). Dies gilt im Grundsatz auch für anwaltliche Anträge und Rechtsbehelfe, soweit diese auslegungsfähig und -bedürftig sind (vgl. Beschluss vom 3. Dezember 1998, a.a.O.). Nur die Umdeutung nicht auslegungsfähiger, weil eindeutiger Prozesserklärungen von Rechtsanwälten ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeschlossen (vgl. Beschlüsse vom 12. März 1998 – BVerwG 2 B 20.98 – Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 2 S. 2 ≪3≫, vom 25. März 1998 – BVerwG 4 B 30.98 – Buchholz a.a.O. Nr. 3 und vom 23. August 1999 – BVerwG 8 B 152.99 – Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 23 m.w.N.). Zu Unrecht berufen sich der Beklagte und die Beigeladenen zu 1 und 2 demgegenüber auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. Juni 1996 – IX ZR 51/95 – (NJW 1996, 2648 ≪2650≫), wonach es Aufgabe des mit einer Rechtsgestaltung beauftragten Rechtsanwaltes sei, schon durch die Wortwahl seiner Erklärung Klarheit zu schaffen, und wonach dieser es regelmäßig gar nicht dazu kommen lassen dürfe, dass der Wortlaut seiner Erklärungen zu Zweifeln Anlass gebe, die erst Voraussetzung für eine Auslegung sein könnten. Denn diese Entscheidung, die einen Regressanspruch betrifft, bezieht sich ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten, nicht aber auf die Frage, wie die Erklärungen des Anwalts im Außenverhältnis gegebenenfalls zu behandeln sind.

Gegen die dargelegten allgemeinen Auslegungsgrundsätze hat das Berufungsgericht verstoßen, indem es die Auslegung des anwaltlichen Schreibens vom 2. Januar 1995 als Widerspruch deswegen nicht zugelassen hat, weil eine solche Auslegung gegen das „Verbot” verstieße, „zu Gunsten eines Verfahrensbeteiligten erfolgsorientiert auszulegen”. Ein solches Auslegungsverbot kennt das Bundesrecht nicht. Vielmehr führt jede Auslegung einer Erklärung letztlich zu einem bestimmten Erfolg. Soweit der VGH Mannheim (Urteil vom 8. Mai 1998 – 8 S 444/98 – VBlBW 1998, 347 ≪348≫) ausgeführt hat, es sei nicht Aufgabe der Gerichte, durch erfolgsorientierte, über den Wortlaut einer anwaltlich verfassten Klageschrift hinausgehende Auslegung den Weg für ein Obsiegen zu ebnen, lag dem eine Fallgestaltung zu Grunde, in der die abgegebene Erklärung des Anwalts nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs eindeutig, und deswegen auch nicht auslegungsfähig war. Im Übrigen hat sich der VGH Mannheim in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf den Beschluss des Senats vom 29. August 1989 – BVerwG 8 B 9.89 – (Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 17) berufen, denn diese Entscheidung verwendet den Begriff der „erfolgsorientierten Auslegung” nicht. Im Übrigen verhält sich der Beschluss des Senats allein zu der Vorschrift des § 88 VwGO, auf die es hier aber nicht ankommt, weil der Inhalt der von der Klägerin gestellten Klageanträge nicht zweifelhaft sein kann, und das Verwaltungsgericht auch von deren Wortlaut gar nicht abgewichen ist.

Da die Auslegung des Schreibens vom 2. Januar 1995 durch das Berufungsgericht demnach gegen revisible Auslegungsgrundsätze verstößt und für die Auslegung weitere Tatsachenermittlungen nicht erforderlich sind, kann der Senat die Erklärung selbst auslegen (Urteile vom 18. Oktober 2000 – BVerwG 8 C 13.99 – Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 24 S. 24 ≪28 f.≫ und vom 15. November 2000 – BVerwG 8 C 28.99 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 40 S. 31 ≪33≫ m.w.N.; vgl. auch BGHZ 65, 107 ≪112≫; 109, 19 ≪22≫; 121, 284 ≪289≫; BGH NJW 2000, 2099). Wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, ist der Wortlaut des Schreibens vom 2. Januar 1995 keineswegs eindeutig. Schon im Betreff heißt es „Anspruch auf Widerruf/Aufhebung der Genehmigung”. Im Übrigen wird die erteilte Grundstücksverkehrsgenehmigung als „fehlerhaft und sachlich unrichtig” bezeichnet und namens der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein „Berichtigungsanspruch dahin gehend geltend gemacht, dass die Genehmigung mit einem rechtsmittelfähigen Bescheid zu widerrufen resp. aufzuheben ist”. Dieser Text lässt entgegen der Ansicht des Beklagten nicht nur die Auslegung zu, damit solle die Rücknahme der Genehmigung beantragt werden. Das Wort „Rücknahme” enthält der Schriftsatz überhaupt nicht. Vielmehr hat auch der Beklagte den Begriff „Widerruf” in „Rücknahme” umgedeutet. Eindeutig zu entnehmen ist dem Schreiben aber das Ziel, die für rechtswidrig gehaltene Grundstücksverkehrsgenehmigung zu beseitigen. Dabei entspricht das Wort „aufheben” dem üblichen Sprachgebrauch bei einer Anfechtungsklage oder einem Anfechtungswiderspruch. Es kommt hinzu, dass die Behörde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verpflichtet ist, dem Bürger den erkennbar einfachsten Weg zu weisen, auf dem er sein Ziel erreichen kann. Deswegen hat das Bundesverwaltungsgericht es als selbstverständliche Pflicht der höheren Verwaltungsbehörde bezeichnet, zunächst zu prüfen, ob der Bewerber um eine Ausnahmebewilligung nicht etwa ohne weiteres einen Rechtsanspruch auf Eintragung in die Handwerksrolle hat, der ihm den Weg über die Erteilung einer Ausnahmebewilligung erspart (Urteil vom 14. Mai 1963 – BVerwG 7 C 40.63 – BVerwGE 16, 94 ≪95, 98≫ = Buchholz 451.45 § 7 HandwO Nr. 7). Dementsprechend muss eine Behörde, bei der der Widerruf bzw. die Rücknahme eines belastenden Verwaltungsaktes beantragt wird, zunächst prüfen, ob der Verwaltungsakt gegenüber dem Antragsteller bestandskräftig geworden ist, und andernfalls den Antrag auch als Widerspruch gegen den Verwaltungsakt auslegen. So hat der Senat bereits entschieden, dass zu Gunsten eines Widerspruchsführers von demjenigen Inhalt des Widerspruchs auszugehen ist, der nach Lage der Sache in Betracht kommt und den Belangen des Widerspruchsführers erkennbar entspricht, weil er Erfolg haben kann (Urteil vom 13. Dezember 2000 – BVerwG 8 C 31.99 – Buchholz 428 § 16 VermG Nr. 5 S. 3 ≪10≫, vgl. auch BFH, Urteil vom 11. September 1986 – IV R 11/83 – NVwZ 1988, 192).

Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, der Auslegung des Schreibens vom 2. Januar 1995 als Widerspruch gegen die Grundstücksverkehrsgenehmigung stehe die (spätere) Begründung des Widerspruchs gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten entgegen. Soweit es nämlich in dem Schreiben der damaligen Bevollmächtigten der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 2. Juni 1995 heißt, der Beklagte habe den gestellten Antrag zutreffend als einen solchen auf Rücknahme der Grundstücksverkehrsgenehmigung gewertet, bezieht sich diese Aussage erkennbar auf die in dem ablehnenden Bescheid vom Beklagten vorgenommene Auslegung des Begriffs „Widerruf” als „Rücknahme”. Demgegenüber verhält sich der Bescheid zur Frage eines möglichen Widerspruchs mit keinem Wort. Deswegen kann auch die an den Bescheid anknüpfende Formulierung in dem anwaltlichen Schreiben vom 2. Juni 1995 nicht dahin gehend verstanden werden, das Schreiben vom 2. Januar 1995 sei nicht als Widerspruch auszulegen. Im Übrigen könnte dem späteren Schreiben eine solche Bedeutung nur dann beigelegt werden, wenn man es als (konkludente) Rücknahme des bereits eingelegten Widerspruchs verstehen wollte. Dafür, dass der Verfasser eine solche Erklärung abgeben wollte, fehlt es aber an jedem Anhaltspunkt in dem Schreiben, zumal sich aus Gründen der Rechtssicherheit der Wille, einen erhobenen förmlichen Rechtsbehelf zurückzunehmen, eindeutig ergeben muss.

bb) Die Anfechtungsklage ist auch deshalb zulässig, weil die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Dezember 1996 ausdrücklich gegen die Grundstücksverkehrsgenehmigung vom 7. Februar 1992 Widerspruch eingelegt hat. Mit diesem Widerspruch hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Der Widerspruch vom 20. Dezember 1996 war entgegen der Ansicht des Beklagten nicht wegen Verwirkung unzulässig. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Klägerin die Grundstücksverkehrsgenehmigung zu keinem Zeitpunkt bekannt gegeben wurde, ihre Rechtsvorgängerin vielmehr nur bei Gelegenheit einer Akteneinsicht tatsächlich Kenntnis erlangt hat. Eine Widerspruchsfrist (§§ 70, 58 Abs. 2 VwGO) hat daher nicht zu laufen begonnen. Dies verkennt auch der Beklagte nicht. Für eine Verwirkung des Widerspruchsrechts fehlt es aber an jedem Anhaltspunkt. Dafür reicht nämlich allein der Zeitablauf nicht aus. Vielmehr muss hinzukommen, dass die anderen Beteiligten wegen des bisherigen Verhaltens des Widerspruchsführers nach Treu und Glauben darauf vertrauen durften, er werde gegen den Verwaltungsakt nicht mehr vorgehen, und dieses Vertrauen auch betätigt haben (vgl. Urteil vom 7. Februar 1974 – BVerwG 3 C 115.71 – BVerwGE 44, 339 ≪343 f.≫). Dies ist hier schon deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin unmittelbar, nach- dem sie von der Genehmigung Kenntnis erlangt hatte, mit dem Schreiben ihrer Anwälte vom 2. Januar 1995 und mit dem sich anschließenden Verfahren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie gerade die angegriffene Grundstücksverkehrsgenehmigung nicht hinnehmen wollte (vgl. dazu auch die Fallgestaltung in dem Urteil vom 10. Juni 1998 – BVerwG 7 C 27.97 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 16 S. 41 ≪46 f.≫. Im Übrigen wird die fehlende Vertrauensbetätigung der Beigeladenen zu 1 und 2 auch dadurch deutlich, dass sie ihrerseits im Frühjahr 1996 vorsorglich einen Investitionsvorrangbescheid beantragt haben. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Baunachbar gegen eine ihm nicht vorschriftsmäßig bekannt gegebene Baugenehmigung, von der er in anderer Weise sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, innerhalb der Jahresfrist nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO Widerspruch erheben muss, ist auf vermögensrechtliche Streitigkeiten nicht zu übertragen (Beschluss vom 21. Januar 1999 – BVerwG 8 B 116.98 – Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 19 S. 1 f.).

Im Hinblick auf diesen nicht wegen Fristablaufs oder Verwirkung unzulässigen Widerspruch hätte daher das Berufungsgericht auch von seinem Rechtsstandpunkt aus die Anfechtungsklage gegen die Grundstücksverkehrsgenehmigung als zulässig ansehen müssen. Dem steht wegen der Vorschrift des § 75 VwGO nicht entgegen, dass bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ein Widerspruchsbescheid nicht ergangen war.

2. Die demnach zulässige Anfechtungsklage gegen die Grundstücksverkehrsgenehmigung ist auch begründet. Die Grundstücksverkehrsgenehmigung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kaufvertrag zwischen den Beigeladenen bedurfte der Genehmigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVO. Diese hätte nach § 1 Abs. 2 Satz 1 GVO versagt werden müssen, weil für das Grundstück in der Ausschlussfrist des § 30 a VermG ein Antrag auf Rückübertragung bei dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen eingegangen war. Die Grundstücksverkehrsgenehmigung konnte auch nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 GVO erteilt werden, weil der Antrag nach § 30 Abs. 1 VermG nicht offensichtlich unbegründet erschien, wie die inzwischen erfolgte Restitution des mit dem hier streitigen Flurstück im Schädigungszeitpunkt ein Grundstück im Rechtssinne bildenden weiteren Flurstücks zeigt. Dies hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt. Davon gehen auch die Beteiligten aus.

Auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zur (Un-)Begründetheit des Hilfsantrages kommt es daher nicht an.

Mit der rechtskräftigen Aufhebung der Grundstücksverkehrsgenehmigung erledigt sich zugleich der während des Revisionsverfahrens ergangene Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2001.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Sailer, Golze, Postier

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 12.12.2001 durch Sieber Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 675279

BVerwGE, 302

NVwZ 2002, 873

ZAP 2002, 696

BayVBl. 2002, 676

DVBl. 2002, 1043

FSt 2002, 641

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